Agfa Silette
Mit Silette bezeichnete Agfa eine Kleinbild-Sucherkamera mit feststehendem Objektiv und manueller Belichtungseinstellung. Bei der ersten Silette von 1954 handelt es sich um ein eigenständiges Modell, mit Erscheinen der Agfa Optima im Jahre 1959 wurden von dieser Modelle mit manueller Einstellung abgeleitet und wiederum Silette genannt. Mit der Silette LK Sensor erschien 1969 das letzte Modell, danach brachte Agfa mangels Nachfrage nur noch Voll- und Programmautomaten heraus.
Erste Generation
Vorgeschichte
Um 1952 erschienen mehrere Kleinbildkameras mit fest montiertem Objektiv, woraufhin die Klappkameras mit ihren Balgen aus der Mode kamen und man sie als Vorkriegstechnik betrachtete. Grundsätzlich war nichts gegen solch einen Faltmechanismus einzuwenden, zumal er tatsächlich zu einer flacheren und damit handlicheren Kamera führte. Andererseits wurden die meisten Kameras mit der modellspezifischen Ledertasche um den Hals getragen, wobei wenige Zentimeter mehr Dicke nicht störten. Agfa reagierte zunächst nicht auf den Trend und brachte mit der Solinette sogar noch ein herkömmliches Modell heraus.
Silette
1954 kam es schließlich zur langerwarteten Agfa nach dem neuen Konstruktionsprinzip, der enorm erfolgreichen Silette. Ihre Tagesproduktion betrug zeitweise 2400 Exemplare und sie hatte beispielsweise an den 62 Mio. DM Umsatz des Agfa Camerawerks München im Jahr 1955 einen erheblichen Anteil. Diese Kamera verzichtete nicht nur auf den Balgen, sie wies darüber hinaus einen Schnellschalthebel auf, außerdem war der Verschlussaufzug mit dem Filmtransport gekoppelt. Entsprechend der Isolette erfuhr sie im Laufe ihrer Produktionszeit zahlreiche undokumentierte Detailmodifikationen. Darüber hinaus gab es sie ebenfalls mit verschiedenen Objektiven und Verschlüssen, so wie seinerzeit bei praktisch allen Herstellern üblich.
Silette L
Bei der Silette L handelte es sich um die erste Agfa-Kamera mit eingebauten Belichtungsmesser, sie ging 1955 in Produktion, wozu man eigens die Abteilung Instrumentenbau im Werk München einrichtete, und 1956 in den Verkauf. Dieser Belichtungsmesser fand in einer geänderten Gehäusekappe Platz, er war ungekoppelt, besaß also ein eigenes Einstellrad, und arbeitete – wie alle elektronischen Belichtungsmesser seiner Zeit – mit einer Selenzelle.
Super Silette
Die Super Silette, gebaut ab 1956 besaß genau wie auch die Super Solinette einen in die Gehäusekappe integrierten Entfernungsmesser. Wahlweise standen der Prontor-SVS und der Synchro-Compur-Verschluss zur Verfügung. Ferner gab es wahlweise das dreilinsige Agfa Color Apotar, das vierlinsige Agfa Color Solinar, beide 1:3,5/45 mm, oder das sechslinsige Agfa Color Solagon 1:2,0/50 mm im Objektivprogramm. Kameras mit diesen „Gauss“-Objektiven galten damals als Luxus, bis sie in den 60er Jahren aus Japan zum Massenprodukt wurden. Deren optische Überlegenheit trug entscheidend zum Abbau der deutschen Vormachtstellung bei.
Super Silette L
Die Super Silette L, eine Messsucherkamera mit ungekoppelten Belichtungsmesser, Prontor-SVS-Verschluss und einem vierlinsigen Agfa Color-Solinar 1:2,8/50 mm gebaut ab 1957 mit ähnlichem Gehäuse der Silette SL. Der Preis lag bei 249 DM.
Silette LK und Silette SL
Die beiden Modelle LK und SL besaßen einen gekuppelten Belichtungsmesser, es handelte sich also bereits um einen Halbautomat: Verstellte man die Einstellungen für Blende und Zeit am Objektiv, so wurden diese direkt auf den Belichtungsmesser übertragen und man konnte mit dessen Zeigerstellung die korrekte Belichtung ermitteln.
Der Unterschied zwischen den beiden Modellen bestand vor allem im Objektiv: Die Silette LK besaß ein dreilinsiges Objektiv f/2,8 mit 45 mm Brennweite vom Typ Agfa Agnar oder Agfa Apotar, die SL das Vierlinser Agfa Solinar f/2,8 mit 50 mm Brennweite. Der Verschluss war bei der SL immer vom Typ Prontor SVS, für die LK sind verschiedene eingebaut worden.
Die Silette SL kostete 249,— DM.
Ambi-Silette
In der Bezeichnung Ambi-Silette wies Ambi auf Wechselobjektive hin.
„Ich will nicht mehr als alles. Das ferne Motiv muß nah sein − und das nahe rundum ganz erfaßt werden. Und das alles natürlich auch farbig. Erstklassig – versteht sich.“
Agfa bot für dieses Modell vier verschiedene Brennweiten an:
- Ambion f/4, 35 mm
- Solinar f/2,8, 50 mm
- Telinear f/4, 90 mm
- Color-Telinear f/4, 130 mm mit separatem Sucher
Die Objektive waren noch schwer, da aus verchromten Messing, während man zunehmend dazu überging, Aluminium zu verwenden. Der Kamerasucher passte sich ihnen mit wechselnden Leuchtrahmen für jede Brennweite an und besaß überdies einen automatischen Parallaxenausgleich, der mit allen Objektiven funktionierte. Dies bedeutete, dass er sich mit der Entfernungseinstellung bewegte, um das unterschiedliche Blickfeld von Sucher und Objektiv im Nahbereich auszugleichen. Die Blitzsynchronisation erfolgte über einen Kabelkontakt - im Bild links oberhalb des Objektives.
Mit dem 50-mm-Objektiv kostete die Kamera 298 DM, dafür gab es allerdings keine Belichtungsmessung. Das Zubehörprogramm hielt aber aufsteckbare Belichtungsmesser diverser Hersteller bereit.
Zweite Generation
Vorgeschichte
1957 erschien das erste Modell einer neuen Silette-Generation mit Kunststoffgehäuse. Der technische Fortschritt erlaubte es nämlich nun, aus diesem Material komplexere Gehäuseformen zu bauen. Dies sparte vor allem Produktionskosten, da Teile daraus im Gegensatz zu Aluminium-Druckguss kaum nachbearbeitet werden mussten. So kam zunächst eine einfache Silette aus diesem Material heraus. Nach 1960 bekamen dann alle Silette Modelle das neue Gehäuse, welches auch für die Optima Ia Verwendung fand und vom Kunststoffgehäuse der Isoly Reihe abgeleitet wurde.
Um diese Zeit wandelte sich auch die Bedeutung der Silette, sie hatte nun vor allem Bedeutung als Einsteigerkamera zu einem Preis, für den man noch keine aufwendige Belichtungssteuerung produzieren konnte. Den bisherigen Kundenkreis decken nun die Optima mit ihrer Programmautomatik ab, bzw. für engagiertere Fotografen der Zeitautomat Selecta.
Silette
Die einfachste Silette kostete 69,50 DM und besaß das dreilinsige Objektiv Agfa Agnar, f/3,5 mit 45 mm sowie den Verschluss Agfa Vario mit den Zeiten 1⁄25 s, 1⁄50 s und 1⁄200 s.
Silette I
1962 wurde als Basismodell die Silette I eingeführt. Mit der Silette L teilte sie das dreilinsige Objektiv Color Agnar, f/2,8 mit 45 mm Brennweite, verfügte aber im Gegensatz zu dieser nicht über eine eingebaute Belichtungsmessung. Der Verschluss Agfa Prontor ließ sich auf B, 1⁄30 s, 1⁄60 s und 1⁄125 s einstellen und besaß einen Drahtauslöseranschluss.
Silette L
Die Silette L kostete 99 DM und besaß das dreilinsige Objektiv Agfa Agnar f/2,8 mit 45 mm Brennweite und einen Leuchtrahmensucher. Ihr Verschluss vom Typ Agfa Parator reichte bis zu einer Belichtungszeit von 1⁄125 s. Die Silette L hatte einen ungekoppelten Belichtungsmesser.
Silette LK
Die Silette LK unterschied sich von der Silette L durch einen gekoppelten Belichtungsmesser und eine kürzere Belichtungszeit von 1⁄250 s, besaß aber das gleiche Objektiv.
Dritte Generation
Situation um 1970
Während in den 1960er Jahren die manuelle Belichtungssteuerung noch für einfachere Kameras eine Bedeutung hatte, entfiel diese Käufergruppe um 1970. Mit zunehmendem Wohlstand konnten sich engagierte Fotografen teurere Kameras, insbesondere Spiegelreflexkameras, leisten. Und für den technisch Unkundigen schuf man Kameras mit Wettersymbolen zur Bedienungsvereinfachung. So leitete Agfa von der dritten Generation der Optima noch eine Silette ab, die aber schon keine nennenswerte Verbreitung mehr fand. Von der vierten Generation gab es dann gar kein abgeleitetes Modell mehr, weder eins mit manueller Belichtungssteuerung, noch mit Zeitautomatik.
Silette LK Sensor
Die Silette LK Sensor entsprach weitreichend der Optima 200 Sensor, war eine Kamera mit manueller Belichtungssteuerung. Blende und Belichtungszeit mussten am Objektiv eingestellt werden, dazu war der Zeiger des Belichtungsmessers sowohl im Sucher eingespiegelt, als auch oben auf dem Gehäuse zu sehen.
Die Blendenzahl konnte von 2,8 bis 22 eingestellt werden, die Verschlusszeitenreihe lautete: B - 1⁄30 s - 1⁄60 s - 1⁄125 s - 1⁄300 s. Als Objektiv kam das dreilinsige Agfa Color-Agnar f/2,8 45 mm zum Einsatz. Da es keine Blitzautomatik wie bei der Optima gab, konnte unten am Objektiv an Stelle der Leitzahl des Blitzgeräts die Filmempfindlichkeit eingestellt werden, der Bereich ging von ISO 25/15° bis ISO 400/27°. Einsparungen in der Vergütung des Objektivs wie im Bild ersichtlich führten zu starken Reflexionen und werteten die Kamera im Vergleich zur japanischen Konkurrenz weiterhin ab.
Galerie
- Silette mit geöffneter Rückwand
- Ambi-Silette mit Wechselobjektiven
- Ambi-Silette: Links vom Belichtungsmesser der Schiebeschalter für die Einspiegelung der Leuchtrahmen für die verschiedenen Brennweiten
- Ambi-Silette Demonstrationsmodell
- Ambi-Silette mit abgenommenem Objektiv
- Super-Silette
- Silette L der zweiten Generation
- Silette LK der zweiten Generation. Das abgebildete Exemplar stammt aus dem Jahr 1968. Damaliger Ladenverkaufspreis: 149 DM
Weblinks
- Agfa Silette in „Christian Zahns Optiksammlung“
- Kameras von Agfa im „Lippischen Kameramuseum“