Vishnu Basement Rocks
Als Vishnu Basement Rocks oder auch Vishnu Group (Vishnu-Grundgebirge oder Vishnu-Gruppe) – benannt nach der Hindugottheit Vishnu – wird das paläoproterozoische polymetamorphe kristalline Grundgebirge bezeichnet, das im US-amerikanischen Bundesstaat Arizona gelegenen Grand Canyon ansteht. Die Vishnu Basement Rocks sind die tiefstgelegene und älteste geologische Einheit der Inner Gorge. Das Grundgebirge im Grand Canyon verdankt seine Entstehung im Wesentlichen der Yavapai-Gebirgsbildung, die vor 1720–1680 Millionen Jahren BP-Gesteine eines Backarc-Beckens mit dem dazugehörenden magmatischen Inselbogen (das Yavapai-Terran) unter das Mojave-Terran im Nordwesten presste. Die Ausgangsgesteine wurden in mehreren Phasen stark metamorphosiert und tektonisch verformt. Die Metamorphose erreichte gewöhnlich die obere Grünschieferfazies/untere Amphibolitfazies, in einigen Krustenblöcken wurde sogar die untere Granulitfazies mit Migmatitbildung realisiert. Aufgrund dieser orogenen Veränderungen sind die Vishnu Basement Rocks verständlicherweise recht kompliziert aufgebaut und können in viele einzelne geologische Einheiten unterteilt werden. Die recht heterogenen Gesteine lassen sich aber dennoch jeweils einer der folgenden Gruppen zuordnen:
- Kontinentfragment des Mojave-Terrans
- Metamorphe Backarc-Sedimente
- Inselbogenmagmatismus
- Anorogene Intrusiva
Kontinentfragment des Mojave-Terrans
Ältestes Gestein der Vishnu Basement Rocks ist der Elves Chasm-Gneis, der radiometrisch auf 1840 Millionen Jahre BP datiert wurde. Es handelt sich hierbei um einen Orthogneis, dessen Protolithe (Ausgangsgesteine) ein mafischer Tonalit (Hornblende-Biotit-Tonalit) und ein intermediärer Quarzdiorit waren. Außerdem sind flächige Amphibolitlagen im Gneis anzutreffen, die wahrscheinlich ehemalige Ganggesteine darstellen. Der Elves Chasm-Gneis ist also demzufolge aus einem Pluton hervorgegangen, der dann zu einem Orthogneis metamorphosiert wurde. Sein hohes Alter rückt ihn in die Nähe der Gesteine des etwas weiter westlich gelegenen kontinentalen Mojave-Terrans, zu dem ihn auch viele Geologen rechnen.
Das Mojave-Terran reicht im Grand Canyon bis an die Crystal shear zone heran, eine 2 Kilometer breite hochplastische mylonitische Zone – die Grenze zum Yavapai-Terran. Gesteine unmittelbar westlich wie der Tuna Creek Granodiorite führen z. B. rezyklierte Zirkone mit Mojave-typischem Alter, wohingegen die ostwärts folgenden Gesteine des Yavapai-Terrans alle wesentlich jünger sind.
Metamorphe Backarc-Sedimente
Zum (jetzt metamorphen) Sedimentstapel des einstigen Backarc-Beckens gehören folgende Einheiten (von jung nach alt):
- Vishnu Schist
Rein sedimentären siliziklastischen Ursprungs. Besteht aus Quarzglimmerschiefer, Tonschiefer und metamorphosiertem Arenit. Es dürfte sich hiebei um metamorphosierte Turbidite handeln. - Brahma Schist
Ehemalige vulkanische Gesteine mafischer bis intermediärer Zusammensetzung. Liegen jetzt vor als Amphibolit, Hornblende-Biotit-Plagioklas-Schiefer, Biotit-Plagioklas-Schiefer, Orthoamphibol-führender Schiefer und Gneis. Bemerkenswert das Vorkommen metamorphosierter Sulfide. Der Brahma-Schist ist auf 1742 Ma BP datiert worden. - Rama Schist
Ebenfalls vulkanischer Herkunft meist felsischer Zusammensetzung. Tritt auf als massiver, feinkörniger Quarz-Feldspat-Schiefer und Gneis und ist rund 1750 Millionen Jahre alt.
Diese suprakrustalen Sedimentgesteine wurden im Zeitraum 1750±2 bis 1741±1 Ma BP abgelagert und erreichten eine Gesamtmächtigkeit von rund 13.000 Metern. Ihre stratigraphische Abfolge ist nicht immer eindeutig, da sie sich ineinander verzahnen können. In Antiklinalbereichen wird aber generell die oben angeführte Abfolge beobachtet.
Inselbogenmagmatismus
Unmittelbar nach Beendigung des Sedimentationsvorgangs im Backarc-Becken erfolgte die erste Phase magmatischer Intrusionen. Sie war granitischer bis granodioritischer Zusammensetzung:
- der bekannte Zoroaster Granite, 1741±1 Ma BP
- der Grapevine Camp Granite, 1737±1 Ma BP
- und der Trinity Granodiorite, 1730±3 Ma BP.
Mit dem Einsetzen der ersten orogenen Bewegungen der Yavapai-Gebirgsbildung (Akkretion des Inselbogens) ging eine zweite Phase magmatischer (synorogener) kalk-alkalischer Intrusionen einher, die aber insgesamt etwas mafischer verlief. Es bildeten sich:
- der Ruby Granodiorite, 1717±1 Ma BP
- und der Horn Diorite, 1713±2 Ma BP.
Eine dritte Phase recht felsischer Natur erfolgte nach dem Höhepunkt der Metamorphose. Im Zeitraum 1698-1662 Ma BP bildeten sich Pegmatit- und Aplitgänge, peraluminöse Granite und der Phantom Pluton um 1662 Ma BP.
Anorogene Intrusiva
Wesentlich später intrudierten dann anorogene Magmatite um 1400 Ma BP, es entstanden Granitintrusionen, Granitgänge und Pegmatite. Sie stehen aber in keinerlei Zusammenhang mit den Akkretionsvorgängen.
Metamorphose und Deformation während des Akkretionsvorgangs
Nach der Beendigung der Sedimentation des 13 Kilometer dicken Sedimentpakets um 1740 Ma BP kam es zur Versenkungsmetamorphose, die auf zwei Pfaden erfolgte. Ein druckbetonter mit der Bildung von Disthen und Granat und ein mehr temperaturbetonter mit der Bildung von Andalusit, Sillimanit und Granat. In beiden Fällen wurden 0.7 GPa (oder 7 Kilobar) an Druck erreicht und es erfolgte stellenweise anatektisches Aufschmelzen und Migmatitbildung – entsprechend einer Endteufe von rund 25 Kilometer (untere Mittelkruste). Die allmähliche Druckerhöhung hatte während des Zeitraums 1730–1700 Ma BP eine erste Deformationsphase (D1) in den Sedimenten bewirkt, die sich durch relativ flachliegende Schieferung, nach Nordwest ausgerichtetes Gefüge sowie nach Nordwest erfolgten Überschiebungen und isoklinalem Faltenbau auszeichnete. Bei fortdauernder Südost-Nordwest gerichteter Einengung des Sedimentpakets setzte ab 1713 Ma BP noch vor Erreichen des metamorphen Höhepunkts (1707-1698 Ma BP) eine zweite Deformationsphase (D2) ein, die eine penetrativ steilstehende, Nordost-streichende Schieferung mit dazugehörendem steilstehenden bis überkippten Faltenbau den vorhandenen Strukturen aufprägte. Diese zweite Phase dauerte bis 1685 Ma BP – lange nachdem der Höhepunkt der Metamorphose überschritten war und die Dekompression bereits eingesetzt hatte. Die Dekompressionsphase ließ die Gesteine des Vishnu Basement Complex dann auf eine Teufe von zirka zwölf Kilometer (0,3–0,4 GPa) auftauchen. Ab 1685 Ma BP setzte in diesem Tiefenbereich schließlich isobares Abkühlen von 650 °C auf 450 °C ein.
Blockarchitektur
Strukturell zeichnet sich das Grundgebirge des Vishnu Basement Complex durch seine Blockarchitektur aus. Es besteht aus insgesamt sechs, bis zu zehn Kilometer breiten, lithotektonischen Krustenblöcken, die durch steilstehende Nordost-streichende Scherzonen voneinander abgetrennt werden. Die Scherzonen können bis zu zwei Kilometer breit werden und repräsentieren einen sehr hohen Verformungsgrad. Während der Dynamometamorphose haben sich diese Krustenblöcke unterschiedlich verhalten. Sie dokumentieren zwar alle den gleichen Maximaldruck und befanden sich somit in gleicher Tiefenlage, weisen aber sehr unterschiedliche Maximaltemperaturen auf, die zwischen 520 und 750 °C liegen können. Dieser sehr hohe Temperaturunterschied lässt sich hauptsächlich durch unterschiedliche Wärmezufuhr mittels pegmatitischer Intrusiva erklären – Blöcke mit einem hohen Anteil an Pegmatiten wurden wesentlich stärker aufgeheizt. Die Pegmatitintrusionen machten sich insbesondere während der Dekompressionsphase im Zeitraum 1685–1660 Ma BP bemerkbar und bewirkten ein sekundäres Granatwachstum und somit eine zeitweilige Umkehr im generellen Abkühlungstrend.
Quellen
- G. Dumond, K. H. Mahan, M. L. Williams, K. E. Karlstrom: Crustal segmentation, composite looping pressure-temperature paths, and magma-enhanced metamorphic field gradients: Upper Granite Gorge, Grand Canyon, USA. In: GSA Bulletin. V. 119, 2007, S. 202–220. doi:10.1130/B225903.1
- D. P. Hawkins, S. A. Bowring, B. R. Ilg, K. E. Karlstrom, M. L. Williams: U-Pb geochronologic constraints on the Paleoproterozoic crustal evolution of the Upper Granite Gorge, Grand Canyon, Arizona. In: GSA Bulletin. V. 108, 1996, S. 1167–1181. doi:10.1130/0016-7606
Weblinks
- George H. Billingsley: Geologic Map of the Grand Canyon 30' by 60' Quadrangle, Coconino and Mohave Counties, Northwestern Arizona: U.S. Geological Survey Geologic Investigation Series I-2688. 2000. (pubs.usgs.gov)
- United States Geological Survey http://3dparks.wr.usgs.gov/coloradoplateau/lexicon/vishnu.htm