Sozialer Brennpunkt
Als sozialer Brennpunkt (Synonym Problemviertel) werden nach einer Definition des Deutschen Städtetages (1979) Wohngebiete bezeichnet, „in denen Faktoren, die die Lebensbedingungen ihrer Bewohner und insbesondere die Entwicklungschancen beziehungsweise Sozialisationsbedingungen von Kindern und Jugendlichen negativ bestimmen, gehäuft auftreten“.[1]
Verwendung
Heute wird der Begriff in der sozialwissenschaftlichen Literatur für lokale Exklusionsbereiche verwendet.[2] Diese entstehen in räumlich abgegrenzten städtischen Wohngebieten, in denen Bewohner überdurchschnittlich mit Defiziten wie Einkommensarmut, Integrationsschwächen und Arbeitslosigkeit sowie Netzwerkarmut konfrontiert sind. Weitere Ursachen sind Fehlplanungen im Städtebau und der Wohnungsbaupolitik. Da der Begriff zu einer weiteren Stigmatisierung führen kann, wird offiziell zunehmend auf Begriffe wie „benachteiligtes Quartier“ oder „Stadtteil mit besonderem Entwicklungsbedarf“ zurückgegriffen.[3] Im öffentlichen Bewusstsein ist der Begriff „sozialer Brennpunkt“ oft mit Vorstellungen von höherer Kriminalität oder Verwahrlosung verknüpft, was zu einer weiteren Benachteiligung führen kann.
Segregation
Unter Segregation wird laut den Soziologen Hartmut Häußermann und Walter Siebel „die Projektion sozialer Struktur auf den Raum“ verstanden. Segregation beschreibt also die Tatsache, dass soziale Gruppen nicht gleichmäßig auf den Raum verteilt sind.[4] Soziale Brennpunkte entstehen, wenn Wohngebiete von privilegierten Menschen aufgrund qualitativer Mängel verlassen werden und solche Haushalte zurückbleiben, die über wenig Wahlmöglichkeiten bei der Wohnortwahl verfügen. In der Folge wandelt sich meist das Image, was zur weiteren Ablehnung bei sogenannten stabilen Haushalten führt. Dieser Vorgang ist Teil einer vor allem in Städten stattfindenden Entmischung der Bevölkerung, die als Segregation bezeichnet wird.
Es entstehen abgeschottete „Armutsinseln“: „Während in der Mehrzahl wohlhabender Gebiete nur wenige einkommensarme Familien leben, beträgt die Sozialhilfequote von Kindern in einigen städtischen Wohngebieten mehr als 40 Prozent. Die lokalen Wohnbedingungen sind durch eine schlechte Infrastruktur geprägt; unter den Bewohnern befinden sich viele Arbeitslosengeld-II-Empfänger, Minderjährige und Geringverdienende. In diesen von der gesamtstädtischen Entwicklung zunehmend abgekoppelten Armutsinseln häufen sich Risiken, welche die Lebenschancen der Bewohner erheblich belasten.“[5]
Soziale Brennpunkte sind vor allem ein Phänomen in Ländern mit hohen Einkommens- und Bildungsunterschieden. Die Segregation kann dort soweit gehen, dass von Ghettoisierung bis hin zu Ghettos oder Slums gesprochen wird. Aufgrund der zunehmend heterogenen Bevölkerung in Hinblick auf Bildung, Sprachkompetenz und Beteiligung am Arbeitsmarkt in Kombination mit einer allgemein zunehmenden Arbeitslosigkeit, veränderter Zuwanderung und schwierigeren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen werden soziale Brennpunkte auch in Westeuropa zunehmend zu einem Problem.
Politische Maßnahmen
Die meisten westeuropäischen Länder versuchen, durch spezielle Politikansätze die Folgen der Segregation zu minimieren, soziale Brennpunkte zu entschärfen und die Folgen für die dort lebenden Menschen einzudämmen. In Deutschland ist das Städtebauförderungsprogramm vom Bund, Länder und Gemeinden „Soziale Stadt“ auf die Verbesserung der Lebensqualität und die Erhöhung der Chancengleichheit ausgerichtet. Das Programm ist eine Fortentwicklung der Sanierungspraxis im Rahmen der Städtebauförderung.
Als Schlüsselinstrument zur Entwicklung sozialer Brennpunkte gelten
- die Bildungspolitik, konkret die Verbesserung der Situation an Schulen, in denen sich meist Kinder und Jugendliche aus sogenannten bildungsfernen Haushalten und mit Sprachdefiziten konzentrieren,
- die sogenannte Bewohneraktivierung (Empowerment) sowie
- Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensqualität im Allgemeinen (Infrastruktur, Umwelt, Wohnsituation, Kultur).
Siehe auch
Literatur
- Hans-Jürgen Hohm: Urbane soziale Brennpunkte, Exklusion und soziale Hilfe. Opladen 2003.
- Rauf Ceylan: Ethnische Kolonien. Entstehung, Funktion und Wandel am Beispiel türkischer Moscheen und Cafés. Wiesbaden 2006.
Einzelnachweise
- Deutscher Städtetag. (Hg.). (1979). Hinweise zur Arbeit in sozialen Brennpunkten, DST-Beiträge zur Sozialpolitik, Reihe D, 10. Köln.
- Hans-Jürgen Hohm: Urbane soziale Brennpunkte, Exklusion und soziale Hilfe
- LAG Soziale Brennpunkte Niedersachsen:„Aktivierung der Selbsthilfe in Sozialen Brennpunkten“ (Memento vom 1. Februar 2012 im Internet Archive) (PDF; 147 kB) – Stellungnahme zur Intention und den Zielen der Förderrichtlinie
- Hartmut Häußermann, Walter Siebel: Integration und Segregation - Überlegungen zu einer alten Debatte. In: Deutsche Zeitschrift für Kommunalwissenschaften. Band 40, Nr. 1, 2001, S. 68–79 (difu.de [PDF; abgerufen am 24. November 2020]).
- Carolin Reißlandt / Gerd Nollmann: „Kinderarmut im Stadtteil: Intervention und Prävention“ Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ 26/2006) online