Taurer
Mit Taurer (altgriechisch Ταῦροι Tauroi), ebenso Scythotaurer oder Tauroscythen (Plinius der Ältere, Naturalis historia 4,85), bezeichneten die griechischen Autoren des Altertums die vorskythische Bevölkerung auf der Halbinsel Krim, welche sie nach ihnen Chersonesos Taurike, Taurica oder Taurida nannten (siehe Hauptartikel Taurien).
Die Taurer waren demnach ein antikes Hirtenvolk, das vornehmlich auf der südlichen Krim siedelte. Durch pontische Griechen, die seit dem 7. Jahrhundert v. Chr. an den Küsten der Krim Kolonien gründeten, kam die griechische Welt in Berührung mit den Taurern und Skythen. Wissenschaftlich fassbar wird die Ethnie allerdings nur aus den Berichten der antiken Autoren. Archäologisch sind sie schwer von den Skythen und Sarmaten zu unterscheiden. Zwar rechnet man die bronzezeitliche Keramik zumeist den Taurern zu, allerdings besaß dieses Hirtenvolk keine schriftliche oder eigene Tradition. So bleiben wir auf die antiken Quellen angewiesen.
Mythologie
Das Volk der Taurer unter ihrem König Thoas spielt eine bedeutende Rolle in den sagenhaften Erzählungen der Griechen um Iphigenie, die Tochter Agamemnons und Klytaimnestras, sowie ihren Bruder Orestes (siehe Atriden, Tantaliden).
Homer lässt sie in der Ilias gleich zu Beginn des Auszugs der Griechen in den Trojanischen Krieg eine prominente Rolle spielen. Hinter diesem Mythenkreis verbirgt sich vermutlich die Erinnerung an einen frühen Kult, verbunden mit Menschenopfern um die Göttin Iphigenie, die bei den Griechen mit dem Kult der Artemis verschmolzen wurde. Ein solches bedeutendes Kultzentrum einer jungfräulichen Göttin, der Artemis oder möglicherweise der Iphigeneia, von den Griechen schlicht Artemis Tauropolos genannt, muss es bei den Taurern gegeben haben. Ein anderes scheint aus Kleinasien in der Gegend von Täbris bezeugt.
Manche Autoren nehmen an, dass die Iphigenie-Erzählung erst spät in den Sagenkreis der Atriden aufgenommen wurde, nachdem die Erzählung um Klytaimnestra und Agamemnon schon fertig ausgebildet war.
Quellen
Herodot berichtete im 5. Jahrhundert v. Chr. in seinen Historien von den barbarischen Völkern am Rande der damaligen Welt, darunter auch von den Taurern. Insbesondere im Mythos von Iphigenie im Land der Taurer werden diese als raues, wildes, raubendes und kriegswütiges Volk beschrieben, denen Iphigenie im Tempeldienst der Artemis helfen musste, den Gefangenen die Häupter abzuschlagen (Herodot 4, 99; 1, 102–103).
Auch die übrigen Autoren erwähnen vor allem deren Grausamkeit und Menschenopfer (Euripides, Iphigenie bei den Taurern, vor allem 28–41; Herodot 4, 103; Pomponius Mela 2, 11; Diodor 3,43,5; Tacitus: Annalen 2,17; Leskov 1980, 39 f.). Im Mythos von Orest wird wiederum der Artemistempel auf der Krim erwähnt. Orest wurde ins Land der Taurer ausgesandt, um das Bildnis der Artemis aus jenem Tempel zu stehlen.
Oft werden die Taurer als das südliche Gebirge auf der Krim bewohnend beschrieben (Herodot 4,99,3; Strabon 7,4,3; Plinius der Ältere, Naturalis historia 4,85). Skymnos (Fragment 12,823) charakterisiert sie als sesshafte Hirten, was von den späteren Autoren wohl fälschlich als nomadisierende Gebirgsbewohner interpretiert wurde. Jedoch charakterisiert Skymnos die Skythen durchaus als „häusertragende Wandervölker“, so dass er diese Eigenschaft auch bei den Taurern erwähnt hätte. Auch nach Leskov waren die Hirten vornehmlich Viehzüchter, die Almwirtschaft in den südlichen Bergen trieben. Der Philologe Martin Korenjak hat daher vorgeschlagen, Skymnos so zu lesen bzw. zu übersetzen: „sie führen ein Hirtenleben im Gebirge“.
Ammianus Marcellinus beschreibt sie im 4. Jahrhundert ähnlich wie Herodot als äußerst wild und nennt drei taurische Stämme, nämlich die Arichi, die Sinchi und die Napaei.[1]
Abstammung und Verwandtschaft
- Herodot erwähnt die Taurer im vierten Buch seiner Historien als Verbündete der Skythen gegen die Perser.
- Strabon bezeichnet die Taurer als ein skythisches Volk (Strabon VII 4,5; vgl. Plinius der Ältere, Naturalis historia IV 26).
- Verschiedene Autoren haben die Taurer auch mit dem Kimmerer-Problem in Zusammenhang gebracht, zum Beispiel Hall (Hall 1989, 111). Er nimmt an, die Taurer seien Reste der auf die Krim abgewanderten und von den Skythen vertriebenen Kimmerer gewesen; diese Ansicht wird aber von anderen Autoren nicht geteilt. Andere wiederum haben vermutet, dass die Taurer eine vorkimmerische autochthone Bevölkerung waren.
Über die Sprache der Taurer ist nichts bekannt.
Literatur
- Martin Korenjak: Die Taurer – sesshafte Hirten? in: Göttinger Forum für Altertumswissenschaft. Band 5, 2002, S. 221–223. (pdf; 133 kB) ISSN 1437-9074
- A.M. Leskov: Die Taurer. in: Antike Welt. Band 11, 1980, S. 39–53. ISSN 0003-570X
- Ch. I. Kris: Kul'tura tavrov. In: SEC. 1989, S. 80–83.
- J. G. F. Hind: Archaeology of the Greeks and Barbarian Peoples around the Black Sea. in: Archaeological Reports. London 1992/1993,39, S. 82–112. ISSN 0570-6084
- K. Kris: Kizil Kobinskaya Kultura i Tavry.
Einzelnachweise
- Ammianus Marcellinus 22.8.33