Vorzeichen (Musik)
Die Vorzeichen sind als Generalvorzeichen[1] Angaben in der Notenschrift, welche die Tonart erkennen lassen. Sie stehen unmittelbar hinter dem Notenschlüssel vor der Taktangabe und gelten entweder für ein ganzes Musikstück oder innerhalb desselben von einem bestimmten Takt an. Die Gesamtheit der Vorzeichen eines Musikstücks wird auch als dessen Vorzeichnung bezeichnet.
Die Vorzeichen sind als Notenzeichen für die Alteration eines Stammtones identisch mit den Versetzungszeichen (Akzidens, Plural: Akzidentien oder Akzidenzien), von denen sie sich allerdings durch eine andere Verwendung unterscheiden: Versetzungszeichen stehen jeweils unmittelbar vor einer bestimmten Note und haben nur für einen bestimmten Takt Gültigkeit. Auch gelten Vorzeichen jeweils für alle Oktavbereiche, Versetzungszeichen jedoch nur für die jeweils bezeichnete Tonhöhe.
Die Anzahl und Art der Vorzeichen lassen sich in der westlichen Musik aus dem Quintenzirkel ablesen: Ausgehend von C-Dur (Paralleltonart a-Moll) haben die Tonarten in Uhrzeigerrichtung jeweils ein Kreuz (♯) als Vorzeichen mehr, entgegen der Uhrzeigerrichtung jeweils ein Be (♭) mehr. Die Anordnung der Vorzeichen ist dabei standardisiert: ausgehend vom Fis bzw. B kommt im Quintabstand jeweils ein Kreuz bzw. ♭ hinzu. Kreuze und Be werden gemäß klassischer Lehrmeinung nicht gemischt als Vorzeichen verwendet.
Es können theoretisch bis zu sieben Vorzeichen auftreten, da die auf dem Dur-Moll-System beruhende Tonleiter sieben verschiedene Stammtöne hat. Aus Gründen der Lesbarkeit werden in der Musikpraxis nur Tonarten bis zu sechs Vorzeichen verwendet, in Ausnahmefällen auch sieben Vorzeichen. Tonarten mit acht oder mehr Vorzeichen wären nur theoretisch unter Verwendung von Doppelkreuzen und Doppel-b möglich, allerdings ist die Verwendung dieser Versetzungszeichen als Tonartvorzeichnung nicht gebräuchlich.
Begründung und Geschichte
Die Verwendung von Vorzeichen ist im Wesentlichen eine Konvention, die der Übersichtlichkeit des Notenbildes dient. Im Prinzip lässt sich jedes Musikstück auch ausschließlich mit Versetzungszeichen notieren, die dann aber einmal pro Takt vor der jeweiligen Note wiederholt werden müssten. Hier ist beispielsweise die H-Dur-Tonleiter nur mit Versetzungszeichen notiert:
Hier die gleiche Tonleiter mit Vorzeichnung von H-Dur:
Vorzeichnungen mit einem einzelnen ♭, dem ältesten Versetzungszeichen, sind seit dem Mittelalter bekannt. Vorzeichnungen mit mehr als einem ♭ tauchten erstmals im 16. Jahrhundert auf, Vorzeichnungen mit Kreuzen ab dem 17. Jahrhundert. Die Reihenfolge der Vorzeichen war dabei zunächst nicht standardisiert. Auch konnten in Partituren widersprüchliche Vorzeichnungen stehen, das heißt die einzelnen Stimmen konnten mit verschiedenen Vorzeichnungen notiert sein.
Tonarten und alterierte Töne
Notenbild | Durtonart | Molltonart | Vorzeichen |
---|---|---|---|
C-Dur | a-Moll | Kein Vorzeichen |
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Paralleltonarten (wie D-Dur und h-Moll) haben gleiche Vorzeichen, gleichnamige oder Varianttonarten (wie C-Dur und c-Moll) unterscheiden sich um 3 Vorzeichen.
Verhältnis von Vorzeichnung und Tonart
Die Vorzeichnung eines Musikstücks ist nicht mit dessen Tonart zu verwechseln. In der Regel stehen sie in engem Zusammenhang, sind aber nicht notwendigerweise identisch.
Barockmusik, die in einer Moll-Tonart steht, war früher oft mit einer Vorzeichnung notiert, die mit weniger ♭ auskam als heutzutage üblich. Beispielsweise wurden Stücke in c-Moll oftmals mit nur zwei ♭ notiert, weil das As in der aufsteigenden melodischen Molltonleiter ohnehin regelmäßig zu einem A aufgelöst werden müsste.
Ein vorübergehender Tonartenwechsel (Modulation) während eines Musikstücks kann durch einen Vorzeichenwechsel gekennzeichnet sein, muss es aber nicht. Es ist auch möglich, die Vorzeichnung der Grundtonart beizubehalten und die Tonhöhen der neuen Tonart ausschließlich mit Versetzungszeichen zu notieren.
Ohnehin ist aus der Vorzeichnung allein die Tonart nicht mit Sicherheit abzulesen. Ob das Stück in Dur oder Moll steht, lässt sich nur aus dem musikalischen Zusammenhang erkennen. In der Regel liefert die Betrachtung des Schlusstons bzw. -akkords den wichtigsten Hinweis. Auch andere tonale Systeme wie die Modi, die ursprünglich ausschließlich ohne Vorzeichen verwendet wurden, lassen sich durch Vorzeichnung transponieren. Analog zu den Dur-/Moll-Tonarten spricht man dann z. B. von C-Dorisch oder D-Phrygisch. Atonale Musik wird oftmals ausschließlich mit Versetzungszeichen notiert.
Bei der Verwendung transponierender Musikinstrumente muss die notierte Vorzeichnung in Beziehung zu dem Grundton des Instruments gesetzt werden, um die tatsächlich erklingende Tonart zu erhalten.
Sprachgebrauch
Im Sprachgebrauch ist es üblich, die vorübergehenden Versetzungszeichen ebenfalls „Vorzeichen“ zu nennen.
Vorzeichenwechsel
Wechselt die Tonart innerhalb eines Musikstücks, so kann dies im Notenbild durch einen Wechsel der Vorzeichen dargestellt werden. Traditionell wurden bestehende Vorzeichen dabei aufgelöst. Im modernen Notensatz ist dies allerdings zumeist nicht mehr üblich.
Siehe auch
Literatur
- Christoph Hempel: Neue allgemeine Musiklehre. Schott, Mainz 1997, ISBN 3-254-08200-1.
- Wieland Ziegenrücker: ABC Musik. Allgemeine Musiklehre. 6. Auflage. Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 2009, ISBN 978-3-7651-0309-4.