Tommy Robinson
Tommy Robinson (* 27. November 1982 in Luton; weitere Pseudonyme: Andrew McMaster, Paul Harris; bürgerlich Stephen Yaxley-Lennon)[1] ist ein britischer politischer Aktivist. Er ist Gründer und ehemaliger Leiter der English Defence League (EDL), welche von verschiedenen Kritikern als rechtspopulistisch bis rechtsextrem und als islamfeindlich eingestuft wird – eine Einschätzung, die Robinson teilt und die ihn nach eigener Aussage zum Rücktritt veranlasste. Er ist auch Mitgründer der European Defence League und war 2012 kurzzeitig Vizevorsitzender der rechtsextremen[2] und islamfeindlichen British Freedom Party (BFP). Er unterstützt außerdem die Pegida-Bewegung und beteiligt sich an der Organisation des britischen Ablegers.
Leben und politisches Wirken
Tommy Robinson wurde als Stephen Yaxley-Lennon 1982 im britischen Luton geboren. Er begann eine Ausbildung am Flughafen Luton. 2005 wurde er wegen Körperverletzung zu einer einjährigen Haftstrafe verurteilt. Nach der Entlassung arbeitete er zunächst als Klempner und eröffnete später ein Sonnenstudio.[3]
Im August 2009 stieg er zur Führungsfigur der neu gegründeten English Defence League auf, nachdem er aus einem Richtungsstreit als Sieger hervorgegangen war. Zunächst trat er aus Sorge vor islamistischen und linksextremen Übergriffen in der Öffentlichkeit nur maskiert auf, bis es im April 2010 einem Fotografen gelang, sein Gesicht zu fotografieren. Im Juni desselben Jahres enthüllte das antifaschistische Searchlight Magazine, dass es sich bei Robinson um Yaxley-Lennon handele, der wegen des Angriffs auf einen Polizisten außer Dienst zu zwölf Monaten Gefängnis verurteilt worden war, und entgegen seiner vorgeblichen Distanzierung von der rechtsextremen British National Party (BNP) für zwölf Monate deren Mitglied gewesen sei.[4] 2011 bestritt Robinson Behauptungen von Anders Behring Breivik, wonach jener über umfangreiche Kontakte zur EDL verfüge und an einer ihrer Demonstrationen in Bradford teilgenommen habe.[5][6][7]
Am 6. Juli 2011 schloss die English Defence League einen Kooperationsvertrag mit der rechtspopulistischen Partei British Freedom um den Vorsitzenden Paul Weston, dabei wurden er und der EDL-Vizeleiter Kevin Carroll 2012 zu stellvertretenden Vorsitzenden ernannt.[8] Robinson legte aber schon im Oktober 2012 alle Ämter der British Freedom Partei nieder.[9]
Am 8. Oktober 2013 gab die Quilliam Foundation bekannt, dass Tommy Robinson und Kevin Carroll die gemeinsame Führung der English Defence League verlassen wollen, da sie Bedenken wegen der zunehmenden Instrumentalisierung durch Rechtsextreme hätten. Sie seien zwar nach wie vor gegen den Islamismus, wollen diesem jedoch mit demokratischen Mitteln entgegentreten.[10][11]
Am 19. Oktober 2015 nahm er als einer von mehreren internationalen Gastrednern am einjährigen Jubiläum von PEGIDA in Dresden teil; seine Rede wurde von Götz Kubitschek auf Deutsch übersetzt bzw. vorgelesen.[12]
Am 22. November 2018 gab Gerard Batten, der Vorsitzende der UK Independence Party, bekannt, dass Tommy Robinson ihn zukünftig über die Themen Gruppenvergewaltigungen durch organisierte Banden (rape gangs) und Gefängnisreform beraten würde, weil er zu diesen Themen „ein großes Wissen“ habe. Die Ankündigung führte zu Protesten von verschiedenen Seiten und zum Austritt des bekannten UKIP-Politikers Nigel Farage aus der Partei.[13][14]
Im November 2018 gab Robinson zu, dass er falsche Anschuldigungen gegen einen 15-jährigen syrischstämmigen Schüler der Almondbury Community School auf Facebook in Umlauf gebracht hatte, der sich daraufhin aufgrund der großen Reichweite der Veröffentlichung – der Facebook-Post wurde von 900.000 Menschen gesehen – Anfeindungen und Bedrohungen ausgesetzt sah und in der Folge seine Adresse ändern und seine Ausbildung abbrechen musste.[15] Robinson gab an, er wäre in die Irre geführt worden: „‚[I have] been completely mugged off‘ by ‚some leftie‘.“[16] Der Anwalt des syrischen Jungen wehrte sich gegen Anschuldigungen, dass er durch eine mögliche Klage gegen Robinson die freie Meinungsäußerung einschränken wolle.[17] Im Juli 2021 wurde Robinson wegen Verleumdung („libel“) zu 100.000 Pfund (117.000 Euro) Schadensersatz und zur Zahlung der Anwaltskosten verurteilt.[18][19]
Im März 2019 nahm der Onlineversandhändler Amazon das Buch „Mohammed’s Koran: Why Muslims kill for Islam“ aus dem Programm, das Robinson zusammen mit Peter McLoughlin herausgegeben hatte.[20] Zuvor hatten schon die Social-Media-Plattformen Twitter, Instagram und Facebook die Auftritte von Tommy Robinson wegen wiederholter Verstöße gegen die Plattformrichtlinien gelöscht.[21][22] Die Videoplattform YouTube sperrte Yaxley-Lennons Konto zwar nicht komplett, schränkte die Funktionalität aber stark ein.[23]
Im April 2019 gab Robinson seine Kandidatur als unabhängiger Kandidat für die Europawahl 2019 bekannt.[24] Seine Kandidatur – als erklärter EU-Gegner – wurde in gemäßigten Kreisen scharf kritisiert und als der Versuch gewertet, durch seine mögliche Wahl und der daraus folgenden Immunität als EU-Parlamentarier einer Haftstrafe aus dem zeitgleich laufenden Gerichtsverfahrens zu entgehen.[25] Bei der Wahl erhielt er allerdings nur 2,7 % der Stimmen.[26]
Strafverfahren und Haftstrafen
Tommy Robinson wurden seit 2005 mehrmals Straftaten, unter anderem Körperverletzung, Betrug, Einwanderungsbetrug, Landfriedensbruch und Drogenbesitz vorgeworfen. Er wurde deshalb bisher zu mehr als 10 Haftstrafen rechtskräftig verurteilt: unter anderem 2005 für Körperverletzung, 2013 für die illegale Einreise in die USA, 2014 für Darlehensbetrug, sowie 2017 und 2019 für Missachtung des Gerichtes (contempt of court).[27]
2005 erhielt er seine erste Gefängnisstrafe über 12 Monate, da er betrunken einen Polizeibeamten angegriffen hatte, der allerdings nicht im Dienst war. Daraufhin verlor er seine Lehrstelle am Flughafen Luton.[28]
Am 24. August 2010 wurde Robinson zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, weil er eine Schlägerei zwischen Fans der Fußballvereine von Luton Town und Newport County angeführt hatte.[29]
Am 7. Januar 2013 wurde Robinson von einem britischen Gericht zu zehn Monaten Gefängnis verurteilt, weil er mit dem Reisepass eines Freundes illegal in die USA eingereist war.[1] Er legte gegen das Urteil Berufung ein und wurde am 22. Februar 2013 mit einem elektronischen Ortungssystem ausgestattet und aus der Untersuchungshaft, in welcher er sich seit Ende Oktober des Vorjahres befunden hatte, entlassen.[30][31]
Ende 2013 bekannte sich Robinson des Bankbetrugs für schuldig.[32]
Im Mai 2017 wurde Robinson in Canterbury wegen Missachtung des Gerichts (contempt of court) zu einer dreimonatigen Haftstrafe mit 18 Monaten Bewährung verurteilt, nachdem er in unzulässiger Weise über ein laufendes Strafverfahren wegen bandenmäßiger Vergewaltigung berichtet hatte.
Am 25. Mai 2018 wurde er in Leeds unter dem Vorwurf der Missachtung des dortigen Gerichts festgenommen, weil er – trotz der ihm bekannten Nachrichtensperre – per Facebook-Livestream über ein laufendes Strafverfahren wegen Kindesmissbrauchs berichtete, in welchem er unter anderem die Angeklagten filmte und seine Zuschauer aufforderte, die Angeklagten zu „finden, zu stören und an ihre Tür zu klopfen“[33]. In diesem Zusammenhang wurden ihm Landfriedensbruch (englisch Breach of the peace) und Aufhetzung vorgeworfen.[34][35] Begründet wurde die Festnahme mit dem Verbot, minderjährige Angeklagte zu filmen, sowie der Sorge um die Integrität der Jury bzw. das mögliche Scheitern des aufwendigen Gerichtsverfahrens, wenn die Jury durch eine vorverurteilende Berichterstattung beeinflusst wird. Im August 2018 wurde Robinson gegen Kaution und unter Auflagen auf freien Fuß gesetzt und ein Berufungsverfahren wegen seines Verhaltens in Leeds angeordnet; die Verurteilung wegen des Vorfalls in Canterbury wurde hingegen vom Berufungsgericht bestätigt.[36] Diese Verurteilung und die Umstände der Inhaftierung wird von Robinsons Anhängern stark kritisiert und als Beleg der unangemessenen Verfolgung eines Journalisten (Robinson) sowie Einschränkung der Pressefreiheit gesehen. Es kam in London zu Demonstrationen zugunsten von Robinson.[37][38] Robinsons Anhänger warfen der britischen Justiz unter anderem dessen absichtliche Verlegung in ein Gefängnis mit besonders hoher Anzahl von muslimischen Strafgefangenen vor.[39] Die Vorwürfe wurden in anderen Quellen hinterfragt.[40] Am 5. Juli 2019 wurde Robinson vom Londoner Zentralen Strafgerichtshof Old Bailey im Berufungsverfahren für schuldig befunden, mit seinem Livestream auf Facebook gegen die Nachrichtensperre verstoßen zu haben, welches eine strafbare Missachtung des Gerichtes darstellte (contempt of court).[41] Robinson zeigte sich nach der Urteilsverkündung uneinsichtig und warf dem Gericht vor, er würde dafür verurteilt, wer er sei, aber nicht dafür, was er getan habe.[42] Die Bewährungsstrafe von 2017 wurde aufgrund des neuen Vergehens widerrufen und Robinson zu einer Gefängnisstrafe von insgesamt 19 Wochen verurteilt, von der er allerdings höchstens die Hälfte verbüßen muss.[43][44]
Bibliografie (Auswahl)
- Tommy Robinson Enemy of the State. The Press News Ltd, ISBN 978-0-9570964-9-3[45]
- mit Peter McLoughlin: Mohammed’s Koran. Why Muslims Kill for Islam. CreateSpace Independent Publishing Platform, ISBN 978-0-9955849-0-7
Literatur
- Nigel Copsey: The English Defence League: Challenging our Country and our Values of Social Inclusion, Fairness and Equality. Faith Matters, www.faith-matters.org, 2010. (Online als PDF)
Einzelnachweise
- EDL leader Stephen Lennon jailed for false passport offence. In: bbc.co.uk. 7. Januar 2013, abgerufen am 26. Mai 2019 (englisch).
- Len Tingle: Far right targets West Yorkshire with rallies. In: bbc.com. 14. August 2012, abgerufen am 20. Oktober 2018 (englisch).
- Dominic Casciani: Tommy Robinson: The rancour, rhetoric and riches of brand Tommy. In: bbc.com. 11. Juli 2019, abgerufen am 26. Januar 2020 (englisch).
- Copsey 2010, S. 13–14.
- Mark Hughes, Gordon Rayner: Norway killer Anders Behring Breivik had extensive links to English Defence League. In: telegraph.co.uk. 25. Juli 2011, abgerufen am 18. Mai 2019 (englisch).
- Gordon Rayner: Norway killer Anders Behring Breivik emailed 'manifesto' to 250 British contacts. In: telegraph.co.uk. 26. Juli 2011, abgerufen am 28. November 2018 (englisch).
- BigJay: Official Statement – Anders Breivik. In: englishdefenceleague.org. 24. Juli 2011, archiviert vom Original am 31. Juli 2011; abgerufen am 17. November 2019 (englisch).
- EDL and British Freedom Press Conference auf YouTube, 6. Juli 2013, abgerufen am 16. September 2018.
- Tommy Robinson Steps Down From Party To Devote All His Energy to EDL. In: britishfreedom.org. Archiviert vom Original am 21. Oktober 2012; abgerufen am 1. Mai 2019 (englisch).
- Quilliam facilitates Tommy Robinson leaving the English Defence League. In: quilliaminternational.com. 8. Oktober 2013, abgerufen am 30. Mai 2018 (englisch).
- EDL leader Tommy Robinson quits group. In: bbc.com. 8. Oktober 2013, abgerufen am 27. Mai 2018 (englisch).
- Demo in Dresden am 19. Oktober 2015 – Pegida – Rede 11 – Tommy Robinson auf YouTube, 21. Oktober 2015, abgerufen am 14. September 2018.
- Nigel Farage: Ditch UKIP leader for hiring Tommy Robinson. BBC News, 23. November 2018, abgerufen am 23. November 2018 (englisch).
- Former leader Nigel Farage quits UKIP. In: bbc.com. 4. Dezember 2018, abgerufen am 16. März 2019 (englisch).
- Syrian refugee attack: Family plan to sue Tommy Robinson over allegations against teenage victim. In: independent.co.uk. 29. November 2018, abgerufen am 18. April 2019 (englisch).
- Tommy Robinson admits he shared ‘fake news’ about Muslims attacking boy at school where Syrian refugee was filmed being bullied. In: standard.co.uk. 30. November 2018, abgerufen am 18. April 2019 (englisch).
- Aasma Day: Lawyer Suing Tommy Robinson On Behalf Of Syrian Refugee Dismisses Claims He Is Blocking Free Speech. In: huffingtonpost.co.uk. 3. Dezember 2018, abgerufen am 15. Dezember 2019 (englisch).
- DER SPIEGEL: Tommy Robinson: Britischer Rechtsextremist muss 100.000 Pfund Schadensersatz zahlen. Abgerufen am 23. Juli 2021.
- Tommy Robinson loses Jamal Hijazi libel case. In: BBC News. 22. Juli 2021 (bbc.com [abgerufen am 23. Juli 2021]).
- Amazon bans book co-written by Tommy Robinson from their website. 7. März 2019, abgerufen am 18. April 2019 (englisch).
- Alex Hern, Jim Waterson: Tommy Robinson banned from Facebook and Instagram. In: theguardian.com. 26. Februar 2019, abgerufen am 14. Mai 2019 (englisch).
- Kevin Rawlinson: Tommy Robinson permanently banned by Twitter. In: The Guardian. 28. März 2018, ISSN 0261-3077 (theguardian.com [abgerufen am 18. April 2019]).
- Markus Richter: Rechtspopulismus bei YouTube – Eingeschränkt, aber nicht gesperrt. Gespräch mit Sebastian Wellendorf. In: deutschlandfunk.de. 4. April 2019, abgerufen am 20. April 2019.
- Tommy Robinson 'standing as European elections candidate'. 25. April 2019, abgerufen am 28. April 2019 (englisch).
- Nick Lowles: Anyone who votes for Tommy Robinson will be let down. In: Metro. 26. April 2019, abgerufen am 29. April 2019 (amerikanisches Englisch).
- Jennifer Williams: What are the Greater Manchester European Election 2019 results? 27. Mai 2019, abgerufen am 27. Mai 2019.
- Peter Stubley: Tommy Robinson case – live: EDL founder’s supporters attack journalists after he is jailed for contempt of court. In: independent.co.uk. 11. Juli 2019, abgerufen am 14. Oktober 2021 (englisch).
- Who is the real Tommy Robinson?. The Daily Telegraph. Abgerufen am 10. März 2019.
- EDL founder Stephen Lennon guilty over football brawl. In: bbc.com. 25. Juli 2011, abgerufen am 26. Juli 2021 (englisch).
- Christopher Arden: English Defence League leader 'released from jail', Guardian. 22. Februar 2013.
- Dominic Gover: EDL Leader Tommy Robinson Faces Trial for Passport Allegation after 9/11 US Speech, International Business Times. 22. Oktober 2012. Abgerufen am 22. Februar 2013.
- EDL founder Stephen Yaxley-Lennon admits mortgage fraud. In: bbc.com. 26. November 2013, abgerufen am 29. Mai 2019 (englisch).
- Tommy Robinson 'encouraged vigilantes' in live video outside grooming gang trial. In: Metro. 9. Juli 2019, abgerufen am 23. Juli 2019 (amerikanisches Englisch).
- Lizzie Dearden: Tommy Robinson arrested for 'breaching the peace' outside court during grooming trial. In: The Independent vom 25. Mai 2018
- Benjamin Konietzny: Neue Freiheitsikone der Rechten – Warum Tommy Robinson wirklich einsitzt. In: n-tv.de. 30. Mai 2018, abgerufen am 3. August 2018.
- Owen Bowcott, Emma Snaith: Tommy Robinson freed on bail as court orders retrial. In: theguardian.com. 1. August 2018, abgerufen am 26. September 2018 (englisch).
- Who Is Tommy Robinson And Why Has His Arrest Captivated The Right Wing Media? Abgerufen am 18. April 2019 (englisch).
- Hundreds demonstrate in Downing Street after far-right figure Tommy Robinson arrested. 27. Mai 2018, abgerufen am 18. April 2019 (englisch).
- Tommy Robinson complains he was 'mentally tortured' because he had no TV in prison. 4. August 2018, abgerufen am 28. April 2019 (englisch).
- Mikey Smith, Oliver MacKenzie: No, Tommy Robinson hasn't been moved to a 71 per cent Muslim prison. 14. Juni 2018, abgerufen am 28. April 2019.
- Tara John CNN: Tommy Robinson faces jail time after being found guilty of contempt of court. Abgerufen am 8. Juli 2019.
- Tommy Robinson guilty over Facebook broadcast. In: bbc.com. 5. Juli 2019, abgerufen am 28. Juli 2019 (englisch).
- Tommy Robinson’s supporters erupt as he is jailed for contempt of court - follow live updates. 11. Juli 2019, abgerufen am 11. Juli 2019 (englisch).
- Ben Quinn: Tommy Robinson given nine-month jail term for contempt of court. In: theguardian.com. 11. Juli 2019, abgerufen am 11. Juli 2019 (englisch).
- Jamie Bartlett: What’s it like to be Britain’s most hated man? Ask Tommy Robinson. In: telegraph.co.uk. 4. Februar 2016, abgerufen am 3. Januar 2020 (englisch).