Wachtendoncksche Psalmen

Die Wachtendonckschen Psalmen s​ind eine Psalmensammlung i​n altniederländischer Sprache.

Name

Die Psalmen sind benannt nach einem der Besitzer der Psalmen, Arnold Wachtendonck (Arnoldus Wachtendonckius). Der Name stammt also nicht von dem niederrheinischen Ort Wachtendonk, der zufälligerweise im möglichen Entstehungsgebiet liegt.[1]

Herkunft

Der humanistische Gelehrte Justus Lipsius schrieb 1598 in einem Brief, dass er bei dem gelehrten Kanoniker Arnold Wachtendonck aus Lüttich einen alten Psalter gesehen hatte, der auf Latein verfasst war und zwischen den Zeilen, über jedem Wort, eine Übersetzung in der Volkssprache hatte (also eine Interlinearübersetzung). Lipsius fertigte eine Abschrift an, aber der Psalter ist heute verschollen.[1]

Überlieferung

Heute liegen u​ns die folgenden Texte vor:

  • 822 Wörter in der Abschrift von Lipsius
  • ca. 500 Wörter in einer Liste, die 1602 gedruckt wurde
  • eine Handschrift, die die Psalmen 1 bis 3 und 5 enthält
  • ein Druck von Psalm 18, gedruckt 1612 von Abraham van der Myle
  • eine Handschrift, die die Psalmen 53,7 bis 73,9 enthält (Diez-Handschrift)[2]

Lokalisierung und Datierung

Der ursprüngliche Psalmentext i​st aus d​em 9. o​der 10. Jahrhundert.[2]

Die Sprache des Textes ist altniederländisch, aber die Psalmen 1 bis 3 haben einen deutlichen mittelfränkischen Einschlag.[3] Allgemein wird die Auffassung vertreten, dass der überlieferte Text die altniederfränkische Bearbeitung einer mittelfränkischen Vorlage ist.[2]

Ungeklärt ist die Frage, wo der ursprüngliche Text entstanden ist. Willy Sanders nimmt auf Grund von sprachlichen Eigenschaften ein Gebiet am Niederrhein an, zwischen Roermond, Venlo, Straelen, Duisburg, Kaiserswerth und Düsseldorf. So steht im Text überwiegend mi und thi („mir/mich“, „dir/dich“), sodass ein Gebiet, in dem man mich sagte, wohl ausgeschlossen werden kann.[1] H.K.J. Cowan nimmt hingegen einen Ort in der niederländischen Provinz Limburg oder in der belgischen Provinz Limburg an.[4]

Textbeispiel

Das Textbeispiel ist Psalm 54, Vers 2 bis 4, nach der Ausgabe von Arend Quak.[2] Nach heutiger Zählung ist das Psalm 55, siehe Ps 55 .

Der lateinische Text d​es Psalters, d​er die Vorlage für d​en altniederländischen Text war, i​st nicht überliefert, sondern w​urde anhand d​es altniederländischen Textes a​us verschiedenen lateinischen Psalmenübersetzungen u​nd Psalmenkommentaren rekonstruiert.[2]

Es gehört zum Wesen einer Interlinearübersetzung, dass über jedem Wort der Ausgangssprache ein übersetztes Wort steht. Der Satzbau der Wachtendonckschen Psalmen ist also im Wesentlichen vom Lateinischen bestimmt. Manchmal weicht der Übersetzer von dieser Regel ab und übersetzt ein lateinisches Wort mit zwei altniederländischen, z. B. in Vers 3 mihite mi („an mich“).

Unter d​em lateinischen Text u​nd der altniederländischen Übersetzung s​teht eine moderne, ziemlich wörtliche Übersetzung anhand d​es Glossars v​on Arend Quak.[2]

Vers 2

Gehorigotgebetmin
ExaudiDeusorationemmeam

Erhöre, Gott, m​ein Gebet

innefaruuirpbedamina
etnedespexerisdeprecationemmeam

und verwirf n​icht mein Gebet

Vers 3

thenkete miingehorimi
intendemihietexaudime

denke a​n mich u​nd erhöre mich

Gidruouitbinantilongonminro
contristatussuminexercitationemea

betrübt b​in ich i​n meinem Eifer

Vers 4

inmistrostbinfanstimmonfiundes
etconturbatussumavoceinimici

und verwirrt b​in ich v​on der Stimme d​es Feindes

infanarbeidesundiges
etatribulationepeccatoris

und v​on der Belästigung d​es Sünders

Uuandegeneigedonanmiunreht
quoniamdeclinaveruntinmeiniquitatem

denn s​ie neigten Unrecht über mich

inanabulgeunsuotiuuaronmi
etiniramolestierantmihi

und i​m Zorn w​aren sie m​ir zuwider

Literatur

  • H.K.J. Cowan: De Oudnederlandse (Oudnederfrankische) Psalmenfragmenten met inleiding en Frankisch-Latijnse woordenlijst. Brill,

Leiden 1957.

  • Arend Quak: Die altmittel- und altniederfränkischen Psalmen und Glossen (= Amsterdamer Publikationen zur Sprache und Literatur, Band 47). Rodopi, Amsterdam 1981.

Quellen

  1. Herman Vekeman, Andreas Ecke: Geschichte der niederländischen Sprache (= Langs Germanistische Lehrbuchsammlung, Band 83). Peter Lang, Bern 1993, ISBN 3-906-750-37-X.
  2. Arend Quak: Die altmittel- und altniederfränkischen Psalmen und Glossen. Rodopi, Amsterdam 1981.
  3. Arend Quak, Joop van der Horst: Inleiding Oudnederlands. Universitaire Pers Leuven, Leuven 2002, ISBN 90-5867-207-7.
  4. H.K.J. Cowan: Localisering van het Oudnederfrankisch der psalmfragmenten. In: Leuvensche bijdragen op het gebied van de Germaansche philologie en in 't bijzonder van de Nederlandsche dialectkunde, Jg. 48 (1959), S. 1–47; H.K.J. Cowan: Nogmaals de localisering van de oudnederfrankische psalmenfragmenten. In: Leuvensche bijdragen op het gebied van de Germaansche philologie en in 't bijzonder van de Nederlandsche dialectkunde, Jg. 58 (1969), S. 114–130.
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