Unabhängige Patientenberatung Deutschland
Die Unabhängige Patientenberatung Deutschland gemeinnützige GmbH (UPD) dient der Verbraucher- und Patientenberatung, unabhängig davon, ob Ratsuchende gesetzlich, privat oder nicht krankenversichert sind.
Geschichte
Die UPD wurde seit dem 1. Januar 2000 als Modellvorhaben gemäß § 65b des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) betrieben.[1] Seit dem 1. Januar 2011 wurde die Regelversorgung aufgenommen (Reform durch das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz, AMNOG).[2] Bis zur Klärung der weiteren Trägerschaft im Januar 2011 erfolgte eine Beratung nur in Ausnahmefällen. Nachdem bei einer europaweiten Ausschreibung der Zuschlag erfolgt war, wurde die kostenlose Beratungs-Hotline wieder freigeschaltet.
Finanziert wird die Organisation gemäß § 65b SGB V vom GKV-Spitzenverband über eine Umlage der Beiträge der Kassenmitglieder. Das Modellvorhaben war auf einen Zeitraum von vier Jahren angelegt und bis Ende 2010 befristet. Laut Helga Kühn-Mengel, Patientenbeauftragte der Bundesregierung, war das Ziel des Modellvorhabens, „ein von Kassen und Leistungserbringern unabhängiges Beratungs- und Informationsangebot als Regelleistung aufzubauen“.[3] Dieses Ziel ist durch § 65b SGB V vorgegeben.
Offiziell nahm die Organisation am 30. Januar 2007 ihre Arbeit auf. Träger des Modellverbunds und Gesellschafter der im Jahr 2006 gegründeten Unabhängigen Patientenberatung Deutschland UPD gemeinnützige GmbH waren der Sozialverband VdK Deutschland e.V., der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv) und der Verbund unabhängige Patientenberatung (VuP) e.V.
Bis 31. Dezember 2010 befasste sich die UPD mit mehr als 250.000 Fällen. Nach Auslaufen des Modellprojektes am 31. Dezember 2010 und Übergang zur Regelleistung durch die genannte Gesetzesänderung wurde die Trägerschaft des UPD neu vergeben. Der GKV-Spitzenverband traf die Entscheidung am 27. Januar 2011 nach europaweiter Ausschreibung unter Mitwirkung der Patientenbeauftragten der Bundesregierung und einem Beirat aus betroffenen Ministerien, Patientenorganisationen, Wissenschaftlern und privaten Krankenversicherungen.[4] Eine Beteiligung privater Krankenversicherer ist nur gegen Beteiligung an den Fördermitteln des UPD möglich.[2] Danach wurde die UPD von der Bietergemeinschaft der vorherigen Träger fortgeführt.[5]
Zur Förderung der Patientenberatung stehen seit 2000 nahezu unverändert jährlich 5,2 Millionen Euro für ihren Betrieb zur Verfügung. Seit 1. Januar 2011 umfasst diese Summe auch die wissenschaftliche Begleitforschung. Neben der Gesetzlichen Krankenversicherung wird sich ab dann auch die Private Krankenversicherung beteiligen.[4] Seit 1. Januar 2011 ist eine jährliche Anpassung der Fördermittel in Höhe der jährlichen Steigerung der Durchschnittsentgelte nach § 18 Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch vorgesehen.[2]
Seit 1. Januar 2016 übernimmt der Gesundheitsdienstleister Sanvartis die Beratung von Kassen- und Privatpatienten.[6][7]
Struktur und Leistungen
Zweck der unabhängigen Patientenberatung ist die gesundheitliche Information, Beratung und Aufklärung in gesundheitlichen und gesundheitsrechtlichen Fragen. Die Beratungsleistungen sind für Ratsuchende kostenfrei. Dabei wird nicht unterschieden, ob diese gesetzlich, privat oder nicht krankenversichert sind.
Die Leistungen der UPD sollen laut der neuen Fassung von § 65 b SGB V qualitätsgesichert sein und das Ziel haben, die Patientenorientierung im Gesundheitswesen zu stärken und Problemlagen im Gesundheitssystem aufzuzeigen. Damit die Neutralität und Unabhängigkeit der UPD gewahrt ist, darf laut Gesetz der Spitzenverband Bund der Krankenkassen auf die Beratungstätigkeit keinen Einfluss nehmen. Eine Einrichtung zur Verbraucher- oder Patientenberatung muss demnach ihre Neutralität und Unabhängigkeit nachweisen, um finanziell gefördert werden zu können.
Unternehmenssitz ist Berlin. Die UPD verfügt über 30 regionale Beratungsstellen,[8] ein bundesweit kostenfreies Beratungstelefon und eine Online-Beratung im Internet. Außerdem fahren drei Beratungsmobile durch weitere 100 Städte in Deutschland und decken darüber hinaus weitere Beratungsorte ab.[8] Dort werden Ratsuchende zu Gesundheits-, zivil- und sozialrechtlichen sowie psychosozialen Fragen beraten und informiert. Darüber hinaus bestehen überregionale Beratungsangebote zu spezifischen Themen, beispielsweise Arzneimittelberatung, zahnmedizinische Kompetenzzentren, Online-Beratung zu Essstörungen und Krebsinformationsdienst.
Seit dem 15. Februar 2011 wird zusätzlich eine Beratung auf Türkisch und Russisch für Patienten mit Migrationshintergrund angeboten, die von der privaten Krankenversicherung finanziert wird. Die muttersprachliche Beratung in diesen beiden Sprachen ist ebenfalls über zwei bundesweite, kostenlose Hotlinenummern möglich.
Partner
Die UPD ist seit November 2020 Fördermitglied des Deutschen Netzwerks Gesundheitskompetenz e. V.[9]
Kritik
Wegen der Übernahme von der Beratung für Kassen- und Privatpatienten durch den Gesundheitsdienstleister Sanvartis zum 1. Januar 2016 befürchten Kritiker einen Verlust der Unabhängigkeit der Beratung durch die UPD,[10][6][7] da Sanvartis auch für Krankenkassen tätig ist.[11] Dieser Kritik wurde mit der Ankündigung begegnet, dass für die UPD die eigenständige und gemeinnützige Tochterfirma Sanvartis GmbH gegründet wird.[12]
Am 21. September 2015 traten aus Protest zwei Mitglieder aus dem wissenschaftlichen Beirat der Patientenberatung (Marie-Luise Dierks und Rolf Rosenbrock) zurück.[13][14]
Im August 2018 wurde bekannt, dass Sanvartis einschließlich der UPD gGmbH verkauft worden sind. Alle Unternehmen gehören nunmehr der neu gegründeten Sanvartis Careforce Holding GmbH mit Sitz in Duisburg. Die GmbH hat die gesamte Careforce-Gruppe übernommen. Der Verbund unabhängige Patientenberatung (VuP) kritisierte, durch den Verkauf sei eine „unabhängige Patientenberatung … zur Farce“ geworden, „private Investoren bereichern sich an Fördergeldern für die Patientenberatung und die Gemeinnützigkeit der UPD“ stehe infrage. Careforce rekrutiere und qualifiziere vornehmlich Pharmareferenten. Das Bundesministerium für Gesundheit und der GKV-Spitzenverband verwiesen dagegen auf die geschlossenen Verträge. Diese seien auch nach dem Verkauf unverändert einzuhalten.[15] Eine Einflussnahme der Pharmaindustrie auf die Beratungstätigkeit sei einem Prognos-Bericht zufolge bisher nicht feststellbar, die vorgesehene Zahl an Beratungen je Zeitabschnitt sei aber nicht erfüllt worden. Deshalb berichtete Der Spiegel im September 2018 darüber, im Beirat der Patientenberatung werde über eine Neuvergabe an einen anderen Träger nachgedacht.[16] Anfang 2021 nennt ein Gutachten im Auftrag der Bundesregierung fünf mögliche Rahmenbedingungen für eine Weiterentwicklung der UPD.[17] Anstatt der für 2021 anstehenden Neuausschreibung des Betreibers wurden Sanvartis im Rahmen einer Übergangslösung Fördergelder für ein zusätzliches Jahr gewährt. Der Bundesrechnungshof kritisierte zudem, dass mehr als 20 Mio. Euro, nahezu ein Drittel der ursprünglichen Fördersumme, direkt an Sanvartis und ihr angeschlossene Firmen geflossen sei.[18]
Literatur
- Unabhängige Patientenberatung: Modellverbund gestartet. In: Deutsches Ärzteblatt Online. 30. Januar 2007 (aerzteblatt.de [abgerufen am 22. September 2018]).
- Cornelia Schmergal: Verrat am Patienten. Die Unabhängige Patientenberatung geriet in das Reich eines Pharmadienstleisters. In: Der Spiegel. Nr. 39, 22. September 2018, S. 75.
- Greta Taubert: ...fragen Sie Ihren Arzt oder die Patientenberatung. In: Berliner Zeitung. 31. Januar 2007, abgerufen am 4. September 2015.
- Erneut Streit um Unabhängige Patientenberatung. In: Deutsches Ärzteblatt Online. 30. August 2018 (aerzteblatt.de [abgerufen am 22. September 2018]).
Weblinks
Einzelnachweise
- Artikel 1 G. v. 22. Dezember 1999 (BGBl. I S. 2626)
- Änderungen des § 65b SGB V durch das AMNOG
- Erklärung der Beauftragten der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten vom 22. Juli 2008 zur UPD
- Streit mit Kasse oder Arzt: Manchmal ist unabhängiger Rat sinnvoll, dpa-Meldung vom 5. Januar 2011 (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Presseerklärung vom 27. Januar 2011 (PDF; 169 kB)
- Sanvartis erhält Zuschlag Ärzte-Zeitung-online vom 18. September 2015
- BAGP PM zur Vergabeentscheidung (Meldung vom 21. September 2015)
- Vor-Ort-Beratung. Abgerufen am 22. September 2018.
- Unabhängige Patientenberatung Deutschland beteiligt sich als Fördermitglied am Deutschen Netzwerk Gesundheitskompetenz. UPD, 24. November 2020, abgerufen am 2. Februar 2021.
- Privatfirma übernimmt Patientenberatung: Streit um Unabhängigkeit
- Patientenberatung: Ab 2016 in neuen Händen. Stiftung Warentest vom 5. Oktober 2015.
- Unabhängige Patientenberatung geht an Sanvartis in Duisburg. Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) vom 11. September 2015.
- Rücktritte aus Protest gegen Sanvartis
- Rücktrittsschreiben an den Patientenbeauftragten der Bundesregierung Herrn Karl Josef Laumann.pdf (Memento des Originals vom 8. Dezember 2015 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Erneut Streit um Unabhängige Patientenberatung. In: Deutsches Ärzteblatt Online. 30. August 2018 (aerzteblatt.de [abgerufen am 22. September 2018]).
- Cornelia Schmergal: Verrat am Patienten. Die Unabhängige Patientenberatung geriet in das Reich eines Pharmadienstleisters. In: Der Spiegel. Nr. 39, 22. September 2018, S. 75.
- Nicola Kuhrt: Wie unabhängig darf sie in Zukunft sein? MedWatch (Online-Magazin), 4. März 2021, abgerufen am 6. März 2021.
- Wer nicht fragt, bleibt dumm. In SoVD Zeitung – Soziales im Blick, Nr. 6/2021, S. 4