Weberhäusl (Pfaffenhofen an der Ilm)
Das Weberhäusl ist ein denkmalgeschütztes Kleinbauernhaus in Pfaffenhofen an der Ilm. In seiner Bauform als Greddachhaus mit Fletz, Stüberlvorbau, einer Dachkammer sowie Decken aus Lehmwickeln ist es typisch für das nördliche Oberbayern.
Geschichte
Das Anwesen an der Draht 8[1] wurde als „Behausung“ zum ersten Mal im Jahr 1639 aktenkundig. 1692 wurde dieses Gebäude umgebaut, brannte dann aber am 17. Juli 1704 ab, als englische Husaren im Zusammenhang mit der Schlacht bei Höchstädt die Vorstadt von Pfaffenhofen anzündeten.[2] Der heutige Bau wurde im nachfolgenden Jahr errichtet.
Das Anwesen war typisch für sogenannte Häusler, also Kleinstbauern, die ihren Haupterwerb als Tagelöhner zuverdienen mussten. Das belegt auch die Liste der ehemaligen Bewohner.
- 1639 Hanß Wergnthaller (Tagwerker)
- 1645 Marthin Pruckschlegl (Tagwerker)
- 1676 Martin Schreiner (Tagwerker)
- 1692 Geörg Hauser (Tagwerker)
- 1702 Jacob Fickher (Tagwerker)
- 1734 Johannes Seemüller
- 1779 Johann Germayr (Webergeselle)
- 1822 Anton Freundl (Tagwerker)
- 1892 Walburga Feldmaier (Privatier)
- 1902 Alois Jochner (Hausmeister)
- 1907 Ludwig Forstmeister (Spenglergehilfe)
- 1954 Therese Moser (Schneiderin)
Seit 2009 wird das Gebäude fachgerecht restauriert.[3]
Bedeutung als Denkmal
Die Gred
Das Weberhäusl ist ein sogenanntes Greddach-Haus (von der Gred (lat. gradus „Stufe“), einem gepflasterten und erhöhten Bereich vor dem Hauseingang). Dieser Bereich trennte den Lebensbereich vor dem meist schmutzigen Hof. Durch einen entsprechenden Dachüberstand war die Gred zudem vor Regen und Wetter geschützt. Georg Lohmeier beschreibt die Gred als typischen Standort einer Bank, auf der man den Feierabend verbringen konnte.[4]
Der Stüberlvorbau
Nach der Übergabe eines Hofes an die nächste Generation zogen sich die Austragsbauern in eine eigene Kammer zurück. Dieses Austragsstüberl befand sich meist direkt neben der Küche, um durch die dortige Feuerstelle eine warme Wand zu haben. Mit der Zeit entwickelte sich die Bauform des Stüberlvorbaus, bei der vor den Giebel ein eigener Vorbau gesetzt wurde. Bei manchen Höfen bekam dieser Vorbau sogar einen eigenen Zugang und ein eigenes Satteldach, wie das auch beim Weberhäusl der Fall ist, und bildet somit eine direkte Vorstufe zum Austragshäuschen.
Der Fletz
Wie bei Bauernhäusern in Oberbayern allgemein üblich, weist auch das Weberhäusl einen Fletz auf, also einen Hausflur, der das Gebäude von der Haustür zur Hintertür durchschnitt und in einen beheizten und einen unbeheizten Bereich trennte. Der Fletz ist traditionell mit Solnhofer Platten gepflastert.
Lehmwickel
Während der Vorgängerbau des Weberhäusls vermutlich noch vor allem aus Holz gebaut war, wurde der ansonsten bescheidene Neubau 1705 offenbar bereits mit Ziegelmauern ausgeführt. Besonders für Pfaffenhofen bemerken Reisende immer wieder, dass hier wegen der Brandgefahr „beinahe alles gemauert“ sei (Joseph von Hazzi). Bei den Zwischendecken kam aber weiterhin die ältere Technik von Gefachen zur Verwendung, wobei hier zur Wärmedämmung Lehmwickel zwischen zwei Balken mit Nut eingeschoben und dann verputzt wurden.
Dachkammer
Die Häuser im ländlichen Oberbayern waren meist einstöckig und wurden nur im Erdgeschoss als Wohnraum genutzt. Einzige Ausnahme bildete die Stubenkammer, die als gedämmtes Zimmer im Dachboden direkt über der Stube im Erdgeschoss lag und oft durch eine kleine Öffnung im Boden Wärme von unten bekam.[5] Ein solcher Wärmeschacht ist bei der Dachkammer im Weberhäusl anzunehmen, aber nicht mehr erhalten.
Auszeichnungen
2016 wurde das Weberhäusl mit dem Denkmalpreis der Hypo-Kulturstiftung ausgezeichnet.[6][7]
Im Jahr 2015 erhielt die Eigentümerin des Bauwerks einen zweiten Preis des Bundespreises für Handwerk in der Denkmalpflege.[8]
Literatur
- Heinrich Streidl: Häuserchronik der Stadt Pfaffenhofen an der Ilm. Ludwig, 1980, ISBN 3-7787-2048-1.
- Heinrich Streidl: Stadt Pfaffenhofen a. d. Ilm. Lipp, 1992, S. 33f., ISBN 3-7787-3149-1.
- Andreas Sauer: Entwicklung und Wandel der Hauslandschaft. In: Das Land und die Menschen im Wandel der Zeit. Galli, 2004, S. 73–79, ISBN 3-936990-16-6.
- Hermann Singer: Pfaffenhofen – Von Straßen und Menschen. Verlagsallianz, 2012, S. 50, ISBN 978-3-938109-29-8.
Weblinks
- Wie denkmalgeschützte Bauten eine Zukunft haben, Süddeutsche Zeitung, 13. Oktober 2016
- Weberhäusl 100 Jahre älter als vermutet, Hallertau-Info, 18. März 2011
- Tag der offenen Tür im Weber-Häusl, seniorbook, 14. September 2012
- Geliebtes Kleinod, Donaukurier, 18. Mai 2020
Einzelnachweise
- Draht 8. In: Jolanda Drexler-Herold, Angelika Wegener-Hüssen: Landkreis Pfaffenhofen a. d. Ilm (= Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]: Denkmäler in Bayern. Band I.19). Karl M. Lipp Verlag, München 1992, ISBN 3-87490-570-5, S. 162.
- Marcus Junkelmann, Das greulichste Spectaculum. Die Schlacht bei Höchstädt 1704, Haus der bayerischen Geschichte, 2004, ISBN 3-927233-90-0.
- Liebenswertes Haus für Kinder. Pfaffenhofener Kurier, 13. Februar 2009.
- Von der Fletz auf die Gred hinaus – Bairisch rund um Haus und Hof. Mittelbayerische Zeitung, 24. Juli 2008.
- Niedertraxl-Gütl Zeitschrift für österreichische Volkskunde 1903.
- Begründung zur Auszeichnung auf der Homepage der Hypo-Kulturstiftung
- Heimat- und Kulturkreis Pfaffenhofen an der Ilm
- Flyer – Sonderdruck Bayern – Seite 4