Transitorische ischämische Attacke
Eine transitorische ischämische Attacke (TIA), in der Schweiz Streifung genannt, ist eine Durchblutungsstörung des Gehirns, welche neurologische Ausfallserscheinungen hervorruft, die sich innerhalb von einer Stunde vollständig zurückbildet. Früher wurde dieser Zeitraum mit höchstens 24 Stunden definiert.
Klassifikation nach ICD-10 | |
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G45.8 | Sonstige zerebrale transitorische Ischämie und verwandte Syndrome |
G45.9 | Zerebrale transitorische Ischämie, nicht näher bezeichnet |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
Die Definition der TIA unterliegt aktuell einer noch nicht abgeschlossenen Diskussion. Oftmals wird auch heute noch das Zeitfenster von 24 Stunden genannt, beispielsweise in der Leitlinie Schlaganfall der deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, Stand 2012.
Bildet sich die Symptomatik nicht vollständig zurück, so handelt es sich definitionsgemäß um einen ischämischen Schlaganfall (Hirninfarkt). Die TIA gilt als typischer Vorläufer eines Hirninfarkts.
Ursache
Bei Anwendung empfindlicher Untersuchungsmethoden stellt man heute fest, dass viele transitorische ischämische Attacken tatsächlich durch kleine Schlaganfälle verursacht sind, insbesondere, wenn die Symptome länger als 30 Minuten andauern. Deshalb ist auch die früher gebräuchliche Bezeichnung PRIND (Prolongiertes reversibles ischämisches neurologisches Defizit) für eine „Zwischenstufe“ zwischen TIA und Schlaganfall nicht mehr üblich, da in diesen Fällen immer ein „vollendeter“ Schlaganfall vorliegt.
Die aktuellere Bezeichnung für ein PRIND ist der Minor Stroke (Passagere Ischämie des Gehirns mit eher leichten motorischen bzw. sensiblen Ausfällen, die sich innerhalb von 7 Tagen zurückbilden).
Die Ursachen von TIA entsprechen demzufolge weitgehend denen des Schlaganfalls (siehe dort). Daneben treten TIA gelegentlich auch bei anderen Erkrankungen auf, etwa bei der Migräne (hemiplegische Migräne). Im Unterschied zum Schlaganfall treten die Ausfälle bei der Migräne jedoch nicht schlagartig und gleichzeitig auf, sondern typischerweise nacheinander. Oft wird auch trotz gründlicher Diagnostik keine Ursache für eine TIA gefunden.
Symptome
Die Symptome der TIA gleichen denen des Schlaganfalls, besonders typisch sind halbseitige Lähmungen von Arm und/oder Bein (Hemiplegie oder Hemiparese), Sprachstörungen (Aphasie), Sprechstörungen (Dysarthrie) und (eventuell halbseitige) Sehstörungen (flüchtige Erblindung). Eine TIA dauert definitionsgemäß nicht länger als eine Stunde; bis dahin haben sich alle Symptome zurückgebildet.
Die Diagnostik der TIA ist aber nicht nur durch die kurze Dauer der Symptome, sondern auch durch mehrere mögliche Differentialdiagnosen erschwert. Meist sind die Symptome bei Einlieferung ins Krankenhaus schon abgeklungen und auch bildgebende Verfahren können keine eindeutige Diagnose liefern, wobei das MRT mit Diffusionsgewichtung (50 % Sensitivität) die beste Untersuchung darstellt.
Therapie
Im Akutstadium (solange die Symptome noch bestehen) kann zwischen einer TIA und einem Schlaganfall nicht unterschieden werden. Die Akutbehandlung muss sich deshalb am Vorgehen beim Schlaganfall orientieren; insbesondere ist eine rasche Diagnose zwingend, die deshalb vorzugsweise in einer Stroke Unit erfolgen sollte.[1]
Im weiteren Verlauf (nach Abklingen der Symptome) ist besonders darauf zu achten, dass transitorische ischämische Attacken häufig als Vorboten eines „großen“ Schlaganfalls auftreten, bei 10–30 % der Betroffenen folgt ein solcher innerhalb der nächsten 5 Jahre. Dies gilt besonders in den ersten drei Tagen nach einer TIA, bei einer Symptomdauer von über zehn Minuten und bei Patienten, die älter als 60 Jahre sind. Zur Risikoabschätzung kann der ABCD2-Score nützlich sein.[2] Patienten mit Lähmungen oder Sprachstörungen sind gefährdeter als solche mit Sehstörungen. Einige der Ursachen von TIA und Schlaganfall können mit Erfolg behandelt werden. So werden z. B. gerinnungshemmende Medikamente bei Vorhofflimmern bzw. Arteriosklerose der Halsschlagader eingesetzt. Bei hochgradigen Verengungen der hirnversorgenden Gefäße kann die Durchblutung mit einer Operation wieder verbessert werden. Bei Patienten nach TIA sind diese Behandlungsmaßnahmen oft besonders nützlich, da sie unbehandelt ein erhöhtes Schlaganfallrisiko aufweisen.
Eine Pilotstudie in den Vereinigten Staaten, bei der Patienten durch Einbringen eines Gefäßstents nach einer TIA vor einem Schlaganfall geschützt werden sollten, wurde aufgrund dreifach erhöhten Schlaganfallrisikos in der Rekrutierungsphase 2015 abgebrochen.[3]
Literatur
- S1-Leitlinie Akuttherapie des ischämischen Schlaganfalls der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. In: AWMF online (Stand 09/2012)
- S3-Leitlinie Primär- und Sekundärprävention der zerebralen Ischämie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. In: AWMF online (Stand 10/2008)
- S3-Leitlinie Schlaganfall der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. In: AWMF online (Stand 10/2012)
- S3-Leitlinie Sekundärprophylaxe des ischämischen Insults der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, Stand 09/2012.
- Reinhard Larsen: Anästhesie und Intensivmedizin in Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie. (1. Auflage 1986) 5. Auflage. Springer, Berlin/Heidelberg/New York u. a. 1999, ISBN 3-540-65024-5, s. 437 f.
Einzelnachweise
- Auch bei TIA rasche Behandlung auf Stroke Unit nötig. In: Deutsches Ärzteblatt. 9. Mai 2016, abgerufen am 15. November 2018.
- J. P. Kistler u. a.: Initial evaluation and management of transient ischemic attack and minor stroke. In: UpToDate. Version 19.2, May 2011.Volltext (kostenpflichtig)
- O. O. Zaidat, B. Fitzsimmons, B. Woodward u. a.: Effect of a Balloon-Expandable Intracranial Stent vs Medical Therapy on Risk of Stroke in Patients With Symptomatic Intracranial Stenosis: The VISSIT Randomized Clinical Trial. In: JAMA. 2015;313(12), S. 1240–1248. doi:10.1001/jama.2015.1693