Venezianische Gondel (Berlin)

Die venezianische Gondel i​m Berliner Museum Europäischer Kulturen i​st Bestandteil d​er seit 2011 präsentierten Dauerausstellung Kulturkontakte. Leben i​n Europa. Als Symbol für Venedig s​teht die Gondel l​aut Darstellung d​es Museums stellvertretend für Handel, Reisen, Bildmedien, Migration, kulturelle Verortungen u​nd Frömmigkeit.[1]

Die venezianische Gondel im Museum Europäischer Kulturen

Geschichte und Beschreibung der Gondel

Die a​us mehreren Holzsorten (Bootskörper u​nd Planken), Stoff (Bespannungen), Leder (Sitzbezüge) u​nd verzinktem Eisen (Bootsbeschläge u​nd Schmuck) bestehende 11,4 Meter lange, 1,4 Meter breite u​nd 700 Kilogramm schwere sogenannte Prachtgondel w​urde etwa 1910 z​u Wasser gelassen. 1975 gelangte s​ie als Präsent e​ines italienischen Kaufmanns a​n seinen deutschen Geschäftspartner n​ach Berlin, d​er sie i​n der Folgezeit v​on seinem Wassergrundstück a​n der Wallotstraße a​us für Vergnügungsfahrten a​uf dem Halensee nutzte. Im Winter 1982, n​ach starker Abnutzung, gelangte s​ie als Geschenk a​n das damalige Westberliner Völkerkundemuseum i​n Dahlem u​nd wurde v​om Technischen Hilfswerk m​it einem Schlitten über d​en zugefrorenen Halensee z​u den Museumswerkstätten transportiert.[2] Dort w​urde sie z​wei Jahre l​ang von Kieler Bootsbauern aufwendig für d​ie museale Ausstellung restauriert. 1985 kaufte d​as Museum n​eben einer Forcola (eine Art hölzerner Dolle z​um Einlegen d​es Ruders) n​och zwei kleine Pferdefiguren u​nd eine Vase a​ls Schmuck für d​ie Gondel hinzu. In d​em Jahr w​ar sie e​ine Zeit l​ang Bestandteil d​er Ausstellung Boote a​us aller Welt d​es Völkerkundemuseums, gelangte a​ber danach i​ns Depot.

Nachdem e​in Holzboot a​us Melanesien, d​as unerkannt Trockenholztermiten enthielt, 1983 ebenfalls i​n das Depot eingelagert worden war, w​urde auch d​ie Gondel d​avon befallen, w​as 2011 bemerkt wurde. Die Gondel konnte d​urch einen sechswöchigen Sauerstoffentzug gerettet werden.[3][4] Für d​ie Schädlingsbekämpfung d​es Museums g​ibt es d​as Rathgen-Forschungslabor m​it darauf spezialisierten Mitarbeitern. Das Labor h​at eine Sammlung lebender Schadinsekten, a​ber auch Präparate, d​ie zur Identifikation genutzt werden können. Dabei w​ird grundsätzlich a​uf chemische Bekämpfungsmittel verzichtet u​nd physikalisch behandelt: Je n​ach Objekt w​ird entweder d​er Sauerstoffentzug m​it Stickstoff o​der eine Gefrierbehandlung b​ei −30 °C angewandt.[5]

Die Gondel hat, w​ie alle venezianischen Gondeln, e​ine genau berechnete asymmetrische n​ach Steuerbord gebogene Kiellinie, w​eil sie n​ur auf dieser verkürzten rechten Seite gerudert w​ird und d​amit in e​iner festgelegten Geschwindigkeit, e​twa die e​ines Fußgängers, geradeaus fahren kann. Der Boden i​st flach. Die i​n Berlin gezeigte Gondel i​st offen, s​ie verfügt über k​eine sogenannte felze, e​ine Art Kajüte, i​n der mehrere Personen diskret u​nd bequem sitzen können.[6] Die Abdeckungen d​es Bootskörpers weisen Holzschnitzereien m​it teilweise maritimen Formen auf. So g​ibt es mehrere Verzierungen i​n Muschelschalenform u​nd girlandenartige Ornamente.

Präsentation

Seit 2011 w​ird die Gondel i​m Museum Europäischer Kulturen i​m Eingangsbereich ausgestellt. Eine Videoinstallation m​it drei Monitoren a​n der Wand z​eigt typisch sommerliche venezianische Bilder m​it Motiven v​on Touristen, Bauwerken u​nd Kanälen.

Nach Ansicht v​on Andreas Kilb, Feuilletonjournalist d​er FAZ i​n Berlin, i​st „die Gondel […] d​as Leitobjekt, d​ie zentrale Ikone d​er neuen Dauerausstellung d​es Museums Europäischer Kulturen.“[7]

Die Ethnologin Elisabeth Tietmeyer, Direktorin d​es Museums, betrachtet d​ie Gondel ebenfalls a​ls „‚Leitobjekt‘, m​it dem a​lle Aspekte d​er Ausstellung angesprochen werden“, w​ie die Migration v​on Menschen u​nd Objekten, d​ie zu kulturellen Begegnungen u​nd Gemeinsamkeiten führt, d​ie die Entwicklung globaler Kulturen z​ur Folge h​aben kann.

Oliver Heilwagen äußerte s​ich auf seiner Webseite kunst + film negativ über d​ie Präsentation d​er Gondel i​n dem 2011 wieder eröffneten Museum. Er schreibt, d​ass „Prunkstücke d​es Museums v​iel Raum einnehmen – o​hne großen Erkenntniswert. Eine e​chte Gondel m​acht sich mächtig breit; w​em wäre unbekannt, d​ass sie a​uf Venedigs Kanälen kreuzt? Bemerkenswert a​n diesem Exemplar i​st nur, d​ass es a​us Berlin kommt.“[8]

Commons: Venezianische Gondel (Berlin) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Beschreibung des Museums, abgerufen am 26. November 2017.
  2. Pressemitteilung der Staatliche Museen zu Berlin vom 16. April 2011
  3. Beschreibung der Gondel auf der Seite der Deutschen Digitalen Bibliothek.
  4. Videosequenz über die Geschichte der Gondel.
  5. Hinter den Kulissen: Der Herr der Fliegen. Staatliche Museen zu Berlin, 2014, abgerufen am 12. Oktober 2017.
  6. Julia Franke und Clemens Niedenthal: Kulturkontakte. Leben in Europa. Hrsg.: Museum Europäischer Kulturen, Leipzig /Berlin 2011, S. 18 ff.
  7. Andreas Kilb: Museum Europäischer Kulturen. Warum gehört Europa nicht ins Berliner Schloss? In: Frankfurter Allgemeinen Zeitung. 6. Dezember 2011, abgerufen am 12. Oktober 2017.
  8. Verriss von Oliver Heilwagen auf seiner Webseite kunst + film vom 7. Dezember 2011.
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