Thomas Wizenmann
Thomas Wizenmann (* 2. November 1759 in Ludwigsburg; † 22. Februar 1787 in Mülheim an der Ruhr) war ein deutscher Theologe, Philosoph und Schriftsteller.
Leben
Der Sohn eines gleichnamigen pietistischen Tuchmachers, der Aufseher am Ludwigsburger Waisen-, Zucht- und Arbeitshaus war, besuchte in seiner Heimatstadt die Waisenhausschule und die Lateinschule, wo er in einer Klasse mit Friedrich Schiller saß. 1775 wurde er Hausdiener (Famulus) am Tübinger Evangelischen Stift, was ihm die Möglichkeit eröffnete, sich für den Lehrerberuf zu qualifizieren. Obwohl ein Theologiestudium der Famuli unerwünscht war, verließ er sein Amt 1777, und zwar im Streit mit dem Ephorus Uhland. Am 28. Oktober dieses Jahres bestand er bereits die Magisterprüfung an der Universität. Wizenmann studierte danach Theologie, wurde aber nicht zum Examen zugelassen und trat eine Hauslehrerstelle bei dem Pfarrer Philipp Matthäus Hahn in Kornwestheim an. Dieser förderte ihn und erreichte die Zulassung zum Theologie-Examen, das Wizenmann am 3. März 1780 in Stuttgart knapp bestand. Allerdings war ihm der württembergische Pfarrdienst verschlossen. Daher nahm er ein Vikariat im ritterschaftlichen Dorf Essingen bei Aalen an. Sein Vorgesetzter war der Pfarrer Maximilian Schülen.[1] 1783 wurde Wizenmann Hauslehrer bei der Fabrikantenfamilie Siebel in Barmen. Als er 1785 aus Gesundheitsgründen seinen Dienst nicht mehr versehen konnte, nahm ihn der Philosoph und Schriftsteller Friedrich Heinrich Jacobi, mit dem er eine sehr enge Freundschaft pflegte, auf seinem Gut Pempelfort (damals bei, heute in Düsseldorf) auf. 1786 stellte ihn der Senat der Universität Duisburg an die Spitze einer Dreierliste für den Lehrstuhl für Logik und Metaphysik, doch zur Anstellung kam es nicht mehr. Im Haus seines Arztes Georg von Wedekind (damals in Mülheim an der Ruhr) erlag Wizenmann seinem schweren Lungenleiden.
Bedeutung
Wizenmann, der vor allem durch die Werke Spinozas, Hahns, Moses Mendelssohns, Lessings und Herders stark beeinflusst wurde, beteiligte sich am sogenannten Pantheismusstreit. In einem 1786 erschienenen Buch verteidigte er die Position seines Freundes Jacobi.[2] Wizenmann veröffentlichte 1787 im Deutschen Museum eine Kritik an Immanuel Kant, der seinerseits in der Kritik der praktischen Vernunft (1788) sich in einer Fußnote auf diese Abhandlung und ihren Verfasser bezog: "einem sehr feinen und hellen Kopfe, dem sel. Wizenmann, dessen früher Tod zu bedauren ist".[3]
Werke (Auswahl)
- (anonym) Göttliche Entwiklung des Satans durch das Menschengeschlecht. Dessau 1782
- (anonym) Die Resultate der Jacobischen und Mendelssohnschen Philosophie; kritisch untersucht von einem Freywilligen. Leipzig 1786; Neuausgabe mit einem Nachwort von Reiner Wild. Hildesheim 1984 ISBN 3-8067-0901-7
- An den Herrn Professor Kant, von dem Verfasser der Resultate Jacobi'scher und Mendelssohn'scher Philosophie. In: Deutsches Museum 1787, Bd. 1, S. 116–156
- Die Geschichte Jesu nach dem Matthäus als Selbstbeweis ihrer Zuverläßigkeit betrachtet. Leipzig 1789
- Die Geschichte Jesu, nach Matthäus als Selbstbeweis ihrer Zuverlässigkeit betrachtet. Hrsg. "mit einer Einleitung und dem Meisten und Bedeutendsten aus Wizenmanns Nachlasse" von Carl August Auberlen. Basel 1864
Nachlass
Johann Friedrich Kleuker erhielt ungedruckte Schriften Wizenmanns, die in vier Bänden in der Universitätsbibliothek Kiel unter der Signatur KB 155 einsehbar sind.[4] Weitere Unterlagen sind im Nachlass des Alexander von der Goltz, der eine zweibändige, materialreiche Biographie Wizenmanns mit vielen Textwiedergaben und Briefauszügen verfasste, im Universitätsarchiv Greifswald erhalten geblieben.
Wizenmann war an einer pietistischen Zirkularkorrespondenz beteiligt, bei der Briefe handschriftlich mit einem festgelegten Reiseweg an die Beteiligten verteilt wurden.
Literatur
- Alexander von der Goltz: Thomas Wizenmann, der Freund Friedrich Heinrich Jacobi's. 2 Bände, Gotha 1859.
- Max Heinze: Wizenmann, Thomas. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 43, Duncker & Humblot, Leipzig 1898, S. 678–680.
- Oskar Paret: Dem Philosophen und Dichter Thomas Wizenmann zum 200. Geburtstag am 2. November. In: Hie gut Württemberg vom 13. November 1959, S. 64.
- Walter Hagen: Magister Thomas Wizenmann. Theologe, Philosoph und Dichter. In: Lebensbilder aus Schwaben und Franken 9 (1963), S. 113–133
- Hermann Timm: Gott und die Freiheit. Studien zur Religionsphilosophie der Goethezeit. Bd. 1, Frankfurt/M. 1974, S. 242–275
- Pfarrerbuch Württembergisch Franken. Teil 2. Bearb. von Otto Haug unter Mitarbeit von Max-Adolf Cramer und Marlene Holtzmann. Stuttgart 1981, S. 510 Nr. 2967.
- Reiner Wild: Nachwort. In: Wizenmann 1984 (wie oben), S. 1*–29*
- Frederick C. Beiser: The Fate of Reason. German Philosophy from Kant to Fichte. Cambridge, Mass.: Harvard University Press 1987, S. 109–122.
- Stephan Zehnle: „Nichts fehlte ihm als ein längeres Leben …“. Thomas Wizenmann, der Freund Philipp Matthäus Hahns. In: Philipp Matthäus Hahn 1739–1790. Bd. 2 (1989), S. 357–366.
- Rüdiger Otto: Studien zur Spinozarezeption in Deutschland im 18. Jahrhundert. Frankfurt/M. u. a.: Peter Lang 1994, S. 194–214 (nicht eingesehen).
- Martin Brecht: Thomas Wizenmann und sein Kreis [1986]. Wieder in: Martin Brecht: Ausgewählte Aufsätze. Bd. 2, Stuttgart 1997, S. 500–513.
- Michael Knieriem: Thomas Wizenmanns Aufenthalt in Barmen 1783–1786. In: Geschichte im Wuppertal 14 (2005), S. 8–21
- Bernd-Ulrich Hergemöller in: Mann für Mann. Biographisches Lexikon zur Geschichte von Freundesliebe und mannmännlicher Sexualität im deutschen Sprachraum. Berlin: Lit-Verlag. Bd. 2 (2010), S. 1285–1287 ISBN 978-3-643-10693-3.
- Mario Müller in: Deutsches Literatur-Lexikon. Begründet von Wilhelm Kosch. 3. Auflage Bd. 34 (2015), Sp. 509–513 (abgerufen über De Gruyter Online).
- Michael Albrecht in: Kant-Lexikon. Hrsg. von Marcus Willaschek u. a. Bd. 3. Berlin/Boston 2015, S. 2677–2678 (abgerufen über De Gruyter Online).
Weblinks
Einzelnachweise
- Klaus Graf: Johann Gottfried Pahl (1768-1839) als Vikar in Essingen. In: Archivalia vom 30. Juli 2018.
- Die Hauptschriften zum Pantheismusstreit zwischen Jacobi und Mendelssohn. Herausgegeben und mit einer historisch-kritischen Einleitung versehen von Heinrich Scholz. Berlin 1916, S. CXXVI-CXXVIII Internet Archive.
- Erstausgabe: Critik der practischen Vernunft. Riga 1788, S. 259 Google Books.
- Inhaltsangabe 1874: Google Books.