Stolz
Stolz [von mnd.: stolt = prächtig, stattlich] ist das Gefühl einer großen Zufriedenheit mit sich selbst oder anderen, einer Hochachtung seiner selbst – sei es der eigenen Person, sei es in ihrem Zusammenhang mit einem hoch geachteten bzw. verehrten „Ganzen“.
Der Stolz ist die Freude, die der Gewissheit entspringt, etwas Besonderes, Anerkennenswertes oder Zukunftsträchtiges geleistet zu haben. Dabei kann der Maßstab, aus dem sich diese Gewissheit ableitet, sowohl innerhalb eines eigenen differenzierten Wertehorizonts herausgebildet als auch gesellschaftlich tradiert sein. Im ersten Fall fühlt man sich selbst bestätigt und in seiner Weltanschauung bestärkt („Ich bin stolz auf mich“), im anderen Fall sonnt man sich in der gesellschaftlichen Anerkennung („Ich bin stolz, etwas für meine Stadt geleistet zu haben“). Daraus folgt auch, dass beispielsweise der Stolz auf das eigene Land eher eine Art der Anerkennung darstellt, da der Einfluss eines Individuums auf den Zustand des eigenen Landes vernachlässigbar ist.
Stolz ist eine sekundäre Emotion und entwickelt sich erst im Kleinkindalter.[1]
Die Gemütsbewegung wird durch eindeutige, in allen menschlichen Kulturen gleichartige Gesten und Gebärden (aufrechte Körperhaltung, zurückgelegter Kopf, Arme vom Körper gestreckt) ausgedrückt und wird daher universell erkannt.[2][3]
Evolutionäre Funktion
Stolz dient der Signalisierung eines hohen sozialen Status. Individuen, die einen hohen Status erfolgreich kommunizieren, können ihren Zugang zu knappen Ressourcen und qualitativ hochwertigen Fortpflanzungspartnern verbessern. Eine Stratifizierung nach Status innerhalb einer Gruppe kann zudem Machtverhältnisse, Kooperationen und soziale Interaktionen erleichtern.[3]
Stolz in der Wertung der römisch-katholischen Kirche
Für die römisch-katholische Kirche ist Stolz (so der Weltkatechismus, KKK 1866) resp. Hochmut, Hoffart oder Überheblichkeit, lat. superbia, die erste der sieben Hauptsünden oder, bei Thomas von Aquin, eine Wurzelsünde noch über den Hauptsünden (Thomas listet bei den letzteren stattdessen die verwandte Eitelkeit).[4] Stolz ist nach Thomas „ein ungeordnetes Streben nach eigenem Herausragen“.[5] Nach St. Gregor kommt Stolz in vier Formen vor, nämlich: 1. das Gute, das man besitzt, sich selbst zuzuschreiben, 2. es zwar auf Gott zurückführen, aber auf Rechnung der eigenen Verdienste setzen, 3. sich Vorzüge beilegen, die man nicht besitzt, 4. Vorzüge, die man besitzt, mit Selbstgefälligkeit und Verachtung anderer hervorkehren.[6] Dagegen ist Selbstachtung ebenso wie die Achtung des Mitmenschen eine positive Pflicht, bestehend „in der richtigen Schätzung dessen, was wir an uns und anderen finden, und in der aufrichtigen Anerkennung des Wertes oder Unwertes desselben, verbunden mit dem Wunsche und Bestreben, das Wertvolle und Würdige zu erhalten und zu schützen, das Unwürdige aber zu entfernen.“[7]
„Geltung, Ansehen und Macht werden aber zur Bedrohung, wenn das Geltungs- und Machtstreben entartet. Der eine wird aus Geltungssucht zum Streber. Er denkt nur an seine Karriere und schiebt rücksichtslos alles beiseite, was ihm im Wege steht. Er ist sogar bereit, Glauben und Religion aufzugeben, wenn er dadurch sein Ziel erreichen kann. Ein anderer stellt sich in überheblichem Stolz über alle anderen; er nützt seine Position aus und wird zum Tyrannen. Ein dritter schließlich verliert in falschem Vertrauen zu sich selbst das Vertrauen zu allem, auch zu Gott. Er meint, man könne sich auf niemand verlassen.“
Wertung
Mitunter wird der Stolz in zwei Formen unterteilt: eine gesunde und eine kranke, das heißt neurotische Form (zum Beispiel propagiert von Karen Horney in ihrem Buch Neurose und menschliches Wachstum). Neurotischer Stolz kann es sein, wenn man stolz auf etwas ist, was man nicht selber geschaffen hat; es kann auch neurotisch sein, stolz zu sein auf destruktive Leistungen gegen Menschen (zum Beispiel Stolz, möglichst viele Leute betrogen zu haben).
Stolz auf eine Leistung, die man für sich und/oder andere erbracht hat (beispielsweise Ablegen einer Dissertation, Abitur), gilt als legitim.
Hierbei kann man differenzieren, ob dieser eben erwähnte Stolz auf gesellschaftliche Anerkennung abzielt oder ob man stolz auf sich selbst ist – im Sinne einer persönlichen Eigenschaft oder das Gestilltsein des Drangs/Bedürfnisses nach Zufriedenheit bzw. Anerkennung (was sich in einen Hochmut steigern kann).
„Ich möchte gern, daß man Stolz als eine edle Eigenschaft der Seele ansähe; als ein Bewußtsein wahrer innerer Erhabenheit und Würde; als ein Gefühl der Unfähigkeit, niederträchtig zu handeln.“
Spieltheorie
Stolz kann auch da „gesund“ sein, wo er zu einem irrational scheinenden Verzicht auf die Maximierung einer Nutzfunktion in Spielen (zum Beispiel in Verhandlungen) führt. In der Spieltheorie erweisen sich sogar „falscher Stolz“ und „Trotz“ als treibende Kraft rationaler Spielzüge, wenn sie zwar nicht die Nutzfunktion, um die gespielt wird, maximieren, aber – im Metaspiel – die Spielregeln selbst zu Gunsten des scheinbar irrationalen Spielers beeinflussen. (Es kann sich dabei auch um eine Veränderung der Spielregeln zu Gunsten des Clans dieses Spielers handeln.) Die Spieltheorie kann auch zeigen, dass das Zusammentreffen von Stolz und Schwäche kein Widerspruch ist. Stolz wird oft im Kontrast zu fehlenden Handlungsoptionen eines Spielers (eines Verhandlers) gesehen, aber gerade in einer schwachen Position hilft die Drohung mit scheinbar irrationalen Spielzügen. Darum ist Stolz auch in Verhandlungen zwischen Vertretern von Staaten eine rational einsetzbare Funktion.[8]
Einzelnachweise
- Sekundäre Emotionen. In: Dorsch, Lexikon der Psychologie. Abgerufen am 21. September 2021.
- Jessica L. Tracy & Richard W. Robins: Emerging Insights Into the Nature and Function of Pride. In: Current Directions in Psychological Science. Bd. 16, S. 147–150, Juni 2007. doi:10.1111/j.1467-8721.2007.00493.x.
Stolzer Instinkt. Stolz ist ebenso wie Ärger oder Freude ein grundlegendes Gefühl, das durch eindeutig erkennbare Gesten ausgedrückt wird. Auf: wissenschaft.de vom 19. Juni 2007. - Shariff, A. & Tracy, J. (2009): Knowing Who’s Boss: Implicit Perceptions of Status From the Nonverbal Expression of Pride. In: Emotion. Band 9, Nr. 5, S. 631–639.
- S. th. II/II 132 und 162.
- S. th. II/II 162 II.
- Moralia XXIII 7.
- Ferdinand Elger, Lehrbuch der katholischen Moraltheologie § 245, Leitmeritz 1851, dem auch die Übersetzung aus Gregors Moralia entnommen ist.
- Adam M. Brandenburger, Barry J. Nalebuff: Co-Opetition. A Revolutionary Mindset That Combines Competition and Co-operation. The Game Theory Strategy That's Changing the Game of Business. New York 1996, S. 77.