Torre degli Asinelli
Der Torre degli Asinelli (Tårr di Aṡnîla, Tårr Lónga oder l’Aṡnèla im Bologneser Dialekt) ist einer der sogenannten due torri (dt.: zwei Türme) von Bologna in der italienischen Region Emilia-Romagna, ein Symbol der Stadt. Er steht an der Piazza di Porta Ravegnana, an der Kreuzung der alten Straßen San Donato (heute Via Zamboni), Via San Vitale, Strada Maggiore und Via Castiglione. Der der Sage nach zwischen 1109 und 1119 für den Adligen Gherardo Asinelli errichtete Geschlechterturm ist 97,2 Meter hoch und um 2,23 Meter nach Westen geneigt; er hat eine Treppe mit 498 Stufen.[1]
Geschichte
Man kann heute nicht mehr mit Sicherheit sagen, wer wann den Turm für die Asinellis gebaut hat. Man nimmt an, das er seinen Namen Gherardo Asinelli verdankt, der edle Ritter der ghibellinischer Fraktion, dem der Bau zugeschrieben wird, der der Sage nach am 11. Oktober 1109 begann und 10 Jahre später, 1119, endete.[2] Eine Möglichkeit der Datierung auf die zweite Hälfte des 11. Jahrhunderts bot dagegen eine Thermoluminiszenzkampagne, die an den Ziegeln am Fuß des Gebäudes durchgeführt wurde:[3] So wäre der Turm in einer Zeit des Streites zwischen dem Papsttum und dem Imperium entstanden, mit Vertretern beider Fraktionen, die in den Türmen saßen. So scheint darüber hinaus die These plausibel, dass die Familie Asinelli den Turm einfach dem Nachlassen der Feindseligkeiten zwischen Welfen und Ghibellinen legal in Besitz genommen hat.[4]
Wenn man sich dieser Hypothese anschließt, hätte die Familie Asinelli – die Teil des Adels war, der zwischen dem Untergang der feudalen Weltordnung und der Bestätigung durch die Stadt stand – den Turm um etwa 30 Meter aufstocken lassen, um so Bologna und das umliegende Land aus der Ferne beobachten zu können. Mit dem Niedergang der Asinellis und dem schrittweisen Verkauf von Teilen des Turms wurden Ende des 16. Jahrhunderts das gesamte Gebäude von der Stadt Bologna erworben, um es als Gefängnis und Festung zu nutzen. In diesen Jahren wurde auch ein Holzrahmen um den Turm gebaut, der auf etwa 30 Meter Höhe lag und mit einem Laufsteg am Torre della Garisenda verbunden war; im Jahre 1398 wurde er durch einen Brand zerstört. Man sagt, dass Giovanni Visconti, der Fürst von Mailand, diese Konstruktion bauen ließ, um den turbulenten Mercato di Mezzo (heute Via Rizzoli und angrenzende Straßen) besser im Auge zu behalten und rechtzeitig eventuelle Rivolten unterdrücken zu können.
Die Geschichte des Torre degli Asinelli ist reich an kuriosen Ereignissen, die minuziös von den zeitgenössischen Chronisten Bolognas berichtet wurden. 1513 wurde der Turm von einer acht Pfund schweren Kanonenkugel getroffen, die von der Porta Maggiore aus anlässlich einiger Festivitäten verschossen wurde, aber die Stabilität des Turms nicht beeinträchtigen konnte; der Turm war auch zahlreichen Bränden ausgesetzt, die aber größtenteils harmlos waren und nur die Zerstörung der hölzernen Treppen zur Folge hatten. Entgegen üblicher Annahmen wurden die größten Schäden an dem Turm durch Blitze verursacht, die sich sieben Jahrhunderte lang an dem Bauwerk austoben konnten, bis 1824 ein Blitzableiter installiert wurde: Vorher hatte man versucht, den Blitzschutz durch einen nicht effektiven Holzkäfig zu erreichen, den Gianandrea Taruffi im September 1706 konzipierte, und durch ein Halbrelief des Erzengels Michael, da Giovan Battista Gnudi schuf.[2]
Der Torre degli Asinelli war auch an der Stelle, an der man einen Eisenkäfig platzierte, eine besondere Hinrichtungseinrichtung namens Gibbetierung, die für Ordensleute reserviert war, die Verbrechen begangen hatten. Ab dem 13. bis zum 16. Jahrhundert wurden Angehörige des Klerus, die wegen schwerer Verbrechen verurteilt worden waren, in diese Käfige eingesperrt, bis sie verdursteten oder verhungerten. Anfänglich wurde diese Hinrichtungsart am Rathaus durchgeführt, dann wurden die Käfige in 20 Metern Höhe an die Seite des Torre degli Asinelli angehängt, der auf die Strada Maggiore hinaus zeigt.[5]
Bemerkenswert ist schließlich auch die wissenschaftliche Rolle des Torre degli Asinelli. Zur Erkennung der durch die Erdrotation verursachten Effekte führte der Wissenschaftler Giovanni Battista Guglielmini Anfang Juli 1790 ein Experiment durch, das darin bestand, von der Spitze des Turms Bleikugeln fallen zu lassen und ihre Abweichung von der Falllinie zu messen: Trotz der Schwierigkeiten (Der Wind, der durch die Öffnungen des Turms kam, ließ etliche Versuche scheitern) gelang es Guglielmini, die Resultate des Experiments in einem Werk zusammenzufassen, das er De diurno Terrae motu (dt.: Über die tägliche Erdbewegung) nannte und das viel Zustimmung in der wissenschaftlichen Welt Italiens erfuhr.[6]
1888 schlug der Ingenieur Alessandro Ferretti vor, im Inneren des Turms einen Aufzug zu montieren, damit der Aufstieg erleichtert würde. Die Stadt prüfte das Projekt und lehnte es dann aus Angst, das Gebäude strukturell zu beschädigen, ab. Im Februar 1902 wurde nochmals ein Projekt vorgestellt, die ermüdenden Treppen durch einen Aufzug zu ersetzen, aber erneut erteilte die Stadt diesem eine Absage. Ein dritter Vorschlag zur Installation eines Aufzuges kam 1932, aber der Bürgermeister lehnte ab, da die Treppen einige Jahre vorher restauriert worden waren. Der letzte derartige Vorstoß erfolgte 1991, aber auch dieser wurde zurückgewiesen.[5]
Beschreibung
Heutzutage kann der Torre degli Asinelli nach Kauf einer Eintrittskarte besichtigt werden. Ein Gerücht rät davon ab, vor der Promotion dort hinaufzusteigen; die Strafe wäre eine drastische Verlängerung der Zeit, bis man diese erhält. Im Inneren kann man eine Holztreppe bis zur Spitze hinaufsteigen, die 498 Stufen hat und auf eine Höhe von 97,2 Metern führt.[7] Von der Außenterrasse auf dem Dach kann man ein 360°-Panorama der gesamten Stadt bewundern: Man erinnere sich, dass das Gebäude um 2,32 Meter nach Westen geneigt ist, was einer Neigung von 1,3° gegenüber der Vertikalen entspricht und es zum höchsten schiefen Turm in Italien macht. Der deutsche Dichter Johann Wolfgang von Goethe beschrieb lebhaft die Aussicht von der Terrasse an der Spitze des Turms:[8]
„Sul far della sera, mi sono finalmente appartato da questa antica città veneranda e dotta, da tutta quella folla che, sotto tutti i suoi portici sparsi per quasi tutte le vie, può andare e venire, al riparo dal sole e dalla pioggia, e baloccarsi, e fare acquisti e attendere ai fatti suoi. Sono salito sulla torre a consolarmi all'aria aperta. Veduta splendida! A Nord si scorgono i colli di Padova, quindi le Alpi svizzere, tirolesi e friulane, tutta la catena settentrionale, ancora nella nebbia. A occidente un orizzonte sconfinato, nel quale emergono solo le torri del Modenese. A oriente, una pianura sconfinata fino all'Adriatico, visibile al sorgere del sole. Verso sud i primi colli dell'Appennino, coltivati e lussureggianti fino alla cima, popolati di chiese, di palazzi e di ville, come i colli del Vicentino. Era un cielo purissimo; non la più piccola nuvola; solo all'orizzonte una specie di nebbione secco“
(dt.: „Am Abend bin ich endlich von dieser ehrwürdigen, alten Stadt weggekommen und lernte von all dieser Menge, die unter all ihren Arkaden, die über fast alle Straßen verstreut sind, kommen und gehen kann, geschützt vor Sonne und Regen, und spielen kann, und einkaufen kann und sich um ihre Geschäfte kümmern. Ich stieg den Turm hinauf, um mich im Freien zu erholen. Glänzende Aussicht! Im Norden erstrecken sich die Hügel von Padua, dann die Schweizer, Tiroler und friaulischen Alpen, die ganze nördliche Kette, noch im Nebel. Im Westen ein grenzenloser Horizont, in dem nur die Türme des Modeneser Gebietes auftauchen. Im Osten eine grenzenlose Ebene bis zur Adria, die man bei Sonnenaufgang sieht. Gegen Süden die ersten Hügel des Appenin, kultiviert und üppig bis zu den Bergspitzen, bevölkert mit Kirchen, Palästen und Villen, wie die Hügel von Vicenza. Es war ein ganz klarer Himmel; nicht die kleinste Wolke; nur am Horizont eine Art trockener Nebel.“)
Im Erdgeschoss sind einige Künstlerwerkstätten untergebracht, um an die alte Handelsfunktion dieses Gebietes zu erinnern. Seit dem 28. November 2015 sind der Torre degli Asinelli und der benachbarte Torre della Garisenda mit einem speziellen Lichtsystem beleuchtet, wodurch man sie von jeder Ecke Bolognas aus betrachten kann.[9]
Einzelnachweise
- Le due Torri: Garisenda e degli Asinelli. In: Città d’Arte, Emilia-Romagna. Archiviert vom Original am 27. April 2018. Abgerufen am 30. November 2020.
- Marco Poli: Il nove secoli della torre Asinelli. In: Bologna Insieme. 16. Juli 2009. Abgerufen am 30. November 2020.
- Mario Piacentini: Appunti delle lezioni di termoluminescenza. Scuola di Specializzazione in Beni Archeologici La Sapienza Università di Roma. S. 20. 2015. Abgerufen am 30. November 2020.
- Torre degli Asinelli Bologna. Hotel Rimini. Abgerufen am 30. November 2020.
- Marco Poli: Bologna com'era. Minerva, Bologna 2020.
- Luigi Pepe: GUGLIELMINI, Giovanni Battista. In: Dizionario Biografico degli Italiani, Band 60. Istituto dell'Enciclopedia Italiana, Rom. 2003. Abgerufen am 1. Dezember 2020.
- Le Torri. Archiviert vom Original am 17. Mai 2017. Abgerufen am 1. Dezember 2020.
- Dalla cima degli Asinelli. Archiviert vom Original am 22. November 2015. Abgerufen am 1. Dezember 2020.
- Adesso le Due Torri sono inoltre illuminate Splende il simbolo della città. In: Corriere di Bologna. 28. November 2015. Abgerufen am 1. Dezember 2020.
Quellen
- Francisco Giordano (Hrsg.): Rocchetta della Torre degli Asinelli. Mit Texten von R. Scannavini, F. Bergonzoni, S. Martinuzzi, F. Giordano. Costa, Bologna 1998.
- Francisco Giordano: Un ascensore per la Torre degli Asinelli. Un secolo di proposte in “IL CARROBBIO”. XXV. Pàtron, Bologna 1999.
Weblinks
- Le due Torri: Garisenda e degli Asinelli. In: Bologna Welcome. Archiviert vom Original am 24. Dezember 2015. Abgerufen am 1. Dezember 2020.