Udo Knapp
Udo Knapp (* 5. Mai 1945 in Altenburg) ist ein deutscher Politologe und Politiker. Er war der letzte Vorsitzende des SDS.Zuletzt arbeitete er als Publizist u. a. für die taz.[1]
Anfänge
Udo Knapp wurde in Altenburg (Thüringen), geboren. 1960 verließ die Familie die DDR und zog nach Hannover. Nach dem Abitur studierte er von 1966 bis 1972 Politikwissenschaft an der Freien Universität in Berlin. Ab 1972 arbeitete er als Sachbearbeiter beim Bezirksamt Spandau in der Jugendförderung. Mit seinem Kollegen Götz Aly wurde er an der Freien Universität mit einer gemeinsamen, umstrittenen Dissertation promoviert,[2][3] die sich mit den fragwürdigen Tätigkeiten der kommunalen Jugendfreizeitarbeit Spandaus befasste.
Politik und Ämter
Knapp wechselte mehrmals die Partei; er engagierte sich zunächst im SDS in West-Berlin, wo er es zum SDS-Vorsitzenden brachte. Er stand dem SDS bis zur Selbstauflösung der Organisation 1970 vor. Knapp wurde 1969 parallel Vorreiter und am OSI Mitglied der Rote-Zellen-Bewegung. Übergeordnet steuerte er in der Parteiinitiative PL/LI (Proletarische Linke/Parteiinitiative) eine Bewegung von Studierenden, deren Mitglieder sich zu mindestens einem halben Jahr Lohnarbeit in einem Betrieb verpflichteten. Die PL/PI war damit bis 1975 unmittelbarer Gegner des KSV und dessen KPD/AO. Er wurde Mitarbeiter im Bezirksamt Spandau, dort aber entlassen, als er bei der Trauerfeier für ein RAF-Opfer sitzenblieb. »Natürlich habe ich diesen Mord abgelehnt, ich habe mich vom Terror distanziert, aber Staatstrauer wollte ich mir nicht verordnen lassen. Das ging mit mir nicht.«[4]
Udo Knapp war Mitglied der ÖTV und in den 1980er Jahren bei der Partei Die Grünen zunächst ab 1984 Assistent für deren Abgeordnete Hans-Christian Ströbele, Waltraud Schoppe sowie für die Fraktionsvorsitzenden der "Grünen" im Bundestag. Mit dem Parteiübertritt seines letzten Chefs, des Grünen-Abgeordneten Otto Schily, wechselte Knapp ebenfalls zur SPD. 1990 ging er in die noch existierende DDR zurück und wurde nach einer misslungenen Landtagskandidatur in Sachsen-Anhalt Dezernent in Wolgast.[5]
Ab 1994 war er für die SPD stellvertretender Landrat der Insel Rügen, bis er 1996 abgewählt wurde.[6] Er stellte sich gegen den massentourismusförderlichen Neubau einer vierspurigen Brücke auf die Insel.[7] Er wurde Abteilungsleiter der Hochschulabteilung im Schweriner Bildungsministerium unter Regine Marquardt, 2002/03 im Finanzministerium und blieb Fraktionsvorsitzender der SPD-Fraktion in Sassnitz.[8] Danach arbeitete er unter Minister Tiefensee für den Aufbau Ost im Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen.[9] Auf Initiative Knapps, der für den „Beauftragten der Bundesregierung für die Neuen Bundesländer“ tätig war, konstituierte sich der „Runde Tisch“ am 4. Juli 2008 als „Runder Tisch Produktionsschulen in den Neuen Ländern“ im BMVBS in Berlin.[10]
Positionen
Knapp verfasste zahlreiche Positionspapiere und politische Dokumente und arbeitet als Journalist.
Im August 2019 warf er den Ostdeutschen vor, am Umsturz der SED unbeteiligt gewesen zu sein und sich in zwei Diktaturen mehrheitlich angepasst verhalten zu haben.[11] Ilko-Sascha Kowalczuk entgegnete ihm, Altlinke wie Knapp hätten bis 1989 sich für die DDR vor ihrer Haustür überhaupt nicht interessiert.[12]
Vor dem Hintergrund des Streiks im öffentlichen Dienst im Jahr 2020 warf Knapp ver.di und anderen Gewerkschaften vor, „reine[n] Lohnmaschinen“ zu sein und kritisierte insbesondere den damaligen Ausstand.[13] Seitens ver.di wurden seine Anschuldigungen zurückgewiesen und als Ausdruck einer Austeritätspolitik interpretiert.[14]
Schriften
- mit Götz Aly: Staatliche Jugendpflege und Lebensbedürfnisse von Jugendlichen. Eine kritische Analyse der Arbeit des Amtes für Jugendpflege (Jug VI) der Abteilung Jugend und Sport des Bezirksamts Spandau von Berlin in den Jahren 1972–1977. Dissertation an der FU Berlin 1978, gemeinsam mit Götz Aly: S. 3–154, Udo Knapp S. 155–295).
- Das Wagnis. Ökologische Realpolitik: pragmatisch, staatsfern, mehrheitsbewußt, grün. Eichborn, Frankfurt am Main 1991, ISBN 3-8218-0455-6.
Einzelnachweise
- taz. die tageszeitung: Der Kommentar von Udo Knapp - taz.de. Abgerufen am 10. Juni 2021.
- in: Cicero online vom 20. Oktober 2012
- vgl. Gunnar Hinck: "Dissertation Götz Aly / Udo Knapp (Memento vom 14. Oktober 2013 im Internet Archive) (PDF; 70 kB)
- Redaktion neues deutschland: »Ich sage halt laut, was Sache ist.« (neues deutschland). Abgerufen am 10. Juni 2021.
- Redaktion neues deutschland: »Ich sage halt laut, was Sache ist.« (neues deutschland). Abgerufen am 10. Juni 2021.
- 6. September 1996: Die Zeit-online über die Abwahl Knapps durch einen roten Filz
- DER SPIEGEL: Arm, leer und schön. Abgerufen am 11. Juni 2021.
- WELT: Gesetzestreue bleibt ein Fremdwort. In: DIE WELT. 30. Januar 2000 (welt.de [abgerufen am 10. Juni 2021]).
- Uwe Müller: Die Angst des Ministers Tiefensee vor dem entvölkerten Osten. In: DIE WELT. 26. Juni 2009 (welt.de [abgerufen am 10. Juni 2021]).
- Jörg Meier u. a.: Die Produktionsschulen in MV. 2015, S. 13 (uebergangschuleberuf.de [PDF]).
- Udo Knapp: Ostdeutschland und die AfD: Mythos Revolution. In: Die Tageszeitung: taz. 6. August 2019, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 11. Juni 2021]).
- Ilko-Sascha Kowalczuk: debatte: Die Revolution war real. In: Die Tageszeitung: taz. 9. August 2019, ISSN 0931-9085, S. 12 (taz.de [abgerufen am 11. Juni 2021]).
- Udo Knapp: Verdi muss verzichten! Auf taz.de, abgerufen am 23. September 2021
- Guillaume Paoli: Prediger des Verzichts. In ver.di Publik 7/2020, S. 15