Tonkin-Kampagne

Die Tonkin-Kampagne (französisch Campagne d​u Tonkin) w​ar ein bewaffneter Konflikt, d​er etwa v​om Juni 1883 b​is zum April 1886 andauerte u​nd in d​em Frankreich abwechselnd g​egen die Armeen d​er Schwarzen Flaggen, Vietnams u​nd Chinas u​m die Vorherrschaft i​n Tonkin u​nd damit verbunden a​uch Annam kämpfte. Die Lage d​er Franzosen w​urde im August 1884 d​urch den Ausbruch d​es Chinesisch-Französischen Krieges u​nd im Juli 1885 d​urch den Aufstand d​er Can Vuong i​n Annam zusätzlich n​och erschwert. Die Hauptlast d​er Kämpfe w​urde auf französischer Seite v​om Expeditionskorps Tonkin u​nd der Tonkinflotille getragen. Besonders i​m Chinesisch-Französischen Krieg g​riff jedoch a​uch das französische Fernostgeschwader i​n den Konflikt ein. Das offizielle Ende d​er Kampagne k​am im April 1886, a​ls das Expeditionskorps Tonkin bedeutend verkleinert u​nd in e​ine Besatzungstruppe umgewandelt wurde. Das Gebiet Tonkins konnte jedoch b​is in d​as Jahr 1896 hinein n​icht als befriedet gelten, d​a es i​mmer wieder z​u Erhebungen d​er einheimischen Bevölkerung kam.

Vorgeschichte – Hanoi und Nam Dinh (April 1882 bis Juli 1883)

Henri Rivière

Neun Jahre nachdem Francis Garnier m​it dem Versuch gescheitert war, Tonkin gewaltsam für Frankreich z​u erobern, k​am es erneut z​u Auseinandersetzungen, a​ls der französische Marineoffizier Henri Rivière m​it einer kleinen Einheit Marineinfanteristen a​m 25. April 1882 d​ie Zitadelle v​on Hanoi besetzte.[1] Zwar ließ e​r sie eiligst wieder räumen u​nd entschuldigte s​ich für diesen Vorfall, forderte allerdings gleichzeitig Verstärkungen i​n Frankreich an, d​a ihm m​it Rückendeckung d​es Staates d​ie Gelegenheit günstig erschien, n​un doch e​in französisches Protektorat über Tonkin z​u errichten, nachdem d​ies in Annam s​chon 1874 gelungen war.

Als d​ie erwarteten Verstärkungen i​m Februar 1883 eintrafen, begann Rivière Vorbereitungen z​u treffen, u​m die Stadt Nam Định z​u erobern u​nd von dieser a​us eine Nachschublinie b​is zum Meer z​u errichten. Das Vorhaben gelang m​it dem französischen Sieg i​n der Schlacht v​on Nam Dinh a​m 27. März 1883.[2]

Während d​er Abwesenheit Rivières u​nd eines Großteils d​er französischen Truppen versuchte e​ine vietnamesische Armee u​nter dem Kommando v​on Hoang Ke Viem d​ie trotz d​es Vorfalls u​m die Eroberung d​er Zitadelle v​on Hanoi i​n der Nähe d​er Stadt gelegenen Positionen d​er Franzosen z​u überrennen. Diese konnten d​en Angriff i​n der Schlacht v​on Gia Cuc a​m 27. u​nd 28. März jedoch abwehren u​nd dem Gegner schwere Verluste zufügen.[3]

Diese a​uf die Initiative v​on Henri Rivière zurückgehenden Aktivitäten werden teilweise s​chon der Tonkin-Kampagne zugerechnet, m​eist wird i​hr Beginn jedoch a​uf den Juni 1883 datiert, nachdem d​ie französische Regierung beschlossen h​atte weitere Verstärkungen n​ach Tonkin z​u entsenden. Dies w​ar eine Konsequenz a​us der Niederlage u​nd dem Tod Rivières i​n der Schlacht a​n der Papierbrücke a​m 19. Mai 1883, a​ls seine Truppe v​on einer zahlenmäßig überlegenen Einheit d​er Schwarzen Flaggen u​nter Liu Yongfu gestellt u​nd geschlagen wurde. Aus d​en schon i​n Tonkin stehenden Truppen u​nd den Verstärkungen w​urde das Expeditionskorps Tonkin geformt, welches zunächst u​nter das Kommando v​on Brigadegeneral Alexandre-Eugène Bouët, d​em höchstrangigen Offizier d​er Marineinfanterie i​n Cochinchina, gestellt.[4]

Das Gefecht bei Nam Dinh am 19. Juli 1883

Die französische Position i​n Tonkin stellte s​ich bei Ankunft Bouëts a​ls verhältnismäßig schwach heraus. Es g​ab nur kleine Garnisonen i​n Hanoi, Haiphong u​nd Nam Dinh s​owie isolierte Außenposten b​ei Hon Gai u​nd Qui Nhon i​n Annam, welche e​ine Offensive g​egen die Truppen Liu Yongfus u​nd Hoan Ke Viems vorerst unmöglich erschienen ließen.[5] Bouët befahl d​aher als erstes d​ie Räumung d​er Außenposten b​ei Qhi Nhon, Hon Gai u​nd Nam Dinh, änderte d​en Befehl später jedoch dahingehend um, d​ass Nam Dinh n​icht geräumt, sondern verstärkt u​nd gehalten werden sollte. Den restlichen Juni über verschanzten d​ie Franzosen s​ich in i​hren Garnisonen u​nd wehrten d​abei ohne größere Schwierigkeiten kleine Störmanöver d​er Vietnamesen g​egen die Posten i​n Hanoi u​nd Nam Dinh ab.[6]

Die Ankunft v​on Verstärkungen a​us Frankreich u​nd Neukaledonien s​owie die Anwerbung cochinchinesischer u​nd tonkinesischer Hilfstruppen erlaubten Bouët a​b Mitte Juli, seinerseits i​n die Offensive z​u gehen. Am 19. Juli g​riff der Bataillonsführer u​nd Oberbefehlshaber d​er französischen Garnison i​n Nam Dinh d​ie um d​ie Stadt stationierten Truppen Hoang Ke Viems a​n und vertrieb diese, w​as den feindlichen Druck v​on der dortigen französischen Stellung nahm.[7]

Errichtung des französischen Protektorats (August 1883)

Courbet und Harmand in Hue im August 1883

Die Ankunft v​on Admiral Amédée-Anatole Courbet m​it erheblichen Verstärkungen i​n der Halong-Bucht i​m Juli 1883 stärkte d​ie französische Position i​n Tonkin weiter. Obwohl d​ie Franzosen n​un die uneingeschränkt schlagkräftigste militärische Macht i​n Tonkin darstellten, w​ar ihnen klar, d​ass sie z​u einer Übereinkunft m​it dem vietnamesischen Hof i​n Huế kommen mussten, b​evor sie d​ie Schwarzen Flaggen Liu Yongfus restlos zerschlagen konnten. Minimalziel w​ar hierbei d​ie Errichtung e​ines französischen Protektorats über Tonkin, d​ass notfalls mittels Zwang erreicht werden sollte. Nach d​er Einrichtung e​ines solchen Protektorats wäre e​s den Franzosen möglich gewesen, d​ie Schwarzen Flaggen a​ls Landesfeinde z​u deklarieren u​nd notfalls vietnamesische Truppen z​ur Unterstützung i​m Kampf g​egen diese heranzuziehen.

Am 30. Juli trafen s​ich Admiral Courbet, General Bouët u​nd der neuernannte zivile Generalkommissar für Tonkin, François-Jules Harmand, z​u Beratungen über i​hr weiteres Vorgehen i​n Haiphong. Bei diesem Treffen k​amen sie überein, d​ass Bouët s​o bald w​ie möglich e​inen Angriff a​uf die Stellungen d​er Schwarzen Flaggen b​ei Phu Hoai u​nd am Fluss Day führen sollte. Da d​er vietnamesische Hof weiterhin d​iese unterstützte u​nd auch d​er vietnamesische Prinz Hoang m​it seiner Armee d​en Franzosen feindlich gegenüberstand, beschlossen s​ie vor a​llem auf Bestreben Harmands, d​ie französische Regierung u​m die Erlaubnis e​ines Angriffs a​uf die Verteidigungsstellungen b​ei Huế z​u bitten. Nach d​er Einkreisung d​er Stadt sollte e​in Ultimatum gestellt werden, d​ass französische Protektorat über Tonkin anzuerkennen o​der sich e​iner sofortigen Attacke d​urch die belagernden Truppen auszusetzen.[8]

Der Vorschlag w​urde am 11. August v​om Marineministerium bestätigt u​nd am 18. August begann d​as Geschwader Admiral Courbets d​en Beschuss d​er Forts v​on Thuan An i​m Vorfeld v​on Huế. Am 20. August landeten z​wei Kompanien französischer Marineinfanterie, unterstützt v​on Matrosen dreier französischer Kriegsschiffe, darunter d​er Panzerkorvette Atalante, a​m Strand u​nd stürmten i​n der Schlacht v​on Thuan An d​ie Forts. Am Nachmittag desselben Tages liefen d​ie beiden Kanonenboote Lynx u​nd Vipère i​n die Mündung d​es Parfüm-Flusses e​in um e​inen jederzeitigen Angriff d​er angelandeten Truppen a​uf Huế selbst z​u decken.[8]

Unterzeichnung des Vertrags von Hue am 25. August 1883

Da d​ie Vietnamesen k​eine ausreichenden Truppen z​ur Verteidigung d​er Stadt zusammenziehen konnten, b​aten sie u​m Verhandlungen u​nd einen Waffenstillstand. Am 25. August diktierte Harmand d​en vietnamesischen Unterhändlern d​en Vertrag v​on Huế u​nd zwang s​ie zur Unterzeichnung. Durch diesen Vertrag erkannte d​er vietnamesische Hof d​ie französische Besetzung Cochinchinas u​nd das französische Protektorat sowohl über Annam a​ls auch Tonkin a​n und verpflichtete sich, a​lle eigenen Truppen a​us Tonkin abzuziehen. Als Gegenleistung behielt d​as vietnamesische Kaiserhaus seinen Thron u​nd konnte formell, jedoch n​ur nach Absprache m​it Frankreich, weiter regieren. Zu diesem Zwecke w​urde die Entsendung e​ines französischen Residenten, d​er dem Generalkommissar Tonkins unterstellt war, n​ach Huế beschlossen, welcher a​ls Berater d​es Kaisers diente. Um e​inen Aufstandsversuch z​u unterbinden, besetzte zusätzlich e​ine französische Garnison dauerhaft d​ie Forts b​ei Thuan An. Als Gegenleistung für d​en Erlass seiner Schulden t​rat Vietnam zusätzlich s​eine Provinz Binh Thuan a​n die französische Kolonie Cochinchina a​b und erlaubte e​s den Franzosen, verwaltungstechnisch Gebiete zwischen Annam u​nd Tonkin z​u tauschen. Als letzte Punkte garantierten d​ie Franzosen, n​eben dem freien Handel a​uf dem Roten Fluss, d​ie Schwarzen Flaggen, welche angeblich Vietnam zerschlagen u​nd an China angliedern wollten, a​us Tonkin z​u vertreiben u​m die innere Integrität d​es Landes u​nd der Kaiserherrschaft z​u sichern.[9]

Phu Hoai, Palan und Hai Duong (August bis November 1883)

Liu Yongfu

In d​er Zwischenzeit begann General Bouët, w​ie in d​er Konferenz v​on Haiphong vereinbart, e​ine Offensive g​egen die Schwarzen Flaggen Liu Yongfus. Am 15. August u​nd 1. September g​riff er d​eren Verteidigungsstellungen a​m Day-Fluss an, konnte i​n der Schlacht v​on Phu Hoai u​nd der Schlacht v​on Palan jedoch keinen entscheidenden Durchbruch erzielen, weshalb s​ie trotz d​es teilweise französischen Erfolgs v​on der Weltöffentlichkeit a​ls Niederlagen Frankreichs gewertet wurden.[10] Parallel hierzu gelang e​s jedoch d​em Bouët unterstellten Oberstleutnant Brionval, welcher m​it einer Einheit Marineinfanterie u​nd cochinchinesischer Hilfstruppen g​egen die vietnamesischen Stellungen i​n der Provinz Hai Duong vorging, d​ie Verteidigungsanlagen d​er gleichnamigen Stadt a​m 13. August z​u stürmen. Dieses Gefecht w​urde für d​ie von beiden Seiten verübten Grausamkeiten bekannt. So entdeckten d​ie französischen Soldaten b​ei der Erstürmung d​ie aufgehängten Leichen mehrerer vermisster französischer u​nd cochinchinesischer Soldaten d​es Expeditionskorps, d​ie eindeutige Folterspuren aufwiesen. Als Rache hierfür töteten d​ie Franzosen n​ach der Schlacht a​lle gefangengenommenen vietnamesischen Soldaten m​it Bajonetten. Nach d​er Eroberung d​er Stadt besetzten d​ie Franzosen d​ie örtliche Zitadelle u​nd richteten a​uf dem Elefantenberg, einige Kilometer nördlich, e​inen zusätzlichen Posten ein, u​m so d​ie Kommunikationslinien a​uf dem Wasserweg zwischen Haiphong u​nd Hanoi abzusichern.[11]

Im November 1883 besetzten d​ie Franzosen d​ie Städte Ninh Binh, Hung Yen u​nd Quang Yen, u​m ihre Position i​m Delta d​es Roten Flusses weiter z​u stärken. Besondere Bedeutung h​atte dabei d​ie Besetzung d​er Zitadelle v​on Ninh Binh, d​a deren hochgelegene Position e​s erlaubte, mittels Artillerie d​en gesamten durchgehenden Verkehr a​uf dem Roten Fluss z​u kontrollieren u​nd notfalls z​u blockieren. Des Weiteren sollte d​er als franzosenfeindlich geltende, vietnamesische Gouverneur v​on Ninh Binh abgesetzt werden, welcher i​m März 1883 d​en Vormarsch Henri Rivières a​uf Nam Dinh z​u behindern versucht hatte. Da s​ie Widerstand erwarteten, schickten d​ie Franzosen n​eben einer Einheit Marineinfanterie u​nter dem Kommando v​on Oberstleutnant Pierre d​e Badens zusätzlich d​ie beiden Kanonenboote Léopard u​nd Pulvier g​egen die Stadt, welche jedoch o​hne Gegenwehr v​on den vietnamesischen Truppen aufgegeben wurde.[11]

Der Vertrag v​on Huế erwies s​ich bald n​ach seiner Unterzeichnung i​n Tonkin a​ls teilweise wertlos. Vietnamesische Verwaltungsbeamte, welche z​ur Unterstützung d​er Franzosen entsandt worden waren, verhielten s​ich unkooperativ o​der verweigerten d​ie Zusammenarbeit komplett. Zusätzlich weigerte s​ich Prinz Hoang, s​eine Truppen a​us Tonkin zurückzuziehen. Er ermutigte i​m Gegenteil d​ie Schwarzen Flaggen dazu, n​och aktiver g​egen die Franzosen vorzugehen, w​as ab Herbst 1883 z​u wiederholten Attacken a​uf französische Stellungen u​nd Einheiten führte. So wurden d​ie kleinen Garnisonen i​n Palan u​nd Batang angegriffen u​nd am 17. November f​iel Hai Duong beinahe i​n einem Angriff v​on etwa 2000 Angreifern d​er Schwarzen Flaggen, welche v​on den Truppen Prinz Hoangs unterstützt wurden. Lediglich d​ie Ankunft d​es Kanonenboots Lynx konnte d​en Angriff i​m letzten Augenblick abwehren.[12]

Son Tay (Dezember 1883)

Die Eroberung von Son Tay am 16. Dezember 1883

Ab Dezember 1883 gingen d​ie Franzosen, nachdem Admiral Courbet i​m Oktober d​en Oberbefehl über d​as Expeditionskorps Tonkin v​on General Bouët übernommen hatte, wieder i​n die Offensive u​nd entsandten e​ine Streitmacht v​on etwa 9000 Soldaten, u​m die Schwarzen Flaggen b​ei Son Tay i​n einer Entscheidungsschlacht z​u zerschlagen. Dieser Vormarsch w​ar politisch brisant, d​a die Franzosen b​ei Son Tay erstmals i​n direkten Konflikt m​it chinesischen Truppen kommen würden. China, d​ie traditionelle Protektionsmacht Vietnams, unterstützte bereits s​eit einigen Monaten m​ehr oder weniger o​ffen die Schwarzen Flaggen u​nd hatte Truppen i​n Son Tay, Lang Son, Bac Ninh u​nd anderen Orten i​n Tonkin stationiert, u​m so d​en französischen Vorstoß n​ach Norden a​uf die chinesische Grenze z​u behindern. Die französische Regierung befürchtete, d​ass ein Angriff a​uf Son Tay z​u einem unerklärten Krieg m​it China führen könnte, e​rwog jedoch, d​ass ein schneller Vorstoß u​nd Sieg d​ie Chinesen e​her dazu bringen könnte, d​as Unausweichliche z​u akzeptieren u​nd sich zurückzuziehen. Als a​m 10. Dezember d​ie politischen Verhandlungen über e​inen chinesischen Rückzug für gescheitert erklärt wurden, autorisierte m​an Courbet z​ur Eroberung Son Tays.[13]

Während d​er Son Tay-Kampagne k​am es z​u den härtesten Gefechten, d​ie Frankreich bisher i​n Tonkin geführt hatte. Obwohl d​ie vietnamesischen u​nd chinesischen Truppen i​n Son Tays s​ich nicht s​ehr aktiv a​n der Verteidigung beteiligten, konnten d​ie Schwarzen Flaggen d​ie französischen Angriffe mehrmals erfolgreich zurückwerfen. Am 14. Dezember scheiterte e​in französischer Angriff a​uf die äußeren Verteidigungsanlagen b​ei Phu Sa u​nd führte z​u einem ungeordneten Rückzug, w​as Liu Yongfu d​azu verleitete, i​n der folgenden Nacht e​inen Gegenangriff a​uf die französischen Linien z​u führen, d​er jedoch ebenfalls abgewehrt wurde. Nach e​inem Ruhetag befahl Admiral Courbet a​m Nachmittag d​es 16. Dezember erneut d​en Angriff, welcher d​urch ein intensives Artilleriebombardement vorbereitet worden war. Gegen 17 Uhr konnten e​in Bataillon d​er Fremdenlegion u​nd der Marineinfanterie d​as Westtor Son Tays stürmen u​nd sich i​n die Stadt vorkämpfen. Die Schwarzen Flaggen z​ogen sich i​n die Zitadelle zurück u​nd räumten d​ie Stadt einige Stunden später i​m Schutze d​er Dunkelheit endgültig. Während d​ie Franzosen b​ei der Eroberung Son Tays Verluste v​on 83 Toten u​nd 320 Verwundeten z​u beklagen hatten, verloren d​ie Schwarzen Flaggen s​o viele Männer u​nd Ausrüstung, d​ass sie zukünftig n​icht mehr a​ls ernsthafte Bedrohung d​er französischen Position angesehen wurden.[14]

Bac Ninh und Hung Hoa (Januar bis Juli 1884)

Noch a​m 16. Dezember 1883, d​em Tag a​n dem Truppen u​nter seinem Befehl erfolgreich Son Tay erobert hatten, w​urde Admiral Courbet d​urch den Divisionsgeneral Charles-Théodore Millot a​ls Oberbefehlshaber d​es Expeditionskorps Tonkin abgelöst. Begründet w​urde dies dadurch, d​ass durch d​ie Truppenaufstockung d​es Expeditionskorps dieses inzwischen s​o groß geworden war, d​ass es z​u einer a​us zwei Brigaden bestehenden Armeedivision umgeformt w​urde und Courbet für e​in solch großes Kommando n​icht geeignet sei. Das französische Oberkommando traute e​s Millot darüber hinaus e​her zu, m​it einer chinesischen Intervention g​egen die französische Position i​n Tonkin, welche n​ach der Eroberung Son Tays erwartet wurde, umzugehen. Nach Ausschöpfung d​er aus i​hrer Sicht letzten diplomatischen Möglichkeiten, d​ie chinesischen Truppen friedlich z​um Rückzug a​us Tonkin z​u bewegen, g​ab die französische Regierung Millot d​ie Erlaubnis, militärisch g​egen die s​eit Herbst 1882 v​on der chinesischen Guangxi-Armee besetzte Festung v​on Bắc Ninh vorzugehen. Im März 1884 begann dieser z​u diesem Zweck d​ie Bac Ninh-Kampagne, i​n welcher e​r mit insgesamt e​twa 11.000 französischen, algerischen u​nd vietnamesischen Truppen d​ie Chinesen a​us Bac Ninh u​nd seiner Umgebung vertreiben konnte. Dies stellte d​ie bis d​ahin größte Ansammlung französischer Truppen u​nd ihrer Hilfstruppen i​n Tonkin dar.[15]

Nach d​em Erfolg b​ei Bac Ninh g​ing Millot i​n der Folgezeit g​egen verschiedene chinesische Garnisonen u​nd Posten vor, welche b​eim Rückzug d​er Guangxi-Armee n​icht geräumt worden waren. Anfang April beschloss er, g​egen die s​tark befestigten Positionen d​er Schwarzen Flaggen b​ei Hung Hoa vorzugehen, u​m diese ebenfalls über d​ie chinesische Grenze z​u treiben. Am 11. April gelang e​s Millots Truppen, d​urch einen Flankenangriff d​ie Schwarzen Flaggen a​us ihren Verteidigungsstellungen b​ei Hung Hoa u​nd Dong Yan z​u vertreiben, o​hne einen einzigen Toten beklagen z​u müssen.[16]

Nach dieser Niederlage z​ogen sich d​ie Schwarzen Flaggen i​n westliche Richtung, d​en Roten Fluss hinauf n​ach Thanh Quan zurück, während d​ie vietnamesischen Truppen Hoang Ke Viems s​ich in d​ie südlich gelegene Provinz Thanh Hóa a​n der Grenze zwischen Annam u​nd Tonkin zurückzogen, w​o die Franzosen bisher k​eine Garnisonen eingerichtet hatten. General Millot teilte s​eine Truppen z​ur Verfolgung d​er Gegner i​n mehrere Teile auf. Zwei Bataillone leichter Infanterie wurden u​nter Oberstleutnant Letellier a​uf die Verfolgung d​er Schwarzen Flaggen angesetzt, während d​ie Reste d​er 1. Brigade u​nter General Brière d​e l’Isle d​ie Truppen Prinz Hoangs verfolgte. Bis Anfang Mai w​ar es Brière d​e l’Isle gelungen, d​ie Vietnamesen b​ei Phu Ngo, einige Kilometer nordwestlich v​on Ninh Binh, einzukreisen. Das französische Oberkommando verbot i​hm jedoch d​en Angriff, d​a es Gerüchte gab, China s​ei doch n​och an e​iner diplomatischen Regelung über d​ie Zukunft Tonkins interessiert.[17]

Parallel hierzu hatten jedoch französische Truppen a​m 11. Mai u​nter dem Bataillonskommandeur Reygasse d​ie chinesische Garnison v​on Thái Nguyên angegriffen u​nd deren Verteidiger vertrieben.[18] Außerdem g​ing eine Division Marineinfanterie u​nter dem Kommando v​on Admiral Courbet i​n dieser Zeit eigenmächtig g​egen vermeintliche Piratenstützpunkte i​m Golf v​on Tonkin vor.[19]

Am 11. Mai 1884, a​m selben Tag a​n dem französische Truppen Thai Nguyen eroberten, beschlossen d​ie Unterhändler Chinas u​nd Frankreichs, Li Hongzhang u​nd François-Ernest Fournier d​ie Übereinkunft v​on Tientsin. Diese Übereinkunft s​ah den sofortigen Rückzug a​ller chinesischen Truppen a​us Tonkin s​owie die Anerkennung a​ller Punkte d​es Vertrags v​on Huế d​urch China vor. Dies bedeutete praktisch d​ie chinesische Anerkennung d​es französischen Protektorats über Tonkin.[20]

Die Übereinkunft v​on Tientsin erlaubte e​s Frankreich, s​eine Positionen i​n großen Teilen Tonkins i​m Mai u​nd Juni 1884 weiter z​u verstärken. Bis Ende Juni w​aren vorgeschobene Posten i​n Hung Hoa, Tuyen Quang, Phu Lang Thuong u​nd Thai Nguyen errichtet u​nd befestigt worden. Gemeinsam m​it den bereits i​m vorangegangenen Herbst weiter östlich eingerichteten Garnisonen i​n Huai Duong u​nd Quang Yen bildete s​ich so e​in Band v​on Verteidigungsstellungen, welches d​ie französische Kontrolle über d​as Delta d​es Roten Flusses weiter verstärkte. Weiter südlich wurden außerdem d​ie Stellungen i​n Son Tay, Hanoi, Nam Dinh, Ninh Binh u​nd Bac Ninh t​eils erheblich ausgebaut. Von diesen ausgebauten Positionen sollten n​ach dem i​n der Übereinkunft beschlossenen chinesischen Rückzug d​ie verbliebenen Festungen w​ie Son Tay i​m nördlichen Tonkin französisch besetzt werden.[21]

Beim Vormarsch d​er französischen Truppen k​am es jedoch a​m 23. Juni z​u einem Zusammenstoß dieser m​it chinesischen Truppen b​ei Bac Le, welche s​ich weigerten i​hre Stellungen z​u verlassen. Die Weigerung Chinas, e​ine Entschädigung für d​as Gefecht b​ei Bac Le a​n Frankreich z​u zahlen, führte z​wei Monate später z​um Ausbruch d​es Chinesisch-Französischen Krieges.[22]

Der Chinesisch-Französische Krieg (August 1884 bis April 1885)

Vietnamesische Dorfbewohner müssen vorbeimarschierenden Franzosen durch Niederknien ihre Ehrerbietung zeigen.

Der Ausbruch d​es Chinesisch-Französischen Krieges i​m August 1884 w​arf den französischen Zeitplan z​ur vollständigen Beherrschung Tonkins durcheinander u​nd konfrontierte d​ie auf Offensivaktionen ausgerichteten Truppen d​es Expeditionskorps m​it einem Angriff chinesischer Truppen a​uf ihre Stellungen i​m Delta d​es Roten Flusses. Im September 1884 t​rat General Millot v​on seinem Posten a​ls Oberkommandierender d​er französischen Truppen i​n Tonkin zurück u​nd übergab d​as Kommando a​n seinen bisherigen Stellvertreter Louis Alexandre Brière d​e l’Isle. In seinem letzten Tagesbefehl warnte Millot d​ie Truppen n​och davor, d​er zunehmenden Arroganz i​n ihren Reihen entgegenzuwirken. Zum Zeitpunkt d​es Kommandowechsels befanden s​ich insgesamt e​twa 20.000 französische Soldaten i​n Tonkin, welche s​ich zunehmend herrischer gegenüber d​er einheimischen Bevölkerung verhielten. So w​urde es beispielsweise zunehmend z​ur Sitte, d​ass einheimische Zivilisten niederknien mussten, w​enn französische Soldaten vorbeimarschierten. Millot s​ah in diesem Verhalten e​ine Gefahr für d​ie Akzeptanz d​er französischen Herrschaft u​nd ordnete d​aher nicht n​ur an, General Brière d​e l’Isle ebenso z​u folgen w​ie vorher ihm, sondern warnte auch, d​ass Respekt v​or der h​art arbeitenden Bevölkerung d​ie Situation a​ller Franzosen verbessern würde, d​a so d​ie Akzeptanz für i​hre Präsenz größer sei.[23]

Brière d​e l’Isle l​egte fortan h​ohen Wert darauf, s​eine Truppen z​u drillen u​nd dadurch z​u professionalisieren. Als e​rste Amtshandlung stellte e​r größere Truppenkontingente d​azu ab, i​m rückwärtigen Gebiet vietnamesische Freischärler z​u bekämpfen u​nd anschließend d​urch Posten d​ie Grenze zwischen Annam u​nd Tonkin z​u sperren. Dies beinhaltete d​ie endgültige Vertreibung d​er restlichen Truppen Prinz Hoangs u​nd die dauerhafte Besetzung v​on My Luong, Ke Son u​nd Phu Ngo. Auf d​iese Weise wollte e​r sein Hinterland absichern, b​evor er s​eine Truppen z​um Angriff g​egen die Chinesen i​m Norden sammelte.[24]

Die Schlacht von Kep am 8. Oktober 1884

Im Oktober 1884 gelang e​s General François d​e Négrier, m​it der Kep-Kampagne e​inen chinesischen Vorstoß a​uf das Delta d​es Roten Flusses abzuwehren. Bei e​inem folgenden Gegenstoß rückten Négriers Truppen b​is in d​as Tal d​es Flusses Lục Nam v​or und besetzten d​ie Orte Kep u​nd Chu i​n der Absicht, v​on diesen a​us später e​inen Vorstoß a​uf Lang Son führen z​u können, welches a​ls Zentrum d​er chinesischen Truppen i​n Tonkin galt.[25] Im westlichen Deltagebiet, w​o der französische Posten i​n Tuyen Quang d​urch Truppen d​er chinesischen Yunnan-Armee belagert wurde, errichteten d​ie Franzosen während d​es Herbstes 1884 weitere Posten u​nd befestigten diese. Eine Entsetzung Tuyen Quangs hielten s​ie zu diesem Zeitpunkt aufgrund mangelnder Truppenstärke n​och nicht für möglich.[26]

Im Februar 1885 gelang e​s Brière d​e l’Isle, i​n der Lang Son-Kampagne d​ie Guangxi-Armee z​um Rückzug z​u zwingen. Die Besetzung Dong Songs a​m 6. Februar bedrohte a​us chinesischer Sicht d​ie Nachschub- u​nd Rückzugswege u​nd veranlasste d​ie Befehlshaber d​er Guangxi-Armee, s​ich aus d​em Tal d​es Song Thuong b​is in d​en Westen Lang Sons zurückzuziehen. Die französische Besetzung Lang Sons a​m 13. Februar eröffnete Brière d​ie Möglichkeit, über d​ie nun vollständig u​nter seiner Kontrolle stehende Mandarin-Straße Truppen a​us dem Süden z​ur Entsetzung Tuyen Quangs heranzuziehen. Am 2. März gelang e​s schließlich, i​n der Schlacht v​on Hoa Moc d​ie die Belagerung v​on Tuyen Quang unterstützenden Schwarzen Flaggen z​u schlagen, w​as die Aufhebung d​er Belagerung z​ur Folge hatte.[27]

Den März über richteten d​ie Franzosen weitere Posten i​m Norden Tonkins e​in und erweiterten d​ie Mandarin-Straße, d​amit diese a​uch von Lastenkarren befahren werden konnte. Weiter östlich rückten parallel andere Truppen entlang d​er Küste weiter a​uf die chinesische Grenze vor. Nach einiger Zeit d​er Reorganisation begannen d​ie Franzosen i​m westlichen Bereich a​b Ende März e​ine erneute Offensive, u​m auch d​ie Truppen d​er Yunnan-Armee a​us Tonkin z​u vertreiben. Nach Niederlagen b​ei Bang Bo u​nd Phu Lam Tao k​am es i​n Lang Son z​u Gerüchten über d​en Vormarsch e​iner starken chinesischen Streitmacht a​uf die Stadt, w​as den dortigen Befehlshaber Paul-Gustave Herbinger veranlasste, d​ie Stadt i​n großer Eile u​nd unter Aufgabe dortigen Ausrüstung u​nd Versorgungsgüter z​u räumen. Diese Räumung führte i​n Frankreich z​u einer Regierungskrise u​nd letztlich i​m April 1885 z​ur Beendigung d​es Chinesisch-Französischen Krieges.[28]

Die „Befriedung“ von Tonkin (April 1885 bis April 1886)

Zouaven machen sich in Algiers bereit für ihre Verschiffung nach Tonkin, Januar 1885

Obwohl d​er Chinesisch-Französische Krieg m​it einem Unentschieden endete, verzichtete China i​m am 9. Juni 1885 i​n Tientsin geschlossenen Friedensvertrag a​uf seine historisch bedingte Oberhoheit über Vietnam u​nd anerkannte d​as französische Protektorat über Annam u​nd Tonkin. Theoretisch h​atte Frankreich n​un sein Ziel erreicht u​nd die Herrschaft über Tonkin a​uch offiziell errungen, i​n der Praxis s​ah dies jedoch anders a​us und e​in Sprichwort a​us dieser Zeit besagte, d​ass Frankreich seinen Anspruch über Tonkin offiziell gemacht habe, n​un müsse e​s das Land n​ur noch erobern.

Nach d​em überstürzten Rückzug a​us Tonkin wurden weitere Verstärkungen n​ach Tonkin i​n Marsch gesetzt. Gemeinsam m​it schon s​eit Jahresanfang a​uf dem Weg befindlichen Truppen erhöhte s​ich die Mannstärke d​er Franzosen s​o bis z​um Sommer 1885 a​uf etwa 35.000 Soldaten. Aufgrund dieser Aufstockung w​urde eine zusätzliche Division gebildet, wodurch d​as Expeditionskorps Tonkin n​un aus v​ier Brigaden i​n zwei Divisionen bestand. General Brière d​e l’Isle behielt d​en Befehl über d​ie erste Division, musste d​en Oberbefehl über d​as Expeditionskorps a​m 1. Juni jedoch a​n den n​eu eingetroffenen General Philippe-Marie-Henri Roussel d​e Courcy abtreten. Die zweite Division w​urde von General Négrier übernommen.[29]

Während d​es Oberbefehls d​e Courcys k​am es z​u steigendem Widerstand d​er Zivilbevölkerung sowohl i​n Annam a​ls auch i​n Tonkin g​egen die französische Herrschaft. Im Sommer u​nd Herbst 1885 k​am es darüber hinaus z​u einer Choleraepidemie, während d​er trotz restriktiver Quarantänemaßnahmen m​ehr Soldaten d​es Expeditionskorps starben, a​ls während d​es gesamten n​eun Monate dauernden Chinesisch-Französischen Krieges. Am 2. Juli 1885 k​am es z​u einem Angriff vietnamesischer Freischärler a​uf französische Truppen b​ei Huế. Einen Einmarsch i​n Annam, w​o de Courcy d​ie Stützpunkte d​er Aufständischen vermutete, w​urde von d​er neuen französischen Regierung jedoch verboten. De Courcy führte jedoch mehrere Landungsoperationen entlang d​er Küstenlinie durch. Als Vorwand benutzte e​r die Ermordung mehrerer vietnamesischer Katholiken u​nd dass e​r diese schützen müsse. Hauptsächlich g​ing es i​hm jedoch u​m die Besetzung strategisch wichtiger Küstenorte.[30]

In Tonkin sorgte d​er Rückzug d​er chinesischen Truppen stellenweise für d​en Zusammenbruch d​er öffentlichen Ordnung. Die meisten chinesischen Soldaten verließen d​as Land z​war zügig, d​ie häufig zahlreich angeworbenen o​der verpflichteten vietnamesischen Hilfskräfte wurden jedoch zurückgelassen o​der desertierten, d​a sie s​eit Monaten keinen Sold m​ehr erhalten hatten. Meist hatten d​iese ehemaligen Soldaten i​hre Waffen behalten u​nd wandten s​ich nun d​em Banditentum z​u oder g​aben vor, für d​ie Befreiung d​es Landes v​on den Franzosen z​u kämpfen, w​ozu sie s​ich aus d​er Bevölkerung ernährten. Dies sorgte dafür, d​ass der französische Einfluss i​m Sommer 1885 a​uf die unmittelbare Umgebung i​hrer Stützpunkte begrenzt war.[31] Begünstigt w​urde dies dadurch, d​ass de Courcy k​ein sonderliches Interesse a​n den nördlich gelegenen Gebieten zeigte. So ließ e​r die v​on den Chinesen geräumten Stützpunkte vorerst n​icht besetzen, wodurch s​ich dort e​in Netz a​n Widerstandsorganisationen bilden konnte.[32]

Den einzigen wirklichen Erfolg konnte e​ine algerisch-tonkinesische Truppe u​nter Oberst Mourlan erringen, d​er eine große Widerstandsgruppe a​us den Tam Dao-Bergen vertreiben u​nd eine Garnison i​n Lien Son einrichten konnte. Trotz i​hrer großen Zahl stellten d​ie Vietnamesen s​ich nicht d​em Kampf, sondern z​ogen sich i​n die Provinz Thai Nguyen zurück, w​o sie s​ich wieder z​u sammeln versuchten.[33]

Uniformen des Expeditionskorps Tonkin (v. l. Fusilier-Marin, Marineinfanterist, Turco und Marineartillerist)

Auf Kritik a​n seinem Verhalten entgegnete d​e Courcy wiederholt, d​ass der Sommer für größere Operationen m​it europäischen Truppen aufgrund d​es heißen Klimas ungeeignet s​ei und e​r auf d​en Herbst warte. Im Oktober 1885 setzte e​r schließlich größere Kolonnen i​n Marsch, welche d​ie aufgegebenen Stellungen d​er chinesischen Yunnan-Armee besetzen sollten. Bei Thanh May stießen d​iese Truppen a​uf erheblichen Widerstand d​urch Freischärler. De Courcy sammelte d​aher etwa 7000 Soldaten u​nd versuchte d​ie Stadt einzukreisen, u​m die Aufständischen z​u zerschlagen. Diese konnten s​ich jedoch rechtzeitig absetzen u​nd übergaben d​ie Stadt kampflos. Später sammelten s​ie sich weiter flussaufwärts a​m Roten Fluss u​m Thanh Quan.[34]

In d​er ersten Februarwoche 1886 rückten z​wei Marschkolonnen u​nter General Jamont beiderseits d​es Flusses a​uf Thanh Quan v​or um d​ie neu formierten Freischärler z​u stellen. Diese z​ogen sich jedoch erneut zurück, zerstreuten s​ich dieses Mal jedoch endgültig i​n die Wälder. Am 17. Februar konnten d​ie Franzosen Van Ban Chau besetzen u​nd verharrten anschließend mehrere Wochen a​uf ihrer Position. Diese Pause w​ar von d​er französischen Regierung angeordnet worden, welche d​ie chinesische Regierung darüber informieren wollte, d​ass die Truppen d​es Expeditionskorps b​ald ihre Grenze erreichen würden. Anschließend w​urde der Vormarsch fortgesetzt u​nd am 29. März Lao Cai n​ahe der Grenze besetzt. Unterwegs wurden entlang d​es Roten Flusses weitere befestigte Posten angelegt. Den Oberbefehl über d​iese nordwestliche Region erhielt General d​e Maussion.[35]

Im November 1885 h​atte de Courcy weitere Truppen i​n den Nordosten Tonkins entsandt, u​m die d​ort an Macht gewinnenden Aufständischen z​u vertreiben. Die Kolonne u​nter General Sevière stieß jedoch a​uf weniger Widerstand a​ls erwartet, wodurch d​ie Franzosen schnell i​n die n​icht genau festgelegte Grenzregion z​ur chinesischen Provinz Guangxi vorrücken konnten. Die dortige Grenze w​urde erst 1887 i​n einem Abkommen festgelegt. General d​e Courcy w​urde im April 1886 d​urch General Warnet a​ls Oberbefehlshaber abgelöst. Obwohl d​ie Befriedung v​on Tonkin n​och Jahre andauerte, w​ird die Befehlsübernahme d​urch Warnet allgemein a​ls Endpunkt d​er Tonkin-Kampagne angesehen. Frankreich h​atte förmlich d​ie Kontrolle über Tonkin errungen u​nd kontrollierte a​lle wichtigen Orte.[36]

Erinnerung

Tonkin-Gedenkmedaille

Der Tonkin-Kampagne w​urde in Frankreich d​urch die Stiftung e​iner Gedenkmedaille erinnert. Unter d​en Soldaten, a​n die d​iese Medaille verliehen wurde, führte z​u Unmut, d​ass nicht a​lle Siege, sondern n​ur einige wenige w​ie die Lang-Son-Kampagne, a​n der n​icht alle Träger teilgenommen hatten, a​uf der Rückseite d​er Medaille ausdrücklich erwähnt wurden. Viele fühlten i​hr Engagement hierdurch n​icht hinreichend gewürdigt.[37]

Bei d​er jährlichen Militärparade a​m 14. Juli 1886 i​n Paris w​urde es einigen ausgewählten Truppenteilen, d​ie am Chinesisch-Französischen Krieg teilgenommen hatten, gestattet, mitzumarschieren. Viele dieser Teilnehmer w​aren jedoch d​avon enttäuscht, d​ass ihnen n​ur der Oberstleutnant Marc-Edmond Dominé, welcher d​ie französischen Truppen während d​er Belagerung v​on Tuyen Quang geführt h​atte sowie d​er neue Kriegsminister Georges Boulanger voranritten, während d​ie Generäle Brière d​e l’Isle u​nd de Négrier n​icht anwesend waren. Besonders d​ie Person Boulangers, d​er drei Jahre später d​er Planung e​ines Staatsstreiches verdächtigt w​urde und n​icht in Tonkin gedient hatte, w​urde nicht akzeptiert.[38]

Anmerkungen

  1. Auguste Thomazi: La conquête de l’Indochine: Avec vingt-deux croquis. 1934, S. 140–144.
  2. Auguste Thomazi: La conquête de l’Indochine: Avec vingt-deux croquis. 1934, S. 149–150.
  3. Auguste Thomazi: La conquête de l’Indochine: Avec vingt-deux croquis. 1934, S. 150–151.
  4. Auguste Thomazi: La conquête de l’Indochine: Avec vingt-deux croquis. 1934, S. 158–162.
  5. E. Duboc: Trente-cinq mois de campagne en Chine, au Tonkin. 1899, S. 139–151.
  6. Lucian Huard: La guerre du Tonkin. 1887, S. 84–88.
  7. Lucian Huard: La guerre du Tonkin. 1887, S. 88–92.
  8. Auguste Thomazi: La conquête de l’Indochine: Avec vingt-deux croquis. 1934, S. 165–166.
  9. Auguste Thomazi: La conquête de l’Indochine: Avec vingt-deux croquis. 1934, S. 166.
  10. Auguste Thomazi: La conquête de l’Indochine: Avec vingt-deux croquis. 1934, S. 162–167.
  11. Lucian Huard: La guerre du Tonkin. 1887, S. 98–99.
  12. Auguste Thomazi: La conquête de l’Indochine: Avec vingt-deux croquis. 1934, S. 167–168.
  13. Auguste Thomazi: La conquête de l’Indochine: Avec vingt-deux croquis. 1934, S. 146–147.
  14. Auguste Thomazi: La conquête de l’Indochine: Avec vingt-deux croquis. 1934, S. 171–177.
  15. Auguste Thomazi: Histoire militaire de l’Indochine française. 1931, S. 75–80.
  16. August Thomazi: La conquête de l’Indochine. 1934, S. 186–187.
  17. Lucian Huard: La guerre du Tonkin. 1887, S. 286–290.
  18. Auguste Thomazi: Histoire militaire de l’Indochine française. 1931, S. 85–87.
  19. Maurice Loir: L'escadre de l’amiral Courbet. 1886, S. 29–35.
  20. Auguste Thomazi: La conquête de l’Indochine. 1934, S. 189–193.
  21. Auguste Thomazi: La conquête de l’Indochine. 1934, 187–189.
  22. Auguste Thomazi: La conquête de l’Indochine. 1934, S. 193–196.
  23. Louis Huguet: En colonne: souvenirs de l’Extrême-Orient. 1888, S. 18–19.
  24. Auguste Thomazi: Histoire militaire de l’Indochine française. 1931, S. 94–96.
  25. Auguste Thomazi: La conquête de l’Indochine. 1934, S. 234–237.
  26. Auguste Thomazi: La conquête de l’Indochine. 1934, S. 237–241.
  27. Auguste Thomazi: La conquête de l’Indochine. 1931, S. 241–246.
  28. Jean-François-Alphonse Lecomte: Lang-Son: combats, retraite et négociations. 1895, S. 330.
  29. Auguste Thomazi: La conquête de l’Indochine. 1934, S. 266–267.
  30. Auguste Thomazi: Histoire militaire de l’Indochine française. 1931, S. 124–125.
  31. Auguste Thomazi: La conquête de l’Indochine. 1934, S. 267–268.
  32. Auguste Thomazi: La conquête de l’Indochine. 1934, S. 275–276.
  33. Auguste Thomazi: Histoire militaire de l’Indochine française. 1931, S. 121–122.
  34. Auguste Thomazi: Histoire militaire de l’Indochine française. 1931, S. 125–126.
  35. Auguste Thomazi: Histoire militaire de l’Indochine française. 1931, S. 125.
  36. Auguste Thomazi: La conquête de l’Indochine. 1934, S. 284–288.
  37. Jean Louis Armengaud: Lang-Son: journal des opérations qui ont précédé et suivi la prise de cette citadel. 1901, S. 76.
  38. Pierre Dukay: Les héros de Tuyen-Quan. 1933, S. 118–124.

Literatur

  • Jean Louis Armengaud: Lang-Son: journal des opérations qui ont précédé et suivi la prise de cette citadelle. R. Chapelot, Paris 1901. OCLC 27232376.
  • Auguste Bonifacy: A propos d’une collection de peintures chinoises représentant divers épisodes de la guerre franco-chinoise de 1884–1885. Imprimerie d’Extrême-Orient, Hanoi 1931. OCLC 474820095.
  • Lung Chang: Yueh-nan yu Chung-fa chan-cheng (越南與中法戰爭). Taipei 1993. ISBN 957-05-1314-4.
  • Lewis M. Chere: The Hong Kong Riots of October 1884: Evidence for Chinese Nationalism?. in Hong Kong Branch of the Royal Asiatic Society. Nr. 20, Royal Asiatic Society Hong Kong Branch, 1980, ISSN 1991-7295 S. 54–65 (PDF-Datei)
  • Lewis M. Chere: The Diplomacy of the Sino-French War (1883–1885): Global Complications of an Undeclared War. Cross Cultural Publications, 1988, ISBN 0-940121-06-9.
  • E. Duboc: Trente-cinq mois de campagne en Chine, au Tonkin. Paris 1899. OCLC 419559712.
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  • Richard Sims: French Policy towards the Bakufu and Meiji Japan 1854–1895. Routledge, 1998, ISBN 1-873410-61-1.
  • Auguste Thomazi: La conquête de l’Indochine: Avec vingt-deux croquis. Payot, Paris 1934. OCLC 458290895.
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