Terminmarkt
Der Terminmarkt ist der ökonomische Ort, an dem Angebot und Nachfrage nach Termingeschäften aufeinandertreffen. Er bildet das Komplement zum Kassa- oder Spotmarkt.
Grundzüge
Die am Terminmarkt abgeschlossenen Geschäfte sind in einem fest vereinbarten Zeitraum, der mindestens drei Handelstage nach dem Geschäftsabschluss liegen muss, beidseitig durch die Vertragspartner zu erfüllen. Das unterscheidet den Terminmarkt vom Kassamarkt, bei dem die Kassageschäfte spätestens nach zwei Handelstagen beidseitig zu erfüllen sind. Artikel 38 Abs. 2 der EU-Verordnung vom 10. August 2006 (1287/2006) spricht von einem Termingeschäft, wenn unabhängig von seinen ausdrücklichen Bedingungen eine Absprache zwischen den Vertragsparteien besteht, der zufolge die Lieferung des Basiswerts über zwei Handelstage hinaus verschoben wird. Entscheidend für die Zuordnung zum Terminmarkt ist somit die gegenseitige Erfüllung des Geschäfts mit einer über zwei Handelstage hinaus verschobenen Frist.
Handelsobjekte an den Terminmärkten sind Devisen, Wertpapiere, Metalle oder sonstige vertretbare Sachen in Form von standardisierten Verträgen über zukünftig zu erfüllende Geschäfte, die als derivative Instrumente (oder kurz: Derivate) bezeichnet werden. Der Preis für den Handelsgegenstand („Basiswert“), auf den sich ein Vertrag im Terminmarkt bezieht, wird bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses festgelegt und gilt unabhängig von der während der Laufzeit des Termingeschäfts eintretenden Preisentwicklung.
Funktionen
Terminmärkte gehören zu den Zukunftsmärkten, welche die Spot- bzw. Kassamärkte ergänzen. Terminmärkte bestehen, weil wirtschaftliche Unsicherheiten unvermeidbar sind, künftige wirtschaftliche Entwicklungen nicht vollkommen vorhersehbar sind und Menschen auch bei gleichem öffentlich zugänglichen Wissen unterschiedliche Erwartungen entwickeln. Beim Devisenmarkt ist zu beobachten, dass der Devisenterminkurs normalerweise vom Devisenkassakurs abweicht, weil eine Zinsdifferenz zwischen den gehandelten Währungen besteht und/oder Erwartungen der Marktteilnehmer über künftige Auf- oder Abwertungen der betroffenen Währungen eingepreist werden. Auf dem Terminmarkt wirken sich Erwartungen der Marktteilnehmer über Datenveränderungen intensiver aus als auf dem Kassamarkt, weil der Zeitraum bis zur Erfüllung der Geschäfte größer ist und damit eine höhere Wahrscheinlichkeit von Datenänderungen einhergeht.
Preisbildung
Die Preise an den Terminmärkten bilden sich durch Angebot und Nachfrage. Dies geschieht jedoch nicht losgelöst von der Preisbildung an den Kassamärkten. Für Basiswerte, die reine Finanzanlagen sind, kann der faire Terminpreis aus dem Kassapreis theoretisch hergeleitet werden. Für lagerfähige Basiswerte, die einen Gebrauchsnutzen haben, kann zumindest eine obere Grenze für den Terminpreis hergeleitet werden.
Die Herleitung des fairen Terminpreises beruht auf dem Vergleich zwischen zwei gleichwertigen Strategien:
- Man kauft den Basiswert heute zum Kassakurs und lagert ihn bis zur Fälligkeit, wobei man den Kaufpreis durch Kreditaufnahme finanziert.
- Man vereinbart heute einen Terminkauf.
Die erste Strategie bildet den Terminkauf durch Kassageschäfte nach (Replikation).
Keine der beiden Strategien darf gegenüber der anderen finanziell vorteilhaft sein. Wäre dies nämlich der Fall, könnte man durch gleichzeitigen Abschluss eines Termingeschäfts und Replikation der entgegengesetzten Position mit Kassageschäften einen Gewinn erzielen, ohne ein dabei einem Marktpreisrisiko ausgesetzt zu sein. Man sagt auch, dass der Terminpreis nicht mehr arbitragefrei wäre.
Im Folgenden wird für verschiedene Konstellationen die Ableitung des fairen Terminpreises dargestellt. Dabei werden die folgenden Formelzeichen verwendet:
- die Zeit,
- den heutigen Zeitpunkt,
- den Ausübungszeitpunkt (Fälligkeit des Termingeschäfts),
- den Kurs des Basiswertes zu Zeitpunkt t, insbesondere
- den Kurs des Basiswertes jetzt (Kassakurs),
- den Kurs des Basiswertes bei Fälligkeit,
- den fairen Terminpreis,
- den im Vertrag vereinbarten Ausübungspreis,
- den Zinssatz für die Laufzeit bis zum Zeitpunkt t
In den Formeln wird von einer exponentiellen Verzinsung ausgegangen (siehe Zinsrechnung). Bei linearer oder stetiger Verzinsung haben die Auf- und Abzinsfaktoren eine andere Form.
Termingeschäft auf Finanzwerte ohne Erträge
Der einfachste Fall ist ein Termingeschäft auf einen Finanzwert, der keine Erträge auszahlt, z. B. eine dividendenfreie Aktie.
Kauft man gemäß Replikationsstrategie den Basiswert heute, muss der Kaufpreis über einen Kredit finanziert werden.
Ein Beispiel: Eine Aktie wird auf Termin 1 Jahr gekauft. Der aktuelle Kurs der Aktie sei 40 EUR, der Zins für 1 Jahr 2 %. Für die Durchführung der Replikationsstrategie müsste der Kaufpreis für 1 Jahr finanziert werden. Die Zinslast hierfür sind 0,80 EUR (2 % auf 40 EUR für 1 Jahr). Nach dem Jahr müssen insgesamt 40,80 EUR Zins- und Tilgung geleistet werden.
Diese Summe aus Kassakurs und Haltekosten ist der faire Terminpreis.
Man erkennt, dass dieser Preis arbitragefrei ist: Führt man das beschriebene Replikationsgeschäft durch und tätigt als Gegengeschäft einen Terminverkauf der Aktie, fallen über das Jahr weder Gewinne oder Verluste an:
- Der Terminverkäufer liefert die jetzt gekaufte Aktie bei Fälligkeit an den Terminkäufer.
- Dafür erhält er den Terminpreis von 40,80 EUR.
- Mit diesem Erlös kann er genau den Kredit zurückführen und die Zinsen begleichen.
Als Formel ausgedrückt ist der faire Terminpreis der über die Laufzeit des Termingeschäfts aufgezinste Kassakurs.
Im Falle positiver Zinsen liegt bei Finanzwerten ohne Ertrag der faire Terminpreis immer über den Kassapreis.
Termingeschäfte auf Finanzwerte mit stetigem Ertrag
Finanzwerte mit stetigem Ertrag sind z. B. Rentenpapiere und Devisen.
Die Erträge aus dem Basiswert reduzieren die Haltekosten für den Basiswert und verringern den Terminpreis. Entsprechend muss das Beispiel aus dem vorangegangenen Abschnitt modifiziert werden.
100 US-Dollar werden auf Termin 1 Jahr gekauft. Der aktuelle Wechselkurs sei 0,8000 Euro pro US-Dollar, ausgedrückt als Preisnotierung (siehe Wechselkurs; üblich ist für US-Dollar die Mengennotierung, die Preisnotierung wurde hier aus Gründen der Nachvollziehbarkeit gewählt). Der Euro-Zins für 1 Jahr sei wiederum 2 %.
Da USD auf einem Konto verzinslich angelegt werden können, muss für die Durchführung der Replikationsstrategie eine Menge US-Dollar gekauft werden, die einschließlich Zinsen in einem Jahr die Summe von 100 US-Dollar ergibt. Der Zinssatz für US-Dollar betrage 1,4 %. Kauft man heute 98,62 USD und legt diese für 1 Jahr zu 1,4 % an, erhält man in einem Jahr 1,38 US-Dollar Zinsen und verfügt so über die benötigten 100 US-Dollar (Rundungsdifferenzen wurden vernachlässigt).
Für den Kauf der 98,62 US-Dollar sind bei dem genannten Wechselkurs 78,90 EUR aufzuwenden. Die Finanzierungskosten für 1 Jahr betragen 1,58 EUR (2 % auf 78,90 EUR für 1 Jahr). Um in einem Jahr über 100 US-Dollar zu verfügen, müssen also in einem Jahr 80,48 EUR (78,90 EUR + 1,58 EUR) bezahlt werden. Entsprechend ist der faire Terminkurs 0,8048 Euro pro US-Dollar.
Die Tatsache, dass der Basiswert Erträge abwirft, verringert bei Devisen die Haltekosten, da im Replikationsgeschäft ein geringerer Betrag finanziert werden muss.
Dieser Zusammenhang kann rechnerisch mit der Formel
ausgedrückt werden, wobei den Zinssatz für die Fremdwährung und den Kassakurs für die Fremdwährung bezeichnet.
Termingeschäft auf Aktien mit Dividendenzahlung
Der faire Terminpreis für Aktien, die während der Laufzeit des Termingeschäfts eine Dividende zahlen, lässt sich analog zum fairen Terminpreis eines Finanzwertes mit stetigem Ertrag ermitteln. Die Dividende ist ein Ertrag, der die Kosten für das Halten des Basiswertes verringert. Der faire Terminpreis ist
,
wobei der Barwert der Dividendenzahlung ist.
Termingeschäfte auf reale Güter
Von den bisher aufgeführten Beispielen können sich Termingeschäfte auf reale Güter („Commodities“) dadurch unterscheiden, das es bei realen Gütern von Vorteil sein kann, über diese tatsächlich zu verfügen.
Ob und wieweit dies der Fall ist, hängt von der Art des Gutes ab. Gold und Silber haben zwar gewisse industrielle Anwendungen, werden aber hauptsächlich von Investoren wie Finanzwerte gehalten. Der faire Terminpreis errechnet sich analog dem für Aktien mit Dividendenzahlung. Dabei werden die Lagerkosten wie eine negative Dividende behandelt:
,
U ist der Barwert der Lagerkosten. Alternativ können die Lagerkosten als relative jährliche Lagerkosten ausgedrückt werden. Dann ist die Formel für Finanzwerte mit stetigem Ertrag anwendbar, wobei in der Formel die Lagerkosten als negative Erträge angesetzt werden.
Bei Gütern wie Rohöl, Bauholz oder landwirtschaftlichen Erzeugnissen kann der Gebrauchsnutzen nicht vernachlässigt werden. Deshalb sind die bisher gebrauchten Arbitrageargumente nur beschränkt gültig; im Ergebnis liefert die bisherige Herleitung des fairen Terminpreises eine Obergrenze.
Ist der am Markt gehandelte Terminpreis größer als
,
gilt immer noch, dass der Arbitrageur sich den Geldbetrag leihen, dafür das Gut kaufen und lagern kann. Verkauft er gleichzeitig das Gut am Terminmarkt zum Terminpreis , macht er bei Fälligkeit des Termingeschäftes einen sicheren Gewinn. Die Ausführung dieser Arbitragestrategie erhöht die Nachfrage nach dem Gut auf dem Kassamarkt und das Angebot auf dem Terminmarkt, wodurch der Kassapreis (und damit ) so lange steigt und der Terminpreis so lange sinkt, bis wieder gilt.
Andererseits ist es durchaus möglich, dass der am Markt gehandelte Terminpreis kleiner als wird. Um diese Preisdifferenz zu nutzen, müsste der Arbitrageur sich das Gut leihen (analog zur Wertpapierleihe) und leer verkaufen. Marktteilnehmer, die über Lagerbestände in dem Gut verfügen, halten diese jedoch, um sie zu verbrauchen, weshalb ein Leerverkauf im Allgemeinen nicht möglich und die Arbitragestrategie nicht umsetzbar ist.[A 1] Im Ergebnis existiert für den Terminpreis eines Gutes mit Gebrauchsnutzen die Obergrenze
Verfügbarkeitsprämie
Die Differenz in der vorgenannten Ungleichung kann durch die so genannte Verfügbarkeitsprämie (conveniance yield) ausgedrückt werden:
.
Die wie ein Zinssatz ausgedrückte Verfügbarkeitsprämie ist zunächst ein Maß für die Differenz der beiden Seiten der Ungleichung. Sie kann als Maß interpretiert werden, wie stark der Markt das tatsächliche Halten des Gutes gegenüber einer Partizipation am Terminmarkt präferiert. Damit kann sie auch als Markterwartung über zukünftige Lieferengpässe angesehen werden.
Zusammenfassung
Allgemein kommt man zu dem Ergebnis, dass der faire Terminpreis der Kassakurs ist, vermehrt um die Kosten für das Halten des Basiswertes (Refinanzierungskosten, etwaige Lagerkosten), verringert um Erträge, die der Basiswert abwirft (z. B. Zinserträge). Dieser Saldo wird auch als „cost of carry“ bezeichnet.
Drückt man die Auf- und Abzinsungsfaktoren mit Hilfe der stetigen Verzinsung aus, kann der faire Terminpreis für alle finanziellen Basiswerte einheitlich angegeben werden:
.
Der Formel lassen sich die folgenden Zusammenhänge entnehmen:
- Der faire Terminpreis steigt mit Ansteigen des Kassakurses des Basiswertes.
- Der faire Terminpreis liegt über dem Kassakurs, wenn die Haltekosten über den Halteerträgen liegt (also wenn ), sonst darunter.
- Der Terminpreis steigt, wenn die Differenz größer wird.
- Bei längerer Terminfrist
- steigt der faire Terminpreis, wenn die Differenz positiv ist und
- sinkt der faire Terminpreis, wenn die Differenz negativ ist und
Risiken
Die besondere Gefährlichkeit von Termingeschäften und damit das Risiko auf dem Terminmarkt besteht nach Meinung des Bundesgerichtshofs darin, dass sie – anders als Kassageschäfte, bei denen der Anleger sofort Barvermögen oder einen Kreditbetrag einsetzen muss[1] – durch den hinausgeschobenen Erfüllungszeitpunkt zur Spekulation auf eine günstige, aber ungewisse Entwicklung des Marktpreises in der Zukunft verleiten, die die Auflösung des Terminengagements ohne Einsatz eigenen Vermögens und ohne Aufnahme eines Kredits durch ein gewinnbringendes Glattstellungsgeschäft ermöglichen soll[2]. Typischerweise sind mit Börsentermingeschäften die Risiken der Hebelwirkung[3] und des Totalverlustes des angelegten Kapitals sowie die Gefahr, planwidrig zusätzliche Mittel einsetzen zu müssen, verbunden[2]. Deshalb ist es Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach § 26 Abs. 1 Börsengesetz untersagt, Termingeschäfte mit Personen abzuschließen, die mit der Materie nicht vertraut sind. Das BörsG versteht unter Börsenspekulationsgeschäften insbesondere An- und Verkaufsgeschäfte mit hinausgeschobener Lieferzeit, auch wenn sie außerbörslich abgeschlossen werden (§ 26 Abs. 2 BörsG) und Optionen hierauf, wenn sie auf Gewinnerzielung ausgerichtet sind.
Insbesondere auf den Terminmärkten agieren Marktteilnehmer, die aus obigen Gründen an einer effektiven Erfüllung – etwa Lieferung der zu erwerbenden Waren, Wertpapiere oder Devisen – nicht interessiert sind, sondern während der Laufzeit des Terminkontraktes eine Glattstellung zwecks Gewinnerzielung planen.
Sonstiges
Terminmärkte bieten dem versierten Investor zahlreiche zusätzliche Anlagealternativen, die jeweils an die persönlichen Markterwartungen und die Psyche, insbesondere aber an individuelle Risikoneigungen angepasst werden können.
Werden an den Terminmärkten Verträge in standardisierter Form fortlaufend für eine vordefinierte, typisierte Auswahl an Handelsobjekten institutionalisiert abgeschlossen, spricht man von Terminbörsen. Die Terminbörse Eurex ist Weltmarktführer beim Handel von Futures und Optionen.
Anmerkungen
- Für einen Marktteilnehmer mit Lagerbeständen gäbe es eine analoge Arbitragestrategie: Er könnte seinen Lagerbestand verkaufen und auf Termin zurückkaufen. Der Verkaufserlös legt er für die Laufzeit verzinslich an, außerdem spart er so lange die Lagerkosten. Bei M < F ergibt sich ein sicherer Gewinn. Auch dieser Strategie steht der Wunsch, das Gut zu nutzen, entgegen.
Einzelnachweise
- BGHZ 103, 84, 87
- BGHZ 150, 164, 169
- BGHZ 139, 1, 6