Tibetaufstand 1959
Der Tibetaufstand, der am 10. März 1959 in Lhasa, der Hauptstadt von Tibet, ausbrach, richtete sich gegen die Regierung der Volksrepublik China. Obgleich eine tibetische Regierung bis 1959 bestand, war Tibet seit der Invasion durch die Volksbefreiungsarmee 1950 de facto unter chinesischer Herrschaft.[1] Der Jahrestag des Aufstands wird von vielen Tibet-Unabhängigkeitsgruppen als „Tag des Tibetaufstands“ begangen. Einige betrachten den Xunhua-Zwischenfall von 1958 als Vorläufer des tibetischen Aufstands.[2][3]
Geschichte
Ende der 1950er Jahre wuchs der Widerstand gegen die chinesische Präsenz in Tibet innerhalb der Stadt Lhasa.[4] Erste bewaffnete Widerstände einiger Tibeter begannen bereits 1956 in den Provinzen Kham und Amdo, die Volksbefreiungsarmee reagierte mit der Stationierung zusätzlicher Truppen im östlichen Tibet. Zusätzlich ließ die chinesische Regierung einige Strafaktionen gegen Dörfer und Klöster in Tibet durchführen. Außerdem drohten chinesische Offiziere, die Residenz des Dalai Lama, den Potala-Palast, zu zerstören und den Dalai Lama selbst umzubringen, um die Aufständischen einzuschüchtern.
Am 1. März wurde der 14. Dalai Lama Tendzin Gyatsho ungewöhnlicherweise dazu eingeladen, einer Theateraufführung beim Hauptquartier der Volksbefreiungsarmee außerhalb von Lhasa beizuwohnen. Der Dalai Lama, der sich gerade für seinen Lhrarampa Geshe-Abschluss vorbereitete, verschob zunächst die Einladung, sodass der Termin auf den 10. März gelegt wurde. Am Vortag besuchten chinesische Armeeoffiziere den Chef der Leibwache des 14. Dalai Lamas. Dabei bestanden sie darauf, dass der 14. Dalai Lama ohne seine Leibwache zur Theateraufführung kommen und dass es entgegen aller Tradition keine öffentliche Zeremonie für seine Prozession von seiner Residenz zum Hauptquartier geben sollte.
Als die Nachricht von dieser Einladung in Lhasa verbreitet wurde, befürchteten Teile der tibetischen Bevölkerung, dass der Dalai Lama entführt werden sollte. Am 10. März versammelten sich etwa 30.000 Tibeter an der Residenz des Dalai Lama, um ihn an dem Besuch der Theateraufführung zu hindern. Allgemein wird dieses Ereignis als Beginn des Tibetaufstands gesehen, obwohl das chinesische Militär sich bereits im Dezember des Vorjahres Kämpfe mit Guerillaeinheiten außerhalb Lhasas geliefert hatte.
Am 12. März gingen erste Protestierende auf die Straßen Lhasas, um die Unabhängigkeit Tibets und damit die Befreiung von der chinesischen Herrschaft auszurufen. Daraufhin wurden erste Barrikaden in den Straßen der tibetischen Hauptstadt errichtet, sowohl chinesische als auch tibetische Militärkräfte verstärkten ihre Stellungen in Vorbereitung auf eine Auseinandersetzung innerhalb und außerhalb Lhasas. Die Tibeter sandten gleichzeitig einen Hilferuf an den indischen Gesandten.
Die chinesischen und tibetischen Truppenstellungen wurden in den darauffolgenden Tagen kontinuierlich verstärkt. Zusätzlich positionierte das chinesische Militär Teile seiner Artillerie außerhalb der Sommerresidenz der Dalai Lamas, des Norbulingka. Am 15. März bereitete das tibetische Militär eine Flucht des 14. Dalai Lama aus der Stadt vor, das Militär sollte dafür einen Fluchtkorridor freihalten. Diese Flucht war bereits länger geplant. Bis zu diesem Zeitplan hatte der Dalai Lama Kunstschätze und Goldstaub im Wert von 42 Millionen US-Dollar aus den Klöstern an die tibetanisch-indische Grenze schaffen lassen.[5] Am 17. März schlugen zwei chinesische Artilleriegeschosse in der Nähe der Residenz ein, was den Dalai Lama dazu veranlasste, sich ins Exil zu begeben.
Der offene Konflikt brach am Abend des 19. März mit der Bombardierung des Norbulingka und der Hauptklöster in Lhasa aus. Die Kampfhandlungen dauerten nur zwei Tage, da die tibetischen Kräfte zahlenmäßig weit unterlegen und schlechter bewaffnet waren.
Auswirkungen
Es wird geschätzt, dass es insgesamt während des Aufstandes etwa 89.000 Tote gab. Der Norbulingka wurde in etwa 800 Mal getroffen, eine unbekannte Anzahl an Tibetern starb in den Trümmern des Palastes. Lhasas drei Hauptklöster – Sera, Ganden und Drepung – wurden ebenso stark in Mitleidenschaft gezogen. Das chinesische Militär entwaffnete die restlichen Mitglieder der Leibwache des 14. Dalai Lamas, die in Lhasa geblieben waren, und richtete diese öffentlich hin. Zusätzlich fanden noch Hinrichtungen anderer Tibeter statt, die Waffen versteckt hatten. Unzählige Mönche wurden hingerichtet oder festgenommen, Klöster und Tempel wurden geplündert oder zerstört.
Siehe auch
Einzelnachweise
- Chen Jian: The Tibetan Rebellion of 1959 and China's Changing Relations with India and the Soviet Union (PDF; 214 kB)
- Siling Luo: 西藏的秘密战争,究竟发生了什么?(下) (zh) In: The New York Times. 22. Juni 2016.
- Jianglin Li: Tibet in Agony (en). Harvard University Press, 10. Oktober 2016, ISBN 978-0-674-08889-4.
- Geschichte des Aufstandes auf den Seiten der tibetischen Exilregierung (Memento vom 14. April 2008 im Internet Archive), (englisch)
- Colin Goldner: Hinter dem Lächeln des Dalai Lama (Vortrag Uni Wien am 18. Mai 2012)