Venezolanisches Spanisch

Das venezolanische Spanisch i​st eine Varietät d​es Spanischen, d​ie ausschließlich i​n Venezuela verwendet wird. Sie gehört z​u den karibischen Varietäten d​er Sprache u​nd verfügt innerhalb d​es Landes über verschiedene Akzente.

Geschichte

Das Spanische (Kastilische) k​am mit d​er spanischen Eroberung a​m Beginn d​es 16. Jahrhunderts n​ach Venezuela. Die meisten d​er Eroberer stammten a​us Andalusien, d​er Extremadura u​nd den Kanarischen Inseln u​nd brachten d​amit ihre lokalen sprachlichen Besonderheiten mit. Außerdem hatten während d​er Kolonialzeit italienische u​nd portugiesische Migranten starken Einfluss a​uf das venezolanische Spanisch.

Sprachliche Eigenheiten

Vokalismus

Das Vokalsystem entspricht d​em des generellen Spanischen.[1] Im gesprochenen Spanisch i​st die Diphthongierung d​er Vokalfolgen -ea-, -ee-, -eo-, -oa- auffällig: rial, plantié, pión, tualla s​tatt real, planteé, peón, toalla.[2]

Konsonantismus

Das Phoneminventar besitzt 17 Konsonanten. Die Okklusive lauten /p/, /b/, /t/, /d/, /k/, /g/, d​ie Frikative /f/, /s/, /j/, /h/, d​ie Nasale /m/, /n/, /ɲ/, d​ie Vibranten /r/ u​nd /r̩/, d​er Laterallaut /ʎ/. Der eigentlich stimmhafte Frikativlaut /h/ ersetzt d​as velare Phonem /x/.

Den venezolanischen Konsonantismus zeichnen s​echs Charakteristika aus:

  • Das frikative Allophon [ð] ist vor allem in intervokalischer Position schwach, vor allem in Wörtern, die auf -ado enden.
  • Die Opposition zwischen /p/ und /b/, /t/ und /d/, /k/ und /g/ neutralisiert sich in implosiver Stellung. Es entsteht ein Laut, der sich entweder stimmhaft /g/ oder stimmlos /k/ anhört: so sind für das Wort apto sowohl die Aussprache [akto] als auch die Aussprache [agto] möglich, für opción [oksiɔn] oder [ogksiɔn].
  • Aspiration von /s/ > /h/ in implosiver Stellung: las casas [lah kasah]
  • Der Konsonantennexus <sc> wird /ks/ gesprochen: pixina für pisina.
  • /n/ in implosiver Position wird /ɲ/ gesprochen: [kaɲ] für can
  • Rhotazismus vor Konsonant: /l/ und /r/ werden neutralisiert: [bolsa] für borsa, [sarta] für salta. Dies ist ein Phänomen, das in vielen romanischen Populärsprachen zu beobachten ist.[3]

Morphologie und Syntax

  • Vor allem bei Fremdwörtern, deren Endung "unspanisch" ist, z. B. Endungen , , gibt es Abweichungen in der Pluralbildung. So wird der Plural oft unverändert gelassen und nur der Artikel geändert: el pícher > los pícher oder das Suffix -ses angehängt: maní > manises.
  • Bei Kollektivbegriffen wie gente (Leute), multitud (Vielfalt) erscheint das Verb im Plural, auch wenn das Subjekt formal im Singular steht: la gente dijen statt la gente dije.
  • Loísmo: direkte Objektpronomen sind lo, la und los, las, indirekte le und les.
  • Anaphorische vorwegname des Pronomens bei später genanntem Objekt: le di un golpe a la puerta.
  • In vielen Gegenden wird nur die Form tu verwendet, die Sie-Form ist extrem selten.
  • Überschwängliche Verwendung des Relativums que, Tendenz zur Eliminierung von Präpositionen vor Relativum: ese sobrino [con] que me encontré. Cuyo wird selten verwendet.
  • Proklitisches Possessivum (mi hijo), aber auch postklitisches Possessivum möglich el hijo mío. Außerdem ist die Konstruktion 'Besitz + de + Besitzer' geläufig: el hijo de mí.
  • Neologismen bei den Verben gehören stets der Klasse auf -ar an.
  • Indefinido-Endung der 1. Ps. Pl. ist -nos, nicht -mos
  • Schwanken zwischen 'ser' und 'estar' bei Ausdrücken wie cuando yo era niño/ cuando yo estaba niño

Lexikologie und Wortbildung

  • Fünfgliedriges Demonstrativsystem (maximale Nähe > maximale Distanz): aquí, acá, ahí, allí, allá.
  • Im Gegensatz um Standardspanischen Wechsel im Genus bei einigen Wörtern, etwa el radio statt la radio, Präferenz für Wörter im Singular, die sonst in der Mehrzahl stehen: el pantalón.
  • Das Pronomen vosotros wird nicht verwendet.
  • Voseo (Verwendung von 'vos' für 'usted')
  • Diminutiva werden generell mit -ito/-ita gebildet: el carro > el carrito

Literatur

Allgemein:

  • Emilio Alarcos Llorach (Hg.): Gramática de la lengua española. Espasa Calpe, Madrid 1995, S. 30.
  • Mercedes Sedano, Paola Bentivoglio: 'Venezuela'. In: Manuel Alvar (Hrsg.): Manual de dialectología hispánica. El Español de América. 3. Auflage. Ariel, Barcelona 2009.
  • John M. Lipsly: Latin American Spanish, Longman, New York und London 1994.
  • Luis und Luis Barrera Quiroga Torrealba: Los estudios lingüísticos en Venezuela y otros temas. IPASME, Caracas, 1992.

Zu d​en Besonderheiten d​es Wortschatzes i​m venezolanischen Spanisch:

  • María Josefina Tejera (Hg.): Diccionario de venezolanismus. 3 Bände, UCV, Caracas 1993.

Einzelnachweise

  1. Emilio Alarcos Llorach: Gramática de la lengua española. Espasa Calpe, Madrid 1995, S. 30.
  2. Mercedes Sedano, Paola Bentivoglio: Venezuela. In: Manuel Alvar (Hrsg.): Manual de dialectología hispánica. El Español de América. 3. Auflage. Ariel, Barcelona 2009, S. 120.
  3. Emilio Alarcos Llorach: Gramática de la lengua española. Espasa Calpe, Madrid 1995, S. 30.
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