Trudi Gerster
Trudi Gerster (* 6. September 1919 in St. Gallen; † 27. April 2013 in Basel[1]) war eine Schweizer Schauspielerin, Märchenerzählerin und Politikerin.
Leben
Trudi Gerster verbrachte ihre Kindheit und Jugend in der Ostschweizer Kantonshauptstadt St. Gallen. Ihr Vater, Gottlieb Gerster, der Mitgründer der Büchergilde Gutenberg war, führte Trudi schon früh in die Welt der Bücher und des Erzählens ein, jedoch sagte Gerster im Dokumentationsfilm "Die Märchenkönigin" (2009), dass ihr als Kind niemals Geschichten erzählt wurden.
Gerster absolvierte 1939/40 die Schauspielschule Zürich und nahm Privatunterricht unter anderem bei Ernst Ginsberg. An der Schweizerischen Landesausstellung 1939 hatte sie ihr erstes Engagement als Märchenerzählerin im Kinderparadies. Ab 1940 bis zur Geburt ihrer Kinder war sie am Stadttheater St. Gallen engagiert, unter anderem als Gretchen in Goethes Faust. Ab 1945 war sie freie Schauspielerin. Daneben verfasste Gerster mehrere Kinderbücher in Zusammenarbeit mit ihrem Sohn Andreas Jenny, der die Bücher illustrierte und dessen Frau Verena, die eigene Geschichten beisteuerte. Das erfolgreichste Buch ist bis heute "Schweizer Märchen" von 1992. Ab 1940 erzählte sie regelmässig Geschichten im Kinderprogramm von Schweizer Radio DRS, was sie bis ins hohe Alter weiterführte.
Als Märchenerzählerin begleitete Trudi Gerster drei Generationen von Schweizern während ihrer Kindheit. Ihre unverkennbare Stimme ist auf unzähligen Aufnahmen zu hören, die von den klassischen Märchen der Brüder Grimm und Andersens Märchen bis hin zu Volksmärchen und Sagen der unterschiedlichsten Ländern, führen. Viele ihrer Tonträger wurden mit dem Goldig Chrönli, dem wichtigsten Kinderhörspiel-Preis der Deutschschweiz, ausgezeichnet. 1998 wurde sie zur beliebtesten Kulturschaffenden der Schweiz gewählt und 2005 erhielt sie den Ehren-Prix Walo[2] für ihr Lebenswerk. 2009 wurde sie von den Filmemachern Barbara Zürcher und Angelo A. Lüdin mit der Hommage «Die Märchenkönigin» gewürdigt. Der Film zeichnete das Bild einer stolzen Künstlerin, Matriarchin und klugen Frau.[3] Nach ihrem Tod widmete ihr das Landesmuseum Zürich einen eigenen Raum in der Ausstellung Märchen, Magie und Trudi Gerster vom 10. Januar bis 11. Mai 2014.[4][5]
1968 wurde sie als eine der ersten Frauen in ein schweizerisches Parlament gewählt. Sie sass bis 1980 im Grossen Rat des Kantons Basel-Stadt, anfangs als Parteilose, später als Vertreterin des Landesrings der Unabhängigen. Sie setzte sich für Kulturförderung (unter anderem für das Basler Kindertheater), für Frauenrechte, gegen neue Atomkraftwerke und für den Umweltschutz ein. Gerster war Vorstandsmitglied der Basler Sektion des Heimatschutzes.
Gerster war zweimal verheiratet und hatte eine Tochter, Esther Jenny-Keshava, und einen Sohn, Andreas Jenny, aus erster Ehe.[6][7] Sie lebte in Basel, wo sie im Alter von 93 Jahren starb.[1]
Basel-Stadt ehrte Trudi Gersters 100. Geburtstag mit einem Kultur-Stadtrundgang. «Auf den Spuren von Trudi Gerster durch ihre Stadt».[8] Ausserdem gibt es seit Ende 2013 in der Geburtsstadt Gersters St. Gallen sechs Märchenstationen auf verschiedenen Spielplätzen der Stadt, die das Hören von sechs Geschichten, per QR-Code, ermöglicht.
Werke (Auswahl)
Erzählungen
- Trudi Gerster erzählt – Edition erlebt und erinnert (2010)
- Weihnachtsgeschichten (2002)
- Wie der Elefant zum Rüssel kam (2001)
- Zauberhexen – Hexenzauber (1999)
- Drachengeschichten (1998)
- Schweizer Märchen (1990)
- Wie der Elefant zum Rüssel kam (1986)
- Vom dummen, dummen Negerlein: Eine lustige Geschichte (1960)
- 100 Jahre Trudi Gerster – Das Märchenbuch (2019)[9]
Filmografie
- Lüthi und Blanc (TV-Soap, 2005)
- Geld oder Leben (Kinofilm, 2008)[10]
- Trudi Gerster – Die Märchenkönigin (Kinofilm, 2009)[11][12]
Literatur
- Trudi Gerster. In: Andreas Kotte (Hrsg.): Theaterlexikon der Schweiz. Band 1, Chronos, Zürich 2005, ISBN 3-0340-0715-9, S. 699.
- Hansruedi Lerch: Gerster, Trudi. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
- Franziska Schläpfer: Trudi Gerster. Ein facettenreiches Leben. Stämpfli, Bern 2016, ISBN 978-3-7272-1464-6.
- Ursula von Arx: Das erste Mal – Zum Märchen geboren? (Memento vom 16. September 2012 im Internet Archive), Interview mit Trudi Gerster, NZZ Folio, 5/2000.
Nachrufe
- Dana Gablinger, Fabian Zürcher: «Sie wusste, dass ihre Zeit gekommen war.» In: Blick vom 29. April 2013.
- Sieglinde Geisel: Trudi Gerster im Alter von 93 Jahren gestorben. In: Neue Zürcher Zeitung vom 28. April 2013.
- Simone Meier: Die gute Fee. In: Tages-Anzeiger vom 29. April 2013.
Weblinks
- Publikationen von und über Trudi Gerster im Katalog Helveticat der Schweizerischen Nationalbibliothek
- Literatur von und über Trudi Gerster im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Trudi Gerster in der Internet Movie Database (englisch)
- Website von Trudi Gerster
- Ein Leben für die Märchen – in Gedenken an Trudi Gerster. In: SRF 1 vom 28. April 2013 (mit Video- und Tonmaterial).
- Trudi Gerster erzählt: Autobiografisches Hörbuch aus der Edition erlebt und erinnert
Einzelnachweise
- Die «Märlikönigin» Trudi Gerster ist tot, Tages-Anzeiger/Newsnet, 28. April 2013, abgerufen am 28. April 2013.
- Ehren Prix Walo
- Trudi Gerster ist gestorben. In: Neue Zürcher Zeitung vom 28. April 2013.
- Das Landesmuseum verwandelt sich zum Märchenschloss. In: Der Landbote/sda vom 9. Januar 2014
- Märchen, Magie und Trudi Gerster auf der Website des Landesmuseums
- Website von Trudi Gerster
- Von Dana Gablinger: Trudi Gersters Sohn Andreas: «Meine Mutter wollte, dass alle von ihr Abschied nehmen können». 29. April 2013, abgerufen am 18. November 2020.
- 100 Jahre Trudi Gerster - «Die Bezeichnung Märlitante empfand sie als abwertend». 5. September 2019, abgerufen am 4. November 2020.
- Trudi Gerster, Märchenfee, Märchenerzählerin, Schauspieleren, Politikerin. Abgerufen am 4. November 2020.
- Web.archive.org: Geld oder Leben. Abgerufen am 26. Juli 2020
- Point de vue: Trudi Gerster – Die Märchenkönigin. Abgerufen am 26. Juli 2020
- Serge Kuhn aus Web.archive.org: Märchenkönigin schreckte Traumprinzen ab. In: Tages-Anzeiger.ch/Newsnet vom 1. September 2009. Abgerufen am 26. Juli 2020