Strassenbahnunfall von Basel
Ein Unfall der Strassenbahn Basel beim Aeschenplatz kostete am 24. April 1947 sechs wartenden Fahrgästen das Leben. Dies war der schwerste Unfall in der Geschichte der Bahn seit ihrer Gründung im Jahre 1885 bis in die heutige Zeit.
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Unfallablauf
An diesem Donnerstag fuhr um 06.29 Uhr ein vom Centralbahnplatz her kommendes Tram der Linie 4, Motorwagen (Ce 2/2 198) mit zwei Anhängern (C2 333 + C2 285), der Basler Verkehrs-Betriebe (BVB) ungebremst in die nach links abbiegende Weiche im Haltestellenbereich auf dem Aeschenplatz. Möglicherweise aufgrund eines Versagens der Bremseinrichtung durchfuhr das Tram die Haltestelle. Der Motorwagen Ce 2/2 198 kollidierte mit einem Anhänger (C2 433) eines entgegenkommenden Trams (Ce 2/2 209) der Linie 12 und hebelte diesen in eine bedrohliche Schräglage. Die Räder der linken Wagenseite standen noch in den Schienen. Der zweite Anhänger des Unfallzugs, ein leichter Mitteleinstiegswagen (C2 285), entgleiste. Durch die auftretenden Kräfte löste sich die Kupplung. Der Anhänger drehte sich um die eigene Achse, schlitterte quer über die Haltestelle («Peitscheneffekt») und schob den Anhänger (C2 383) eines in der Haltestelle wartenden Trams (Ce 2/2 103) der Linie 5 aus den Schienen. Der erste Wagen (C2 333) des Unfallzugs entgleiste ebenfalls, stiess zuerst mit dem Wagenende an die Haltestelle und dann an einen Fahrleitungsmast. Diese Kupplung trennte sich nicht.
Wegen des Personenandrangs an der Haltestelle und in den Fahrzeugen forderte der Unfall viele Opfer. Auf der Traminsel starben 6 Personen, 47 weitere[1] wurden teils schwer verletzt.
Der Strafprozess deckte mehrere Ursachen auf, die einzeln oder in Kombination zu diesem schweren Unfall geführt haben konnten. So wurde festgestellt, dass der unfallverursachende Motorwagen über keinen Geschwindigkeitsmesser verfügte. Ein vorübergehender Ausfall des elektrischen Bremssystems (Magnetschienenbremse) konnte nicht ausgeschlossen werden. Die Anhänger besassen nicht kompatible Bremssysteme. Der leichte Mitteleinstiegswagen hatte schlechte Laufeigenschaften. Das Rollmaterial war veraltet.
Aufgrund der nicht auszuschliessenden technischen Mängel an den Fahrzeugen wurde der 26-jährige Wagenführer auf Antrag der Staatsanwaltschaft freigesprochen.
Der Unfallzug
Der Motorwagen Ce 2/2 198[2] wurde am 18. Februar 1930 in Dienst gestellt. Ab Werk war eine Magnetschienenbremse und eine Handbremse[3] eingebaut. Der Motorwagen hatte eine Länge über Puffer von 9'420 mm und einen Achsabstand von 3'000 mm. Tara Gewicht ca. 14'200 kg. Es wurden 59 Steh-/Sitzplätze geboten. Nach dem Unfall, vom 24. April 1947, wurde zwischen dem 31. Oktober 1955 bis 24. März 1956 das Fahrzeug mit einer Druckluftbremse ausgerüstet. Am 23. April 1976 wurde der Motorwagen ausgemustert und abgebrochen.
Der erste Wagen, der C2 333[4] wurde am 21. November 1913 als C2 233 in Betrieb gesetzt. Zwischen 1916 und 1918 erfolgte eine Umbezeichnung in C2 333. Zwischen 1921 und 1923 wurde eine Druckluftbremse eingebaut. Der Wagen hatte eine Länge über Puffer von 9'380 mm und einen Achsabstand von 2'800 mm. Tara Gewicht 6'800 kg. Es wurden 70 Steh-/Sitzplätze geboten. Der Wagen war am 15. Oktober 1933, am Heiligholz, und am 24. April 1947, am Aeschenplatz, in einen Unfall verwickelt und wurde jeweils schwer beschädigt. Am 12. Juni 1948 erfolgte nochmals eine Umbezeichnung in C2 1133, am 27. Juli 1972 die Ausmusterung und anschliessend der Abbruch.
Der zweite Wagen, der C2 285[5] wurde am 23. Juni 1907 als Sommerwagen in Betrieb gesetzt. 1922 wurde er in einen geschlossenen Anhänger mit Mitteleinstieg umgebaut und stand ab dem 31. Oktober 1922 als Allwetterwagen C2 285 im Einsatz. Bei einer Kastenlänge von 7'400 mm, Länge über Puffer von 8'080 mm, und einem kurzen Achsabstand von nur 1'800 mm waren seine Laufeigenschaften eher als schlecht zu bezeichnen. Der Wagen neigte zum Schlingern. Tara Gewicht 5'500 kg. Es wurden 45 Steh-/Sitzplätze geboten. Nach dem Unfall, vom 24. April 1947, wurde er 1948 zum Reklamewagen Nr. 2250 umgebaut. Über seine ganze Dienstzeit verfügte er lediglich über eine Handbremse mit Hebel und Kettenzügen. Der Abbruch erfolgte am 30. August 1966.
Massnahmen nach dem Unfall
Der Unfall führte zu einer Reihe von technischen und betrieblichen Verbesserungen.
- Bei der Motorwagenserie Ce 2/2 173–216 wurden die, bei noch 13 Fahrzeugen fehlende Druckluftbremse[6] nachgerüstet. Dies dauerte bis 1956.
- 1950 wurden alle Mitteleinstiegwagen C2 282–293 ausrangiert.
- Ab 1947 wurden aus der Anhängerserie C2 1185–1234 noch bei 27 Wagen die fehlende Druckluftbremse nachgerüstet.
Trivia
Diverse Punkte erscheinen merkwürdig:
- Wenn die Bremssysteme der drei Fahrzeuge miteinander verglichen werden, fällt auf, dass nichts passt.
- Der Wagenführer konnte nur das Bremssystem des Motorwagens bedienen. Angehängt waren zwei ungebremste Wagen.
- Wenn das Zuggesamtgewicht berechnet wird, inkl. Fahrgäste, kommen leicht 37 t oder mehr zusammen.
- Auf den Motorwagen entfallen ca. 17,2 t. Sein Bremssystem ist auf ein Maximalgewicht von ca. 22 t (errechneter Wert) ausgelegt.
- Der Unfallzug fuhr vom Centralbahnplatz auf den Aeschenplatz. Diese Strecke verläuft in einer geraden Linie von ca. 400 m dem Aeschengraben entlang und weist ein leichtes Gefälle von 1,85 %[7] auf.
- Die mögliche v max. des Motorwagens wurde mit 30 km/h (Werksangabe) angegeben.
- Ein gut besetzter, schwerer Zug kann im Gefälle bestimmt seine v max. erreichen, oder gar überschreiten. Da ein Geschwindigkeitsmesser fehlte, konnte dies vom Wagenführer leicht übersehen werden. Jeder Kilometer pro Stunde schneller verlängert die Anhaltestrecke.
- Der Wagenführer geht von einer funktionierenden Bremse seines Zuges aus. Er beginnt mit dem Bremsvorgang auf normaler Anhaltedistanz vor der Haltestelle. War nun sein Zug zu schnell? Hatte die Magnetschienenbremse einen Aussetzer? War das Übergewicht der Anhänger, welches der Motorwagen alleine zu Bremsen hatte zu gross? Hatte der Wagenführer den Bremsvorgang zu spät eingeleitet? Oder trafen gar mehrere Punkte zusammen?
Die damalige Fahrstrecke der Linie 4 war: Binningen – Centralbahnplatz – Aeschenplatz – Bankverein – Barfüsserplatz – Claraplatz – Kleinhüningen. Das Gefälle vor dem Aeschenplatz ist harmlos im Vergleich zu demjenigen des Steinenberg. Dieser liegt zwischen den Haltestellen Bankverein und Barfüsserplatz und weist ein Gefälle von bis zu 5,2 % (!) auf. Unten am Steinenberg zweigt die Linie 4 nach rechts ab auf den Barfüsserplatz.
Aufgrund der technischen Unterschiede der drei Unfallfahrzeuge und der beschriebenen Mängel, ist es verständlich, weswegen die Staatsanwaltschaft auf Freispruch für den Wagenführer plädierte.
Literatur
- Guido Studer: Ereignisse bis 1949. Aeschenplatz: Schwere Tramkollision mit sechs Toten. In: www.tram-basel.ch. Das unabhängige Basler Tram-Portal. Abgerufen am 30. Oktober 2013.
- Ergebnisse der Unfallstatistik der sechsten fünfjährigen Beobachtungsperiode 1943–1947. (PDF, 2,3 MB) Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, abgerufen am 30. Oktober 2013.
Einzelnachweise
- Gemäss Unfallbericht der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA)
- Technische Daten zu Ce 2/2 198
- Handbremse bestehend aus: Kurbel mit Kettenzügen auf 8 Bremsklötze
- Technische Daten zu C2 333
- Technische Daten zu C2 285
- Druckluftbremse nach System Westinghouse
- Gemäss Angaben des Bau- und Verkehrsdepartement des Kantons Basel-Stadt