Volkssternwarte Regensburg
Die Volkssternwarte Regensburg ist eine der ältesten Volkssternwarten Deutschlands, nach eigenen Angaben die älteste durchgehend bestehende Volkssternwarte Süddeutschlands[1]. Die Sternwarte dient hauptsächlich der Volksbildung, unter anderem in Kooperation mit der Regensburger Volkshochschule[2]. Neben Sonderveranstaltungen bei astronomischen Ereignissen hat die Sternwarte am Freitagabend für die Öffentlichkeit geöffnet. Im Jahr 2017 nahmen 4676 Besucher die Angebote der Volkssternwarte Regensburg wahr.[3]
Geschichte
1774 bis 1902
Vorgänger der heutigen Sternwarte war ein Observatorium des Klosters St. Emmeram in Regensburg, das 1774 ins Leben gerufen wurde.[4] Fürstabt Frobenius Forster ließ 1774 und 1775 die Ecktürme des Stifts für astronomische und meteorologische Beobachtungen umbauen. Nach der Aufhebung des Stifts wurde 1812 ein Eckturm der Regensburger Stadtmauer, der Placidusturm, zu einer Sternwarte umgebaut. Der Benediktiner Placidus Heinrich führte daraufhin am Königlichen Lyzeum den astronomischen Unterricht ein. Dazu ließ er Beobachtungsinstrumente von Reichenbach in München herstellen. Zu den Gerätschaften, die zwischen 1812 und 1902 zur Verfügung standen, gehörten:[5]
- Passageninstrument von Reichenbach/Fraunhofer aus dem Jahre 1812
- Äquatorial von Liebherr, München 1811, mit einer Öffnung von 5 cm
- Repetitionskreis von Fortin, Paris, um 1800
- Newtonteleskop, Spiegelteleskop von Brander, gebaut um 1770 in Augsburg, aus einem Holztubus mit einer Öffnung von 9 cm und einer Brennweite von 90 cm
- Kometensucher aus dem 18. Jahrhundert, bestehend aus einer Linsenoptik mit einer Öffnung von 6 cm und einer Brennweite von 60 cm
Die Geräte befinden sich heute in der Historischen Instrumentensammlung der Universität Regensburg.
1902 bis 1968
Der Placidusturm musste 1902 den geänderten Verkehrsverhältnissen weichen, an seiner Stelle befindet sich heute der Petersweg.[6] Zum Bau eines Ersatzes wurden von staatlichen Stellen 20.000 Mark bereitgestellt.[7] Auf den bereits existierenden Gebäudetrakt des königlichen Lyzeums wurden zwei Stockwerke, sowie eine Kuppel mit ungefähr 4,5 Metern Durchmesser des Dresdener Herstellers Heyde gebaut. Baubeginn war 1902, fertig gestellt wurde die Sternwarte im Jahr 1905. Die neu errichteten Stockwerke dienten als Bibliothek und Arbeitszimmer, sowie der Unterbringung der astronomischen Apparate. Die Teleskopkuppel wurde mit einem 150 mm Refraktor von Reinfelder ausgestattet, welcher heute defekt und im Vortragsraum der Sternwarte zu besichtigen ist. Die Kuppel selbst steht heute unter Denkmalschutz.
Im Jahr 1919 wurde der Physik-Professor Karl Stöckl an das Lyzeum berufen.[7] Am 10. November 1919 wurde im Regensburger Anzeiger für den „ersten Donnerstag nach Neujahr“ ein öffentlicher astronomischer Vortrag von Professor Karl Stöckl über die Milchstraße angekündigt.[8] Somit wurde die Sternwarte auf Betreiben von Karl Stöckl seit 1920 als Volkssternwarte genutzt.[9] Im Jahr 1923 wurde das königliche Lyzeum zur Philosophisch-theologischen Hochschule (PTH) umgewandelt. Im Jahr 1938 berichtet der Bayerischer Anzeiger über jeden Freitag stattfindende Kurse auf der Regensburger Sternwarte.[4]
Ab 1968
Nach der Auflösung der PTH im Jahr 1968 konnte die Volkssternwarte durch den Einsatz von Prof. Dr. Bernhard Heß und Alois Menath als Teil der Fachhochschule Regensburg bestehen bleiben.[1]
Seit 1976 wird sie vom gemeinnützigen Verein der Freunde der Sternwarte Regensburg e.V. betrieben. Die heute zugänglichen Räume der Sternwarte wurden 1982 nach einer längeren Umbauzeit fertiggestellt.[1] Der beim Umbau beschädigte Refraktor von Reinfelder wurde im Jahr 1983 durch einen apochromatischen Refraktor der Firma Lichtenknecker ersetzt.[1]
Die Sternwarte heute
Zu den astronomischen Instrumenten der Sternwarte gehören ein apochromatischer 150 mm Lichtenknecker-Refraktor und ein 317 mm Cassegrain-Teleskop, die sich in der historischen Kuppel befinden. Auf der Dachplattform befinden sich weiterhin ein 305 mm und ein 280 mm Schmidt-Cassegrain-Teleskop.[1] Zum weiteren Inventar gehört auch eine Riefler-Präzisionsuhr. Zu den Räumlichkeiten gehören ein geologischer Schauraum, und jeweils ein Ausstellungsraum zur Kosmologie und zum Sonnensystem.
Literatur
- Alois Menath, 1969: "Zur Geschichte der Regensburger Sternwarte" in Acta Albertina Ratisbonensia Band. 29
- Mitteilungen zur Astronomiegeschichte Nr. 3 (PDF; 12 kB) Alois Menath, 1993: "Beobachtungsinstrumente der alten Regensburger Lyzeumssternwarte (1812 bis 1902)"
- Sandra Wilde, 1999. "... denn ohne Observatorium giebt es keine Observationen": Astronomen und Sternwarten in Regensburg, 1773–1923.
- Benjamin Mirwald, 2014: Volkssternwarten: Verbreitung und Institutionalisierung populärer Astronomie in Deutschland 1888–1935. AVA (Akademische Verlagsanstalt)
- Wilhelm Schenz, 1930: Das erste Jahrhundert des Lyzeum Albertinum Regensburg (1810–1910)
- Bernhard Heß, 1980; Die Naturwissenschaften an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Regensburg im 19. und 20. Jahrhundert
- Christoph Meinel, 2017: Wissensdinge. Die historische Instrumentensammlung; in 50 Jahre Universität Regensburg; Seite 356–359
- Andreas Becker, 2015: Die Schriftgutverwaltung des Lyzeum Albertinum und der Philosophisch-Theologischen Hochschule im Spiegel der Überlieferung im Universitätsarchiv Regensburg, in VHVO 154
Einzelnachweise
- Geschichte der Volkssternwarte Regensburg, abgerufen am 4. Mai 2018
- VHS Kurse der Sternwarte Regensburg, abgerufen am 26. Februar 2012
- Anzahl Besucher der Sternwarte, abgerufen am 4. Mai 2018
- Bayerischer Anzeiger, 18./19. Juni 1938, Seite 8: Am Anfang war das Astrolabium
- Alois Menath, 1969: "Zur Geschichte der Regensburger Sternwarte" in Acta Albertina Ratisbonensia Band. 29
- Wilhelm Schenz, Berlin 1930: Das erste Jahrhundert des Lyzeum Albertinum Regensburg (1810–1910), Seite 189
- Wilde, Sandra. "... denn ohne Observatorium giebt es keine Observationen": Astronomen und Sternwarten in Regensburg, 1773–1923. 1999.; Seite 125 ff.
- Regensburger Anzeiger, 10. November 1919
- Mirwald, Benjamin. Volkssternwarten: Verbreitung und Institutionalisierung populärer Astronomie in Deutschland 1888–1935. AVA (Akademische Verlagsanstalt), 2014.; Seite 233 ff.