Verfolgungsverjährung
Die Verfolgungsverjährung verhindert im Strafrecht die weitere Strafverfolgung einer bestimmten Straftat.
Allgemeines
Die Verfolgungsverjährung ist von Amts wegen zu beachten. Von besonderer Bedeutung ist die Verfolgungsverjährung in Straf- und Bußgeldsachen, lässt sie doch den Betroffenen straf- bzw. bußgeldfrei ausgehen. Eine Straftat darf dann nicht mehr durch die Strafverfolgungsbehörden verfolgt und nicht mehr zur Anklage gebracht werden, wenn zwischen der Beendigung der Straftat und ihrer Entdeckung ein bestimmter Zeitraum – die Verjährungsfrist – verstrichen ist. In den einzelgesetzlichen Vorschriften bestehen jedoch meist vielfache Unterbrechungstatbestände, die die Frist für die Verfolgungsverjährung verlängern.
Verfolgungsverjährung im bundesdeutschen Strafrecht
Die Verjährungsfrist ist in § 78 StGB geregelt und beträgt nach Abs. 3:
- dreißig Jahre bei Taten, die mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht sind,
- zwanzig Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als zehn Jahren bedroht sind (z. B. Totschlag, sexueller Missbrauch von Kindern, schwere Brandstiftung),
- zehn Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als fünf Jahren bis zu zehn Jahren bedroht sind (z. B. einfache Brandstiftung, gefährliche Körperverletzung, Diebstahl mit Waffen, Bandendiebstahl, Wohnungseinbruchdiebstahl),
- fünf Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als einem Jahr bis zu fünf Jahren bedroht sind (z. B. einfache Körperverletzung, Diebstahl),
- drei Jahre bei den übrigen Taten (z. B. Hausfriedensbruch).
Mord (§ 211 StGB) verjährt nie (§ 78 Abs. 2 StGB). Dies wurde – als Ergebnis der dritten Verjährungsdebatte vom 29. März 1979 – am 3. Juli 1979 vom Deutschen Bundestag beschlossen. Bis zur zweiten Verjährungsdebatte 1969 galten geringere Verjährungsfristen von bis zu 20 Jahren.[1] Nach § 5 Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) unterliegen die im VStGB enthaltenen Verbrechen nicht der Verfolgungsverjährung.
Gemäß § 78 Absatz 4 StGB richtet sich die Frist nach der Strafdrohung des Gesetzes, dessen Tatbestand die Tat verwirklicht; Schärfungen oder Milderungen nach dem Allgemeinen Teil (z. B. bei Beihilfe) oder für besonders schwere oder minder schwere Fälle führen zu keiner Verlängerung oder Verkürzung der Frist. Dadurch beträgt die Frist auch bei besonders schweren Fällen des Diebstahls (§ 243 StGB) fünf Jahre, obwohl die Höchststrafe hier zehn Jahre beträgt. Sofern allerdings ein Qualifikationstatbestand vorliegt, richtet sich die Verjährungsfrist nach der dort angedrohten Höchststrafe (vgl. oben schwere Brandstiftung, gefährliche Körperverletzung und Diebstahl mit Waffen, Bandendiebstahl, Wohnungseinbruchdiebstahl).
Der Beginn der Verjährungsfrist ist in § 78a StGB geregelt. Diese beginnt erst, wenn die Tat beendet ist. Dies ist der Fall, wenn der Täter alle Tatbestandsmerkmale erfüllt hat (Vollendung) und das Tatgeschehen abgeschlossen wurde (Beendigung). Beispielhaft ist dies beim Diebstahl dann der Fall, wenn der Täter den Gegenstand in seinen Gewahrsam gebracht und anschließend diesen Gewahrsam gesichert hat.
Das Ruhen der Verjährung ist in § 78b StGB und die Unterbrechung in § 78c StGB geregelt. Gemäß § 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB beginnt die Verjährungsfrist bei sexuellem Missbrauch, sexuellem Übergriff, sexueller Nötigung, Vergewaltigung, Herstellung von Kinderpornografie, Misshandlung von Schutzbefohlenen, weiblicher Genitalverstümmelung und Zwangsheirat seit 2015 erst mit Vollendung des 30. Lebensjahrs des Opfers (zuvor mit dem 21., bis 2013 mit dem 18.).[2][3]
Verfolgungsverjährung im Ordnungswidrigkeitenrecht
Die Verfolgungsverjährung im Ordnungswidrigkeitenrecht ist insbesondere im Bereich der Verkehrsordnungswidrigkeiten wegen der Vielzahl der geahndeten Verstöße von besonderer Bedeutung. Die Verjährungsfrist nach § 31 OWiG beträgt, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt, gemäß § 31 Abs. 2 OWiG:
- drei Jahre bei Ordnungswidrigkeiten, die mit Geldbuße im Höchstmaß von mehr als 15.000 Euro bedroht sind,
- zwei Jahre bei Ordnungswidrigkeiten, die mit Geldbuße im Höchstmaß von mehr als 2.500 bis zu 15.000 Euro bedroht sind,
- ein Jahr bei Ordnungswidrigkeiten, die mit Geldbuße im Höchstmaß von mehr als 1.000 bis zu 2.500 Euro bedroht sind,
- sechs Monate bei den übrigen Ordnungswidrigkeiten.
Ein besonderer Fall, in dem das Gesetz etwas anderes bestimmt, ist § 26 Abs. 3 StVG: Bei einer Ordnungswidrigkeit nach § 24 StVG (d. h. bei Verstößen gegen die StVO und StVZO) beträgt die Verfolgungsverjährung drei Monate, solange weder Bußgeldbescheid ergangen noch öffentliche Klage erhoben ist. In diesen Fällen verdoppelt sich die Verjährungsfrist auf sechs Monate. Bei anderen Verstößen, insbesondere Alkohol- und Drogenverstößen gem. §§ 24 a, 24 b, 24 c StVG, richtet sich die Dauer der Verjährungsfrist entsprechend der allgemeinen Vorschrift des § 31 OWiG wieder nach dem Höchstmaß der angedrohten Geldbuße.
Unter bestimmten Voraussetzungen ruht die Verfolgungsverjährung (§ 32 OWiG).
Die Verfolgungsverjährung kann seitens der Verfolgungsbehörden (Staatsanwaltschaft, Bußgeldbehörde und Gerichte) durch Maßnahmen nach § 33 OWiG, z. B. die erste Vernehmung des Betroffenen, die Anordnung der Bekanntgabe des Bußgeldvorwurfes oder durch richterliche Maßnahmen unterbrochen werden. Nach einer Unterbrechung beginnt die Verjährungsfrist von neuem. Die Unterbrechung der Verfolgungsverjährung kann auch durch Maßnahmen erfolgen, die dem Betroffenen nicht zur Kenntnis gelangen. Deshalb ist immer eine Einzelfallprüfung, möglichst durch einen Rechtsanwalt, geboten.
Verfolgungsverjährung in anderen Vorschriften
Der Begriff der Verfolgungsverjährung findet sich u. a. in weiteren Gesetzen:
- "Gesetz über das Ruhen der Verfolgungsverjährung und die Gleichstellung der Richter und Bediensteten des Internationalen Strafgerichtshofes" vom 21. Juni 2002 (außer Kraft mit Wirkung vom 26. November 2015, BGBl. I S. 2025, 2027)
- § 384 Abgabenordnung (AO)
- § 95a Bundesnotarordnung (BNotO)