Verfolgungshindernis
Verfolgungshindernis, auch Strafverfolgungshindernis oder Verfolgungsverbot, ist ein Rechtsbegriff aus dem Strafprozessrecht und bedeutet das Fehlen einer prozessualen Voraussetzung für die Verfolgung einer Straftat. Verfolgungshindernisse werden durch solche Umstände begründet, die es ausschließen, dass über einen Prozessgegenstand mit dem Ziel einer Sachentscheidung verhandelt werden darf.[1] Die Umstände müssen so schwer wiegen, dass von ihrem Vorhandensein oder Nichtvorhandensein die Zulässigkeit des gesamten Verfahrens abhängig gemacht werden muss.[2]
Verfolgungsverbote (Verfahrenshindernisse) sind von Amts wegen zu berücksichtigen[3] und führen zur Einstellung des Verfahrens,[4] wenn sie nicht behebbar sind.[5]
Die wichtigsten Verfolgungshindernisse sind
- unwirksamer Eröffnungsbeschluss oder unwirksame Anklage
- entgegenstehende Rechtskraft einer Entscheidung in derselben Sache gem. Art. 103 Abs. 3 GG (ne bis in idem), Art. 54 SDÜ[6] und andere Fälle von Strafklageverbrauch, z. B. § 153a Abs. 1 S. 5, § 174 Abs. 2, § 211 StPO,
- Strafunmündigkeit des Beschuldigten gem. § 19 StGB,
- Tod und dauernde Verhandlungsunfähigkeit des Beschuldigten,
- diplomatische Immunität gem. §§ 18–20 GVG,
- Immunität von Abgeordneten gem. Art. 46 Abs. 2 GG, § 152a StPO.
Diese sog. Befassungsverbote führen in der Hauptverhandlung zur Verfahrenseinstellung durch Prozessurteil, auch wenn dem Angeklagten keine Straftat vorgeworfen werden kann.[7] Liegt dagegen ein Bestrafungsverbot vor, beispielsweise bei Eintritt der Verfolgungsverjährung (§ 78 StGB) oder fehlendem Strafantrag, wird der Angeklagte durch Sachurteil freigesprochen.[8]
Fehler mit verfahrensrechtlichem Bezug, die zu einer Einstellung führen können und somit ebenfalls ein Prozesshindernis darstellen, unterliegen als Bestrafungsverbote den Voraussetzungen der Verfahrensrüge.[9]
Einzelnachweise
- Verfahrensfehler – als strafprozessuale Verfahrenshindernisse 2. Dezember 2016.
- BGH, Urteile vom 9. Dezember 1987 – 3 StR 104/87, BGHSt 35, 137, 140; vom 25. Oktober 2000 – 2 StR 232/00, BGHSt 46, 159, 168 f. mit zahlr. w.N.; und vom 11. August 2016 – 1 StR 196/16 Rn. 6; siehe auch Kudlich in Münchener Kommentar zur StPO, 1. Aufl., Einl. Rn. 353 und Kühne in Löwe/Rosenberg, StPO, 27. Aufl., Einl. K. Rn. 37 mwN.
- vgl. BGH, Beschluss vom 9. Februar 2012 - 1 StR 152/11 Rdnr. 10.
- Strafverfolgungshindernisse Rechtslexikon.de, abgerufen am 29. August 2020.
- vgl. BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2012 - 1 StR 165/12
- Tilman Reichling: Europäische Dimensionen des „ne bis in idem“-Grundsatzes – Auslegungsprobleme des Art. 54 des Schengener Durchführungsübereinkommens StudZR 2006, S. 447–469.
- BGH, Urteil vom 17. August 2000 – 4 StR 245/00 = BGHSt 46, 130 (Fehlen einer wirksamen Anklage).
- Meyer-Goßner: Strafprozessordnung. Kommentar, 55. Aufl. 2012, § 260 Rn. 45 (Freispruch bei fehlendem Strafantrag).
- BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2003 – 1 StR 445/03 = NStZ 2004, 449 (überlange Verfahrensdauer).