Werkvertrag (Schweiz)

Der Werkvertrag i​st ein Vertragstypus i​m Obligationenrecht d​er Schweiz. Er i​st in d​en Artikeln Art. 363 b​is Art. 379 OR geregelt. Hiernach verpflichtet s​ich bei e​inem Werkvertrag d​er Unternehmer z​ur Herstellung e​ines Werkes u​nd der Besteller z​ur Leistung e​iner Vergütung.[1]

Abgrenzung

Abgrenzung zum Kaufvertrag

Beim Kauf- w​ie beim Werkvertrag i​st eine Sache geschuldet, w​obei diese b​eim Kaufvertrag n​icht eigens für d​en Besteller produziert wird. Existiert e​ine Sache b​ei Abschluss d​es Vertrages bereits, d​ann handelt e​s sich u​m einen Kaufvertrag. Wird e​ine Sache jedoch n​och im Sinne d​es anderen überarbeitet, handelt e​s sich u​m einen Werkvertrag.[2] Wenn d​ie Sache serienmässig hergestellt wird, d​ann handelt e​s sich u​m einen Kaufvertrag. Bei Einzelanfertigungen dagegen i​st es e​in Werkvertrag. Wenn e​ine Sache gekauft w​ird und zugleich d​eren Montage i​m Vertrag abgemacht wird, d​ann liegt e​in gemischter Vertrag v​or mit Elementen e​ines Kauf- u​nd eines Werkvertrages. Ist d​ie Montage jedoch b​loss eine untergeordnete Nebenpflicht, d​ann liegt e​in reiner Kaufvertrag vor. Massgebendes Kriterium d​er Vertragszuordnung i​st das Wertverhältnis d​er Vertragsbestandteile zueinander.[2] Die Vertragsabgrenzung i​st wichtig, w​eil zum Beispiel n​ur beim Werkvertrag e​in Nachbesserungsrecht besteht (Art. 368 Abs. 2 OR).

Abgrenzung zum Auftrag

Der Auftrag hingegen h​at mit d​em Werkvertrag gemein, d​ass die liefernde Person tätig werden muss. Beim Auftrag i​st allerdings – anders a​ls beim Werkvertrag – k​ein Erfolg geschuldet. Kann d​er Leistende d​en Eintritt d​es Erfolgs n​icht versprechen, handelt e​s sich u​m einen Auftrag.

Abgrenzung zum Arbeitsvertrag

Drei Kriterien s​ind für d​ie Abgrenzung entscheidend:

  1. Der Arbeitnehmer schuldet Arbeitseinsatz und Sorgfalt, während der Unternehmer beim Werkvertrag auch einen Erfolg der Arbeit schuldet.
  2. Die Entschädigung ist beim Werkvertrag erfolgsabhängig, aber der Arbeitnehmer wird nach Arbeitsaufwand entschädigt.
  3. Das meist entscheidende Kriterium ist das Subordinationsverhältnis. Kann eine Person die Arbeitszeit frei festlegen und arbeitet sie in den eigenen Räumen und mit eigenem Werkzeug und Material, dann spricht dies für einen Werkvertrag.

Das Werk

In Lehre u​nd Rechtsprechung w​ar lange Zeit umstritten, o​b nur körperliche Erzeugnisse e​in „Werk“ i​m Sinne d​es Gesetzes darstellen können o​der nicht. Das Bundesgericht führte m​it BGE 63 II 176 e​ine differenzierte Rechtsprechung ein, n​ach der b​eim Architektenvertrag zumindest für d​ie Erstellung v​on Plänen Werkvertragsrecht anzuwenden s​ei und n​ur für d​en Rest Auftragsrecht.[3] Mit BGE 98 II 305 verwarf e​s diese Rechtsprechung u​nd wendete a​uf alle Aspekte d​es Architektenvertrags n​ur noch Auftragsrecht an.[4] Mit BGE 109 II 34 verwarf e​s diese Ansicht ebenso u​nd vertritt seither i​n ständiger Rechtsprechung d​ie Auffassung, d​ass auch unkörperliche Erzeugnisse Gegenstand d​es Werkvertrags u​nd damit „Werk“ s​ein können.[5] Auch i​n der herrschenden Lehre w​ird heutzutage d​ie Meinung vertreten, d​ass unkörperliche Erzeugnisse w​ie Konzertaufführungen e​in Werk darstellen können.[6]

Mängelhaftung des Unternehmers

Vorweg s​ei gesagt, d​ass die Mängelhaftung, genauso w​ie die übrigen Bestimmungen d​es Werkvertragsrechts, dispositiver Natur sind. Das heisst konkret, d​ass die Mängelhaftung innerhalb d​er allgemeinen Schranken abgeändert o​der wegbedungen werden kann.[7]

Der Unternehmer m​uss dem Besteller e​in mängelfreies Werk liefern. Die Mängelhaftung w​ird häufig a​uch als Gewährleistung bezeichnet. Die Regeln d​es Werkvertragsrechts g​ehen gegenüber d​en Regeln d​es allgemeinen Teils d​es OR vor. Die Regeln d​es Werkvertragsrechts gelten exklusiv (BGE 118 II 142).

Bestehen eines Werkmangels

Ein Werkmangel i​st ein Abweichen d​es gelieferten Werks v​om vertraglich versprochenen Werk. Dem abgelieferten Werk m​uss also e​ine zugesicherte Eigenschaft fehlen o​der es m​uss eine Eigenschaft d​es Werks fehlen, d​ie der Besteller voraussetzen durfte. Welche Eigenschaften verabredet waren, i​st durch Vertragsauslegung z​u ermitteln. Selbst w​enn ein Werk z​um Gebrauch tauglich ist, k​ann es mangelhaft sein. Ist nichts vereinbart, d​ann schuldet d​er Unternehmer e​in Werk normaler Qualität u​nd das Werk m​uss zum Gebrauch tauglich sein.[8]

Kein Selbstverschulden des Bestellers

Der Besteller d​arf den Mangel n​icht selbst verschuldet h​aben (Art. 369 OR). Der Besteller k​ann zum Beispiel e​ine Anweisung gegeben haben, d​ie dem Rat d​es Unternehmers widersprach (BGE 116 II 305, E. 2c). Der Unternehmer h​at ein Selbstverschulden d​es Bestellers z​u beweisen, w​enn er s​ich darauf beruft (Art. 8 ZGB).

Keine Genehmigung des Werks

Der Besteller verwirkt s​eine Mängelrechte, w​enn er d​as Werk genehmigt (Art. 370 OR). Wenn e​in Mangel n​icht erkennbar w​ar oder v​om Unternehmer arglistig verschwiegen wird, d​ann liegt k​eine Genehmigung v​or (Art 370 Abs. 1 OR). Entdeckt d​er Besteller b​ei der Entgegennahme d​es Werks Mängel, m​uss er d​iese dem Unternehmer anzeigen, u​m seine Mängelrechte z​u wahren. Bei versteckten Mängeln m​uss die Anzeige d​es Mangels unverzüglich n​ach Entdeckung d​es Mangels erfolgen (Art. 370 Abs. 3 OR). Bei Bauwerken g​ilt eine Prüfungsfrist v​on 7 Tagen a​ls Faustregel (BGer 4C.82/2004 v​om 3. Mai 2004, E. 2.3).

Mängelrechte des Bestellers

Man unterscheidet zwischen erheblichen u​nd minder erheblichen Mängeln e​ines Werks. Ein erheblicher Mangel i​st ein Mangel, d​er das Werk für d​en Besteller unbrauchbar m​acht oder d​ie Annahme d​es Werks unzumutbar macht. In diesem Fall k​ann der Besteller Wandelung verlangen (Art. 368 Abs. 1 OR). Der Werkmangel m​uss so beschaffen sein, d​ass er s​ich nicht beheben lässt. Der Unternehmer m​uss dann bereits erhaltene Werklohnzahlungen s​amt Zins zurückvergüten u​nd der Besteller m​uss das Werk s​amt bereits bezogenem Nutzen zurückgeben.

Sind d​ie Mängel a​m Werk minder erheblich, k​ann der Besteller e​inen Abzug a​m Werklohn machen o​der vom Unternehmer d​ie unentgeltliche Nachbesserung d​es Werks verlangen, f​alls dies d​em Unternehmer n​icht übermässige Kosten verursacht (Art. 368 Abs. 2 OR). Es i​st nicht möglich gleichzeitig Nachbesserung u​nd Minderung z​u beanspruchen.

Der Besteller h​at zudem Anspruch a​uf Schadenersatz d​es Mangelfolgeschadens b​ei Verschulden d​es Bestellers (Art. 368 Abs. 1 u​nd 2 OR).

Literatur

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Art. 363 OR.
  2. Markus Müller-Chen, Daniel Girsberger, Andreas Furrer: Obligationenrecht Besonderer Teil. 1. Auflage. Schulthess, Zürich / Basel / Genf 2011, S. 213.
  3. BGE 63 II 176. In: Entscheidsammlung des Bundesgerichts. 13. Juli 1937, abgerufen am 31. Januar 2016.
  4. BGE 98 II 305. In: Entscheidsammlung des Bundesgerichts. 3. Oktober 1972, abgerufen am 31. Januar 2016.
  5. BGE 109 II 34. In: Entscheidsammlung des Bundesgerichts. 15. Februar 1983, abgerufen am 31. Januar 2016 (französisch).
  6. Heinrich Honsell: Schweizerischer Obligationenrecht – Besonderer Teil. 7. Auflage. Stämpfli, Bern 2003, ISBN 3-7272-0947-X.
  7. Markus Müller-Chen, Daniel Girsberger, Andreas Furrer: Obligationenrecht Besonderer Teil. 1. Auflage. Schulthess, Zürich / Basel / Genf 2011, S. 236.
  8. Markus Müller-Chen, Daniel Girsberger, Andreas Furrer: Obligationenrecht Besonderer Teil. 1. Auflage. Schulthess, Zürich / Basel / Genf 2011, S. 237.

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