Warenhaus S. Knopf
Das Warenhaus S. Knopf war ein Einzelhandelsunternehmen in Freiburg im Breisgau, das Ende des 19. Jahrhunderts vom jüdischen Kaufmann Sally Knopf (eigentlich Simon Knopf; 1845–1922) gegründet wurde. Da weitere Familienmitglieder, nämlich seine Brüder Max, Moritz und Albert, ebenfalls auf diesem Feld tätig waren, gab es zu dieser Zeit weitere Warenhäuser Knopf.
Geschichte
Am 20. März 1887 eröffnete im Obergeschoss der Kaiserstraße 32 (heute Kaiser-Joseph-Straße/Ecke Weberstraße) das Strassburger Engros-Lager M. Knopf,[1] das sich von Anfang an im Besitz von Sally Knopf und seiner Frau Rebekka befand.[2]
1895 folgte der Umzug in das Obergeschoss des Gebäudes Kaiserstraße 60 (Kaiser-Joseph-Straße 192).[3][2] Knopf erwarb 1898 für 175.000 Mark das komplette Haus 60, 1904 für 400.000 Mark die Nr. 62 links daneben sowie 1910 für 290.000 Mark mit Nr. 58 auch das rechte Nachbarhaus.
Das Haus Nr. 60 ließ Knopf abreißen und vom Freiburger Architekten Friedrich Ploch durch ein Warenhaus ersetzen, das über große Fenster in den ersten drei seiner vier Stockwerke verfügte. Nachdem das Haus 62 gegenüber der Münstergasse im Jahr 1904 von den Freiburger Architekten Walther und Jacobsen als Jugendstil-Kaufhaus umgestaltet worden war, folgte 1910 der Ausbau der beiden benachbarten Gebäude zu einer geschlossenen Sandsteinfassade. Sie verband neoklassizistische Elemente mit Jugendstilmerkmalen und war vom Freiburger Architekturbüro Philipp Walter & Cie. geplant worden.[2]
Arthur, der Sohn von Sally Knopf, führte das Unternehmen nach dessen Tod weiter. 1927 erwarb er für 180 000 Mark das Grundstück Nr. 56 (heute 190) mit dem Wempeschen Haus auf der anderen Seite der Franziskanergasse. Das 1888 darauf errichtete repräsentative Gebäude, ließ er abreißen und ersetzte es durch einen Neubau von Philipp Walther. Mit seinen runden Formen erinnerte dieser Neubau etwas an die Kaufhäuser des jüdischen Architekten Erich Mendelsohn.[2] Die Fassade des Neubaus wurde an das Haus 192 angeglichen und mit einer bereits bei Beantragung heftig umstrittenen Brücke über die Franziskanergasse an den Stammsitz angebunden. Baupläne hierzu finden sich noch heute in den Akten des Staatsarchivs Freiburg über einen Prozess, den der Freiburger Kommerzienrat Julius Mez 1910/1911 vor dem Landgericht Freiburg (A 25/1 Nr. 300) gegen das Warenhaus Sally Knopf wegen „Hypothekengefährdung“ führte.[4] Knopfs Vision war es, durch den Erwerb der Häuser 54 und 52 einen großen, einheitlichen Warenhausneubau realisieren zu können.[3]
Von Freiburg ausgehend entstanden mehrere deutsche Filialen, z. B. in Colmar (Reichsland Elsaß-Lothringen) und 1899 in Lörrach. Letztere wurde 1909 durch einen modernen Neubau im Jugendstil ersetzt, in dem sich heute die Stadtbibliothek Lörrach befindet. Mit Basel kam 1895 die erste Schweizer Filiale hinzu, die das erste Warenhaus in Basel war. In kurzer Folge eröffnete Knopf weitere Warenhäuser in Luzern, Freiburg im Üechtland (1907) und Interlaken.[5] In den 1920er Jahren wurden die Schweizer Filialen zu vier von Schweizern geleiteten, rechtlich selbstständigen Aktiengesellschaften umgewandelt, die aber im Einkauf kooperierten. Durch Heirat von zwei der fünf Töchter von Sally Knopf gingen die Häuser später überwiegend in das Eigentum von Schweizern über.[6]
Die deutschen Warenhäuser wurden ab 1933 boykottiert und 1938 „arisiert“. Zum 1. April 1937 übernahm der langjährige Prokurist der Firma, Fritz Richter, das Unternehmen. Arthur Knopf kam 1938 ins KZ Dachau, konnte aber 1939 in die Schweiz fliehen. Seine Schwester Betty wurde Mitte der 1920er-Jahre wegen Depression in die Irrenanstalt Illenau eingewiesen[7] und 1940 im Rahmen des „Euthanasie“-Programms, der „Aktion T4“, der Nationalsozialisten ermordet. Am 27. November 1944 wurde das Freiburger Warenhaus bei der „Operation Tigerfish“, einem britischen Luftangriff, größtenteils zerstört.[8]
1949 wurde den Knopf-Erben nach einer Restitutionsklage in einem Vergleich die Hälfte des Unternehmens zugesprochen. Das wieder aufgebaute Kaufhaus Richter wurde 1950 in Kaufhaus für Alle umbenannt und die stehen gebliebene Fassade in den Folgejahren mehrmals umgestaltet. Anfang der 1980er Jahre erwarb die Sparkasse Freiburg-Nördlicher Breisgau das Gebäude, das Kaufhaus musste jedoch 1983 wegen Insolvenz schließen. 2011 wurde das Gebäude abgerissen, um einen Neubau errichten zu können, da der Eigentümerin eine Sanierung nach zeitgemäßen Standards unwirtschaftlich erschien. Die zwischenzeitlich entstandene Baulücke gewährte einen überraschenden Blick auf den Chor der Martinskirche, der zur Gründung einer Bürgerinitiative führte, die sich für einen neuen Platz an dieser Stelle einsetzte, der aber inzwischen bebaut wurde.[9] Der Neubau wurde 2014 fertiggestellt, eine Inschrift weist auf die Geschichte des Hauses und die früheren Eigentümer Knopf hin. Die Mitte des Jahres 2014 gezeigte Ausstellung „Wwaren Haus Geschichte“ in den Räumen der Sparkasse würdigte ausführlicher die Familie Knopf und ihre Warenhauser und gab auch einen Überblick über allgemeine Aspekte von Warenhäusern.[10]
Die 1927/1928 im neobarocken Stil erbaute Freiburger Villa der Familie Arthur Knopf in der Beethovenstraße 8 ▼ , die dieser aber schon 1935 aus finanziellen Gründen verkaufen musste, wurde nach Kriegsende von den französischen Besatzungstruppen beschlagnahmt, später kam sie in verschiedene private Hände. Sie steht unter Denkmalschutz und ist seit 1989 im Besitz der Hamburger Johann Carl Müller-Stiftung, die dort einen integrativen Montessori-Kindergarten betreibt. Ein Stolperstein am Eingang zum Garten der Villa erinnert heute an die Geschichte der Familie Knopf.[11] Der Stolperstein verweist auf Betty Knopf, die jedoch Mitte der 1920er-Jahre mit ihren Eltern, zuletzt mit der Mutter Rebekka Knopf im Haus Ludwigstraße 30 in Freiburg ▼ wohnte, das beim Luftangriff im November 1944 vollkommen zerstört wurde.[7]
Literatur
- Thomas Frei: Suche nach einem bestimmten Knopf. In: Pforzheimer Zeitung. 1. April 2011 .
- John F. Müller: Als das Kaufhaus nach Rastatt kam. In: Badisches Tagblatt. 29. Januar 2011 .
- Familie Knopf begründete Warenhaustradition. In: Badische Neueste Nachrichten. 13. April 2011 .
- John F. Müller: „‘s Knopfe-Eck“ – Dokumente und Zeitzeugen für Doktorarbeit wertvoll. In: Der Kurier. 15. September 2011 .
- Susanne Räuchle: Aufstieg und Untergang eines Warenhausimperiums. In: morgenweb.de. 9. Februar 2011, archiviert vom Original am 18. Dezember 2015 (auch als Bilddatei, 1,3 MB).
- Philipp Richter: Enteignet: Warenhaus Knopf war jüdisch. In: Schwäbische Zeitung. 4. April 2011 .
- Bernd Serger: Einkaufen „bei’s Knopfe“. In: Badische Zeitung. 16. Januar 2011, archiviert vom Original am 30. Dezember 2015 .
- Bernd Serger: Die Geschichte der Kaufmannsfamilie Knopf. In: Badische Zeitung. 12. Januar 2011, archiviert vom Original am 30. Dezember 2015 .
Weblinks
Einzelnachweise
- Inserat „Eröffnung des Strassburger Engros-Lager M. Knopf“. In: Freiburger Zeitung digital. 20. März 1887, abgerufen am 8. Juni 2019.
- Bernd Serger: Die Geschichte der Kaufmannsfamilie Knopf. (Nicht mehr online verfügbar.) In: Badische Zeitung. 12. Januar 2011, archiviert vom Original am 14. September 2013; abgerufen am 7. Juni 2019.
- Ulrich Ecker: Das Haus Zum Roten Kopf (Kaiser-Joseph-Straße 190, früher 56) In: Schau-ins-Land. 104, 1985, S. 221 ff.
- Staatsarchiv Freiburg: A 25/1 Nr. 300
- Namensaktie der Sally Knopf AG, Interlaken 1935
- Thomas Tobler: Die Entwicklung der Schweizer Warenhäuser: Auszüge aus Testarbeit Thomas Tobler, HWV Bern. (MS Word; 48 kB) (Nicht mehr online verfügbar.) In: tobler-tobler.ch. 1976, S. 6, archiviert vom Original am 14. Juli 2014; abgerufen am 8. Juni 2019.
- Wiedergutmachungsakten für Arthur Knopf im Staatsarchiv Freiburg, Signatur StAF F 202/32 7030
- Stadt Freiburg (Hrsg.): Freiburg 1944–1994. Zerstörung und Wiederaufbau. Waldkirch 1994, S. 103.
- Uwe Mauch: Baulücke an der Kaiser-Joseph-Straße: Ein Platz hat keine Chance. (Nicht mehr online verfügbar.) In: Badische Zeitung. 4. Januar 2012, archiviert vom Original am 5. Mai 2012; abgerufen am 8. Juni 2019.
- Bernd Serger: Ausstellung zeichnet die Geschichte des jüdischen Kaufhauses Knopf nach. (Nicht mehr online verfügbar.) In: Badische Zeitung. 4. Juni 2014, archiviert vom Original am 14. Juni 2014; abgerufen am 8. Juni 2019.
- Irmengard Nübel: Die Knopf- Villa in der Beethovenstr. 8. (PDF; 840 kB) (Nicht mehr online verfügbar.) In: Konzeption. Wiehremer Kindergarten e. V. Integrativer Montessori Kindergarten, 31. März 2011, S. 39, archiviert vom Original am 10. Juni 2015; abgerufen am 8. Juni 2019.