Wer nur den lieben Gott läßt walten
Wer nur den lieben Gott läßt walten ist ein Kirchenlied, das von Georg Neumark um 1641 gedichtet und vertont wurde. Das Lied umfasst sieben Strophen und handelt vom Gottvertrauen. Der Autor hat es selbst als Trostlied bezeichnet. Es erschien zuerst in Georg Neumarks Fortgepflantzer musikalisch-poetischer Lustwald (Jena 1657) und ist in der von Johann Crüger begründeten Praxis pietatis melica ab 1672 und 1704 im ersten Teil des Geistreichen Gesangbuches von Johann Anastasius Freylinghausen verzeichnet.
Melodie und Text
Im Laufe der Zeit sind mehr als zwanzig Melodien zu dem Text entstanden, die aber nicht die Popularität der Originalmelodie erreichten. Die Melodie wurde vielen anderen Liedern zugeordnet, so dass sie als eine der Hauptmelodien des protestantischen Kirchengesangs gilt. In einer verbreiteten Druckversion mit zwei ♭-Vorzeichen erscheint sie in der Tonart g-Moll. In der Originalfassung von G. Neumark ist jedoch nur ein ♭ vorgezeichnet. Dies und die für Moll untypische Tonfolge f-f-e-d (nicht -es-d) am Beginn der zweiten Textzeile lassen auf einen ursprünglich kirchentonalen Charakter schließen. Im Riemann Musiklexikon wird das Lied als Beispiel für den hypodorischen Modus angeführt.[1]
Text in Georg Neumarks Originalfassung von 1657:[2]
1. Wer nur den lieben Gott läst walten
Und hoffet auf Ihn allezeit
Der wird Ihn wunderlich erhalten[3]
In aller Noht und Traurigkeit.
Wer Gott dem Allerhöchsten traut
Der hat auf keinen Sand gebaut.
2. Was helfen uns die schweren Sorgen?
Was hilft uns unser Weh und Ach?
Was hilft es daß wir alle Morgen
Beseuftzen unser Ungemach?
Wir machen unser Kreutz und Leid
Nur größer durch die Traurigkeit.
3. Man halte nur ein wenig stille
Und sey doch in sich selbst vergnügt
Wie unsres Gottes Gnadenwille
Wie sein’ Allwissenheit es fügt
Gott der uns Ihm hat auserwehlt
Der weis auch sehr wohl was uns fehlt.
4. Er kennt die rechte Freudenstunden
Er weis wohl wenn es nützlich sey
Wenn Er uns nur hat treu erfunden
Und merket keine Heucheley.
So kömmt Gott eh wir uns versehn
Und lesset uns viel Guts geschehn.
5. Denk nicht in deiner Drangsalshitze
Daß du von Gott verlassen seyst
Und daß Gott der im Schoße sitze
Der sich mit stetem Glükke speist.
Die Folgezeit verändert viel
Und setzet Jeglichem sein Ziel.
6. Es sind ja Gott sehr schlechte Sachen
Und ist dem Höchsten alles gleich
Den Reichen klein und arm zu machen
Den Armen aber groß und reich.
Gott ist der rechte Wundermann
Der bald erhöhn / bald stürtzen kan.
7. Sing / bet / und geh auf Gottes Wegen
Verricht das Deine nur getreu
Und trau des Himmels reichem Segen
So wird Er bey dir werden neu.
Denn Welcher seine Zuversicht
Auf Gott setzt / den verläst Er nicht.
Seit dem 18. Jahrhundert ist neben der ursprünglichen Fassung im Dreiermetrum auch eine „isometrische“ Fassung in Gebrauch, wobei das Wort „isometrisch“ auf eine „rhythmische Gleichwertigkeit der Noten und metrische Gleichwertigkeit der Silben“ anspielt.[4]
Melodie und Text in der katholischen Fassung von 1975:[5]
Aktuelle Fassungen
Das Lied ist im Stammteil des Evangelischen Gesangbuches unter Nr. 369 (EG 369) verzeichnet und als eins der Wochenlieder für den 15. Sonntag nach Trinitatis vorgesehen[6]; im Schweizer Reformierten Gesangbuch (RG) unter Nr. 681. Im aktuellen römisch-katholischen Gotteslob sind unter der Nr. 424 (GL 424) die Strophen 1, 2, 3, 6 und 7 abgedruckt. Im Katholischen Gesangbuch der deutschsprachigen Schweiz unter Nr. 541 werden nur drei Strophen (1, 2 und 7) geboten, ebenso war es bei GLalt 295). Auch im alt-katholischen Gesangbuch des deutschen Bistums, Eingestimmt, findet sich das Lied (unter Nr. 624) mit den Strophen 1, 2 und 7; der gleiche Umfang findet sich im Schweizer christkatholischen Gebet- und Gesangbuch unter der Nr. 866. Im Gesangbuch der Evangelisch-methodistischen Kirche in Deutschland steht das Lied unter der Nr. 367 (EM 367). Die fünfte Strophe wurde dabei ausgelassen. Im Mennonitischen Gesangbuch ist das Lied unter der Nr. 363 (MG 363) mit sieben Strophen enthalten. Das freikirchliche Gesangbuch Feiern & Loben führt das Lied unter der Nummer 392. Im Gesangbuch der Neuapostolischen Kirche ist das Lied unter Nr. 154 mit 6 Strophen (1–5 und 7) enthalten.
Bachs Interpretationen
Johann Sebastian Bach hat sich mehrfach des Liedes angenommen. Die Choralkantate BWV 93 ist mit Wer nur den lieben Gott läßt walten betitelt und wurde für den fünften Sonntag nach Trinitatis, den 9. Juli 1724, komponiert. Der Text basiert auf dem Originaltext, der in der ersten und letzten Strophe wörtlich beibehalten und sonst umgedichtet ist. Weitere Kantaten BWV 84, 88, 166, 179 und 197 greifen teilweise den Text des Originallieds in verschiedenen Strophen auf, teilweise bieten sie neuen Text. Die Melodien der Choralabschnitte orientieren sich dabei am stärksten an der Originalmelodie. Kantate Nr. 21 (Ich hatte viel Bekümmernis) verknüpft zwei Strophen mit einer dreistimmigen Fuge (Sei nun wieder zufrieden, meine Seele); Tenor und Sopran singen den cantus firmus.
Eine Bearbeitung für Orgel, BWV 642, findet sich im Orgelbüchlein. Die Fassung BWV 647 in den Schüblerschen Chorälen ist eine Orgelbearbeitung des vierten Satzes der Kantate BWV 93. Außerdem sind zwei Orgelbearbeitungen manualiter in der Kirnberger-Sammlung enthalten – BWV 690 (mit beziffertem Generalbass-Choral im Anschluss) und BWV 691 (mit einer Variante, die zusätzliche Zwischenspiele aufweist). Eine weitere Variante, das Choralpräludium BWV 691a, findet sich im Klavierbüchlein für Wilhelm Friedemann Bach.
Weitere Vertonungen und Zitate in anderen Werken
- Felix Mendelssohn Bartholdy vertonte diesen Choral in einem viersätzigen Stück. Als Anfangssatz nahm er den Text „Mein Gott du weißt am allerbesten“.
- Johannes Brahms zitiert das Thema an verschiedenen Stellen in seinem Deutschen Requiem.
- Robert Schumann zitiert den Choralbeginn in seinem Klavierquartett Es-Dur op. 47 im ersten Satz (Violine, T. 72–79).[7]
- Emilie Mayer zitiert den Choral im dritten Satz ihres Streichquartetts in g-moll.
- In dem deutschen Kinofilm Vaya con Dios aus dem Jahre 2002 wird ein von Tobias Gravenhorst eigens dafür komponierter dreistimmiger Satz des Liedes von drei Mönchen a cappella gesungen, wobei die prägnante Melodie stets gut erkennbar bleibt.
- In der Gospelmesse Missa parvulorum Dei komponierte Ralf Grössler 1988 eine Meditation über die Melodie des Kirchenliedes.
Übersetzungen
Das Lied wurde auch ins Tschechische übersetzt: Kdo Bohu ve všem oddává se. Es findet sich im Evangelický zpěvník, dem Gesangbuch der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder (ČCE).[8]
Ins Dänische übersetzt „Hvo ikkun lader Herren råde og sætter til ham al sin lid, den frier han fra alskens våde...“ 1693 (und mehrfach bearbeitet 1856,1885); in den neueren Kirchengesangbüchern Den Danske Salmebog, Kopenhagen 1953, Nr. 27; Den Danske Salme Bog, Kopenhagen 1993, Nr. 27; Den Danske Salmebog, Kopenhagen 2002, Nr. 32 (übersetzt von Peder Møller [1642 – 1697; Pfarrer in Slagelse], vor 1682, andere Übersetzung im Gesangbuch Flensburg 1717, dritte Übersetzung von Frederik Rostgaard [1671 – 1745; Amtmann über die Ämter Antvorskov und Korsør], 1693, übernommen in das Gesangbuch Pontoppidan 1740 und dann in weiteren Gesangbüchern; bearbeitet von Nikolai Frederik Severin Grundtvig, 1856 [weiterhin in konservativer, veralteter Sprachform]).[9]
Literatur
- Christine Jahn: 369 – Wer nur den lieben Gott lässt walten. In: Martin Evang, Ilsabe Alpermann (Hrsg.): Liederkunde zum Evangelischen Gesangbuch. Nr. 22. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2016, ISBN 978-3-525-50345-4, S. 63–70, doi:10.13109/9783666503450.63 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Hansjakob Becker u. a. (Hrsg.): Geistliches Wunderhorn. Große deutsche Kirchenlieder. C. H. Beck, München 2001, ISBN 3-406-48094-2.
Weblinks
- Michael Fischer: Wer nur den lieben Gott läßt walten (2007). In: Populäre und traditionelle Lieder. Historisch-kritisches Liederlexikon
- Texte zu den Bach-Kantaten BWV 84, 88, 93, 166, 179, 197 und 434
- Folge des Wochenliederpodcast zum Lied
Einzelnachweise
- Wilibald Gurlitt, Hans Heinrich Eggebrecht (Hrsg.): Riemann Musiklexikon. Sachteil. Schott, Mainz 1967, S. 456.
- Siehe Edition A im Historisch-kritischen Liederlexikon (Stand 23. Dezember 2016).
- In Johann Sebastian Bachs Kantate von 1724 „Den wird er wunderlich erhalten“, in späteren Fassungen „Den wird er wunderbar erhalten“.
- Zur Zeitangabe siehe den Artikel im Historisch-kritischen Liederlexikon, Absatz V (Stand 23. Dezember 2016), zur Isometrie Wilibald Gurlitt, Hans Heinrich Eggebrecht (Hrsg.): Riemann Musiklexikon. Sachteil. Schott, Mainz 1967, S. 417.
- Siehe Edition F im Historisch-kritischen Liederlexikon (Stand 23. Dezember 2016).
- Liturgische Konferenz für die Evangelische Kirche in Deutschland (Hrsg.): Perikopenbuch. Luther-Verlag GmbH, Bielefeld 2018, ISBN 978-3-7858-0741-5, S. 440.
- Robert Schumann, Klavierquartett Es-Dur op. 47, hrsg. v. Ulrich Leisinger, G. Henle-Verlag, München, 2006, 108 S., ISMN 979-0-2018-0737-9
- Píseň EZ 554 - Kdo Bohu ve všem oddává se – Evangnet. Abgerufen am 30. Mai 2021.
- Vgl. Otto Holzapfel: Liedverzeichnis: Die ältere deutschsprachige populäre Liedüberlieferung (Online-Fassung auf der Homepage Volksmusikarchiv des Bezirks Oberbayern; im PDF-Format; laufende Updates) mit weiteren Hinweisen.