Unverweslichkeit

Unverweslichkeit ist eine Eigenschaft, die die römisch-katholische und die orthodoxe hagiografische Tradition den sterblichen Überresten verschiedener Heiliger zuschreibt, wenn eine Leichenkonservierung vorliegt, die aus religiöser Sicht nicht durch die Annahmen natürlicher Ursachen erklärt werden kann. In derartigen Fällen wird der Erhaltungszustand des Leichnams auf göttliches Eingreifen zurückgeführt. Solche Unverweslichkeit wird besonders dann angenommen, wenn natürliche Umstände die Verwesung beschleunigen würden.[1]

Der Leib der heiligen Sr. Virginia Centurione Bracelli

Allgemeines

Unverweslichkeit ist zu unterscheiden von künstlicher Mumifizierung und wird in manchen Religionen von natürlichen physikalischen und biochemischen Vorgängen, die die Erhaltung der Körperform bewirken, unterschieden.

Mehrere Ganzkörperreliquien werden in anscheinend unverwestem Zustand der Verehrung dargeboten. Solche Unverweslichkeit wird als übernatürliches Phänomen verstanden. Indem Gottes Schöpfermacht den natürlichen Prozess der Verwesung des menschlichen Leichnams verhindere oder verzögere, bestätige er die Heiligkeit des Toten. Biblischer Hintergrund dieser Anschauung ist vor allem Ps 16,10 , wie er u. a. in Apg 2,27  zitiert wird: „noch lässt du deinen Frommen die Verwesung schauen.“[2]

Das Phänomen einer natürlichen Mumifikation ist auch unabhängig von einer religiösen Verehrung der Verstorbenen zu beobachten, Beispiele hierfür sind der Ritter von Kahlbutz und die Mumien im Bremer Bleikeller.

Römisch-katholische Kirche

In der römisch-katholischen Kirche wird die Unverweslichkeit seit dem Mittelalter als göttliches Zeichen betrachtet.[3] Als ein für die Heiligsprechung relevantes Wunder gilt Unverweslichkeit jedoch nicht.

Ein Beispiel für eine von Menschenhand geschaffene Mumifizierung ist der unverweste Leichnam des heiligen Papstes Johannes XXIII., der durch chemische Verfahren konserviert wurde und durch den Luftabschluss in einem dreifach versiegelten Sarg bis heute überdauert.

Seit dem 19. Jahrhundert wird versucht, Unverweslichkeit mit wissenschaftlichen Mitteln von natürlichen und künstlichen Mumifizierungen zu unterscheiden. Bei einigen der unverweslichen Leichname, die sich in Reliquienschreinen befinden, sind Gesicht und Hände mit Wachsnachbildungen bedeckt, beispielsweise bei der heiligen Bernadette. Das Gesicht von Padre Pio wird von einer Silikonmaske verdeckt, die auch die buschigen Augenbrauen und den Bart nachbildet.[4][5] Diese Maske wurde nach einer Fotografie des Leichnams von Pater Pio aus dem Jahre 1968 von dem Londoner Gems-Studio hergestellt, das gewöhnlich für Wachsfigurenkabinette und Völkerkundemuseen tätig ist.[6]

Orthodoxe Kirche

Auch in den orthodoxen Kirchen ist bei einer beträchtlichen Anzahl von Heiligen deren Unverweslichkeit Bestandteil der Verehrung. Verschiedene Legenden erzählen von der wunderhaften Auffindung solcher Reliquien.

Beispiele

Orthodoxe Tradition

Reliquien der hll. Antonius, Johannes und Eustathius in der orthodoxen Kirche Heilig Geist in Vilnius

Römisch-katholische Tradition

Die heilige Bernadette Soubirous in der Kapelle des Klosters Saint-Gildard, Nevers

Bildergalerie

Literatur

  • Arnold Angenendt: Corpus incorruptum. Eine Leitidee der mittelalterlichen Reliquienverehrung. In: Saeculum. Bd. 42, Nr. 3/4, 1991, S. 320–348.
  • Joan Carroll Cruz: The Incorruptibles: A Study of the Incorruption of the Bodies of Various Catholic Saints and Beati. Rockford (Illinois) 1977, ISBN 978-0895550668
  • Marco Frenschkowski: Die Unverweslichkeit der Heiligen und der Vampire: Eine Studie über kulturelle Ambivalenz. In: Christoph Augustynowicz, Ursula Reber (Hrsg.): Vampirglaube und magia posthuma im Diskurs der Habsburgermonarchie. Lit, Wien u. a. 2011, ISBN 978-3-643-50320-6, S. 53–68

Einzelnachweise

  1. Joan Carroll Cruz, The Incorruptibles: A Study of the Incorruption of the Bodies of Various Catholic Saints and Beati, Tan Books, Charlotte, 2012
  2. Bei Luthers Übersetzung von griech. „hosios“ (eigentlich „fromm“) mit „Heiliger“ – so auch in der King-James-Bibel: “neither wilt thou suffer thine Holy One to see corruption” – spielt die Vulgatafassung des Psalmworts eine Rolle: „non dabis sanctum tuum videre corruptionem“.
  3. Arnold Angenendt: Geschichte der Religiosität im Mittelalter. Primus-Verlag, Darmstadt, 2., überarb. Aufl. 2000, ISBN 3-89678-172-3, S. 692.
  4. Body of saint Padre Pio exhumed, on display in Italy. Los Angeles Times, 25. April 2008, abgerufen am 25. Juni 2011.
  5. Thousands queue to see corpse of Padre Pio. The Independent, 25. April 2008, abgerufen am 25. Juni 2011.
  6. Urte Krass: Kontrollierter Gesichtsverlust. Padre Pio und die Fotografie. In: Zeitschrift für Ideengeschichte, Heft IV/2 (2010), S. 95 f.
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