Spinas
Spinas (, romanisch im Idiom Puter für deutsch «Dornen») ist ein weitgehend autofreier Weiler im Schweizer Kanton Graubünden, politisch der Gemeinde Bever zugehörig.
Lage
Spinas und die Alp Spinas liegen in der Val Bever am Beverin, rund vier Kilometer westlich von Bever auf einer Höhe von 1815 Metern, unmittelbar am Südportal des Albulatunnels.
Geschichte
Ersturkundlich ist Spinas im Jahr 1528 erwähnt. Damals kauften die Alpgenossen eine Wiese.[1]
1876 empfahl Michael Caviezel in seinem Touristenführer Das Oberengadin seiner Leserschaft einen kleinen Ausflug mit dem Wagen nach Spinas, «wo die Gefährte bei einer kleinen Sommerwirthschaft halten».[2]
Das Stationsgebäude in Spinas gehört als Kantholz-Strickbau zu den typischen Zwischenstationen auf der RhB-Linie Thusis–St. Moritz mit Warteraum, Stationsbüro und Güterraum. Im Obergeschoss gab es eine Dienstwohnung. Im Unterschied zu anderen Zwischenstationen des gleichen Typs erfuhr jene von Spinas wenig Umbauten und konnte seinen architektonischen Gesamteindruck erhalten.[3] Das Stationsgebäude wurde 2020–2021 im Rahmen des Bau des neuen Albulatunnels restauriert.
Ein Denkmal aus der Zeit des Bahntunnelbaus in das Stück Bahntrassee im Wald in der Nähe des Tunnels. Die heute eingewachsenen Schienen führen auf einer kurzen Wegstrecke durch den Wald zum alten Steinbruch, wo Schotter für die Bahn abgebaut wurde.
Arbeiterdorf
1899–1902 schlugen viele, meist italienische Arbeiter aus dem Veltlin und aus Süditalien, den Albulatunnel durch den Fels. Die Arbeiter wohnten bei der Baustelle in primitiven Barackendörfern. Bis zu 400 Mann lebten in Spinas. Spinas war damals eine eigene kleine Gemeinde mit Schule, Geschäften und Restaurants. Es gab ein Badezimmer, ein Postbüro, ein Lebensmittelgeschäft, eine kleine Wäscherei, ein Krankenzimmer und eine kleine katholische Kirche, geweiht im Oktober 1900. Auf der Baustelle lebten auch Frauen und Kinder, die ihren Ehemännern und Vätern in die Schweiz gefolgt waren. Für die soziale und religiöse Betreuung der Bauarbeiter war Don Pietro Michieli von Bassano de Grappa zuständig.[4]
Am Barbaratag 1899 wurde im Tunnel ein Altar errichtet und daselbst eine hl. Messe gelesen. Danach liess der Unternehmer Ronchi einen Altar im offenen Güterschuppen aufstellen. Zuerst kam HH. Ortz, ein Feriengast in Zuoz, um die Messe zu lesen, hernach trat Don Piero Micheli an seine Stelle. Im Oktober 1900 wurden eine Schule eröffnet und der Gottesdienst im Schulzimmer abgehalten. Später wurde mit dem Bau einer eigenen Baracke für den Missionär begonnen. Die Kosten bestritt die Opera degli Emigranti (opera Bonomelli). Die Baracke stand südwestlich der Station Spinas. Im vorderen Teil war die Kapelle, welche hundert Personen Platz bot. Hinten war die Wohnung für Don Micheli, welcher zwei Winter hier wohnte. Nachdem der Tunnel 1903 fertig war, zogen die Familien fort, die Baracken wurden abgetragen, ebenso die Kapelle.[5]
Ort und Tourismus
Spinas selbst besteht heute aus ein paar einzelnen Häusern. Neben vier Wohnhäusern und dem Bahnhof existieren ein Gasthaus mit Übernachtungsmöglichkeit, Spielplatz und Aussenterrasse. Dieses Gasthaus wird 1880 als Pension Suvretta erstmals erwähnt. Das Restaurant befand sich zunächst auf der linken Seite des Beverin, später kaufte Ursula Krättli – die Frau des wesentlich älteren Lehrers und Botanikers Johann Luzius Krättli (1812–1903) – das ehemalige Postbüro aus der Zeit des Bahnbaus und nützte es als Restaurant.[6] Heute lebt Spinas vom sanften Tourismus: Wandern sowie Langlauf und Schneeschuhwandern im Winter.
Verkehr
Spinas verfügt über eine Bedarfshaltestelle an der Albulabahnlinie, die in beide Richtungen je circa zweistündlich bedient wird. Von Bever führt ein Alpsträsschen nach Spinas und von dort weiter in die Val Bever bis zur Alp Suvretta und der Alp Val. Das Strässchen ist nur im Sommer und nur mit Spezialbewilligung befahrbar. Als öffentliches Verkehrsmittel fungiert eine Kutsche (Planwagen) mit tagsüber regelmässiger Verbindung vom Bahnhof Bever bis zum Gasthof Spinas. Im Winter ist Spinas mit Langlaufskis erreichbar.
Literatur
- Ottavio Clavuot: Bever. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
Einzelnachweise
- Silke Rudolf: Bever – Die Geschichte eines Engadiner Dorfes. Hrsg.: Bürgergemeinde Bever. Gammeter Druck, St. Moritz 2007, S. 45.
- Silke Redolfi: Bever – Die Geschichte eines Engadiner Dorfes. Hrsg.: Bürgergemeinde Bever. Gammeter Druck, St. Moritz 2007, S. 135.
- Silke Redolfi: Bever – Die Geschichte eines Engadiner Dorfes. Hrsg.: Bürgergemeinde Bever. Gammeter Druck, St. Moritz 2007, S. 151–152.
- Silke Redolfi: Bever – Die Geschichte eines Engadiner Dorfes. Hrsg.: Bürgergemeinde Bever. Gammeter Druck, St. Moritz 2007, S. 148–149.
- Pfr. Hch. Berni: Chronik von Katholisch Samedan - Gottesdienst im Val Bever. In: Katholische Kirche Samedan (Hrsg.): Blätter der Erinnerung zum 50. Gedenktag der Weihe der Herz-Jesu-Kirche Samedan. Augustinus-Druckerei, St. Maurice 1963, S. 8–9.
- Silke Redolfi: Bever – Die Geschichte eines Engadiner Dorfes. Hrsg.: Bürgergemeinde Bever. Gammeter Druck, St. Moritz 2007, S. 136.