Teerkuhlen am Kuhlenberg
Die Teerkuhlen am Kuhlenberg bei Hänigsen in der Gemeinde Uetze südlich der Ölstadt Celle (Region Hannover) finden sich am Kuhlenberg, einer leichten Anhöhe nördlich des Ortes am Celler Weg in Höhe des Kaliwerks Riedel. Die schon im 16. Jahrhundert erwähnten, heute denkmalgeschützten künstlichen Senken zur Gewinnung von Teer gelten als die wichtigsten Zeugnisse der Geschichte Hänigsens.[1] Hier liegen die Anfänge der deutschen Erdölindustrie. Von diesem Ursprungsort hat sich das Zentrum der deutschen Erdölindustrie in den folgenden 470 Jahren nie weit entfernt. In Celle konzentrierten sich die Zulieferer von seismischen Geräten, von Messtechnik, Bohr- und Förderanlagen.
Historischen Anfänge der Erdölindustrie
Die Teerkuhlen am Kuhlenberg wurden schon im Jahr 1546 vom Chemnitzer Geologen und Bürgermeister Georgius Agricola in seinem Werk De natura eorum, quae effluunt ex terra erwähnt.[2] Sie spiegeln eine frühe und technisch sehr einfache Form der Erdöl-Gewinnung: Menschen stabilisierten hier durch Holzverschalungen rechteckige Bodenvertiefungen an wasserführenden, natürlichen Ölquellen. Der auf dem Wasser abgelagerte und schwimmende Teer wurde mehrmals am Tag abgeschöpft. Diese Arbeiten sowie die Bearbeitung und Instandhaltung der Quellen erfolgte durch den sogenannten „Kuhlenkerl“. Meist hatten sich mehrere Bauern des Ortes gemeinsam eine Quelle gekauft, die auch den Kuhlenkerl bezahlten.[1] Die „Teerkerlen“ mussten die klebrige schwarze Masse abschöpfen, in Fässer füllen und mit Handkarren auf die Märkte fahren. Das „Hängser Teer“ oder „Wagenschmer“ wurde bis nach Hamburg verkauft. Damit etablierten die größten Bauern der Gegend Hänigsen, als erste in der Neuzeit, den Handel mit dem schwarzen Öl aus ihren Tümpeln und zogen einen schwunghaften, überregionalen Handel auf.
1858 wurde nur ein paar Kilometer weiter nördlich, an der Wallmann'schen Teerkuhle bei Wietze, die erste erfolgreich durchgeführte Bohrung nach freifließendem Erdöl der Welt niedergebracht, durch den Landvermesser Georg Christian Konrad Hunäus, und zwar sogar noch einige Monate vor der legendären Bohrung des Colonels Edwin Drake in Titusville, Pennsylvania – an der der Beginn des Erdölzeitalters festgemacht wird.[3][4] Anfang des 20. Jahrhunderts ragten in der Region Hunderte Bohrtürme in die Höhe, was den Landstrich Wietze-Hänigsen zeitweise den Namen „Klein-Texas in der Heide“ einbrachte. Im Jahr 1930 wurden insgesamt 40 Teerkuhlen am Kuhlenberg erfasst, die – nach alter Tradition – aus Sicherheitsgründen durch einen künstlichen Wall von der umgebenden freien Landschaft abgegrenzt worden waren.[1]
1988 wurden die technischen Anlagen der Teerkuhlen als Gesamtanlage durch die Landesdenkmalpflege unter Schutz gestellt. Bei der Beschreibung in der Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland Anfang des 21. Jahrhunderts war eine der Teerkuhlen bereits zu Demonstrationszwecken instand gesetzt und ihre Verschalung rekonstruiert worden.[1]
Die Region gilt als Geburtsstätte der internationalen Erdölindustrie, in der Ölstadt Celle residierten der US-Gigant Halliburton, die Servicekonzerne Baker Hughes und Schlumberger, die Bohrmeisterschule und das älteste Tiefbohrunternehmen Europas, ITAG, das seit 2001 zur Arabian International Petroleum Corporation (AIPC) aus Doha/Katar gehört.[5]
Literatur
- Carolin Krumm (Bearb.), Anne-Kathrin Fricke-Hellberg (Mitarb.), Peter F. Lufen, Dietmar Vonend (Red.) et al.: Gebietskarte 12 sowie Teerkuhlen am Kuhlenberg und Hänigsen, Gem. Uetze, in dies.: Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Baudenkmale in Niedersachsen, Band 13.2: Region Hannover. Nördlicher und östlicher Teil mit den Städten Burgdorf, Garbsen, Langenhagen, Lehrte, Neustadt a. Rbge., Sehnde, Wunstorf und den Gemeinden Burgwedel, Isernhagen, Uetze und Wedemark, hrsg. von Christiane Segers-Glocke, Niedersächsisches Landesverwaltungsamt – Institut für Denkmalpflege, CW Niemeyer, Hameln 2005, ISBN 3-8271-8255-7, S. 94 f., 473, 581
- Cornelia Kuhnert (Text), Günter Krüger: Die Hänigser Teerkuhlen. Wagenschmer im Kasparland, in dies.: 111 Orte rund um Hannover, die man gesehen haben muss, emons, [Köln] 2015, ISBN 978-3-95451-707-7 und ISBN 3-95451-707-8, S. 48 f.; Vorschau über Google-Bücher
Siehe auch
Weblinks
- Teerkuhlen-Museum Hänigsen, Kontaktdaten, Öffnungszeiten und eine kurze Einführung auf der Seite des Museumsverbands für Niedersachsen und Bremen
Einzelnachweise
- Carolin Krumm (Bearb.), Anne-Kathrin Fricke-Hellberg (Mitarb.), Peter F. Lufen, Dietmar Vonend (Red.) et al.: Gebietskarte 12 sowie Teerkuhlen am Kuhlenberg und Hänigsen, Gem. Uetze, in dies.: Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Baudenkmale in Niedersachsen, Band 13.2: Region Hannover. Nördlicher und östlicher Teil mit den Städten Burgdorf, Garbsen, Langenhagen, Lehrte, Neustadt a. Rbge., Sehnde, Wunstorf und den Gemeinden Burgwedel, Isernhagen, Uetze und Wedemark, hrsg. von Christiane Segers-Glocke, Niedersächsisches Landesverwaltungsamt – Institut für Denkmalpflege, CW Niemeyer, Hameln 2005, ISBN 3-8271-8255-7, S. 94 f., 473, 581
- Geschichte der Geowissenschaften in den deutschen Ländern, in: Zeitschrift für Geologische Wissenschaften Bd. 21, 1993, H. 5/6, S. 425–780, hier S. 515; eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
- Christina Sticht: Film erinnert an Ölrausch in der Heide, Mediengruppe Kreiszeitung, 9. Juli 2014
- Daniel Wetzel: Der globale Ölrausch begann in einem Dorf bei Celle, Die Welt, 3. März 2016
- https://www.environmental-expert.com/companies/itag-celle-53494