Tschebyschow-Polynom
Tschebyschow-Polynome erster Art und zweiter Art sind Folgen orthogonaler Polynome, die bedeutende Anwendungen in der Polynominterpolation, in der Filtertechnik und in anderen Gebieten der Mathematik haben. Sie sind benannt nach Pafnuti Lwowitsch Tschebyschow, dessen Name in der Literatur auch als Tschebyscheff, Tschebycheff, Tschebyschew, Tschebyschev, Chebyshev oder Chebychev transkribiert wird.
Tschebyschow-Polynome erster Art sind Lösung der Tschebyschow-Differentialgleichung
und Tschebyschow-Polynome zweiter Art sind Lösung von
Beide Differentialgleichungen sind spezielle Fälle der Sturm-Liouvilleschen Differentialgleichung.
Tschebyschow-Polynome erster Art
Definition
Die Funktionen
und
bilden ein Fundamentalsystem für die Tschebyschow-Differentialgleichung.
Für ganzzahlige bricht jeweils eine dieser Reihen nach endlich vielen Gliedern ab, für gerade und für ungerade , und man erhält Polynome als Lösung. Mit der Normierung werden diese als Tschebyschow-Polynome bezeichnet. Die ersten neun Polynome dieser Art sind:
Eigenschaften
Rekursionsformeln der Tschebyschow-Polynome:
und
Mit Hilfe der trigonometrischen Funktionen bzw. der Hyperbelfunktionen sind die Tschebyschow-Polynome darstellbar als
oder
und auch
- .[1]
Die Nullstellen des Tschebyschow-Polynoms sind gegeben durch
Daraus ergibt sich die faktorisierte Darstellung der Tschebyschow-Polynome
Die relativen Extrema von liegen bei
und haben abwechselnd die Werte 1 und −1.
Tschebyschow-Polynome sind im geschlossenen Intervall orthogonal bezüglich des gewichteten Skalarproduktes
Man kann sich diese daher auch über das Gram-Schmidtsche Orthogonalisierungsverfahren (mit Normierung) herleiten.
Anwendungen
In der Filtertechnik werden die Tschebyschow-Polynome bei den Tschebyscheff-Filtern verwendet. Bei der Polynominterpolation zeichnen sich diese Polynome durch einen sehr günstigen, gleichmäßigen Fehlerverlauf aus. Dazu sind als Interpolationsstellen die geeignet verschobenen Nullstellen des Tschebyschow-Polynoms passenden Grades zu verwenden. Wegen ihrer Minimalität bilden sie auch die Grundlage für die Tschebyschow-Iteration und für Fehlerschranken bei Krylow-Unterraum-Verfahren für Lineare Gleichungssysteme.
Tschebyschow-Polynome zweiter Art
Auch die Tschebyschow-Polynome zweiter Art werden über eine rekursive Bildungsvorschrift definiert:
bemerkenswerterweise mit derselben Rekursionsbeziehung wie die . Und diese Rekursionsbeziehung gilt mit
auch für .
Die erzeugende Funktion für ist:
Die ersten acht Polynome dieser Art sind:
Mit Hilfe der trigonometrischen Funktionen sind die Tschebyschow-Polynome zweiter Art zunächst nur für darstellbar als
wegen der stetigen Hebbarkeit an diesen Stellen aber für alle . Diese Formel hat große strukturelle Ähnlichkeit zum Dirichlet-Kern :
Nimmt man Hyperbelfunktionen mit hinzu, dann ist für
Tschebyschow-Polynome sind im abgeschlossenen Intervall orthogonal bezüglich des gewichteten Skalarproduktes
Historie
Erstmals veröffentlichte Tschebyschow seine Untersuchungen zu den Tschebyschow-Polynomen 1859 und 1881[2] in folgenden Aufsätzen:
- Sur les questions de minima qui se rattachent a la représentation approximative des fonctions. Oeuvres Band I, 1859, S. 273–378.
- Sur les fonctions qui s'écartent peu de zéro pour certaines valeurs de la variable. Oeuvres Band II, 1881, S. 335–356.
Clenshaw-Algorithmus
In der numerischen Mathematik werden Linearkombinationen von Tschebyschow-Polynomen mit dem Clenshaw-Algorithmus ausgewertet.
Literatur
- Il'ja N, Bronstein, Konstantin A. Semendjajew, Gerhard Musiol, Heiner Mühlig: Taschenbuch der Mathematik. 5., überarbeitete und erweiterte Auflage, unveränderter Nachdruck. Verlag Harri Deutsch, Thun u. a. 2001, ISBN 3-8171-2005-2.
Weblinks
- Eric W. Weisstein: Chebyshev Polynomial of the First Kind. In: MathWorld (englisch).
- Eric W. Weisstein: Chebyshev Polynomial of the Second Kind. In: MathWorld (englisch).
Einzelnachweise
- Leçons sur l'approximation des fonctions d'une variable réelle. Gauthier-Villars, Paris 1919, 1952, S. 64.
- Elliot Ward Cheney: Introduction to Approximation Theory. McGraw-Hill Book Company, 1966, ISBN 0-07-010757-2, S. 225.