Sklavinien
Sklavinien (gr. Σκλαβινίαι Sklaviniai; etwa: „Slawenschaften“, „Gebiet der Sklavinen“) ist die Bezeichnung für die verschiedenen Slawengemeinschaften auf dem Boden bzw. an den Grenzen des Byzantinischen Reiches, die sich im beginnenden Frühmittelalter gebildet hatten.
Der genaue Zeitraum der „slawischen Landnahme“ in Griechenland ist in der Forschung aufgrund der problematischen Quellenlage umstritten: Der Beginn dieses Prozesses wird teils ins späte 6. Jahrhundert (etwa in die Regierungszeit des Kaisers Maurikios), in der neueren Forschung hingegen eher ins frühe 7. Jahrhundert verlegt.[1] Der Begriff Sklaviniai (bzw. Abwandlungen davon) ist seit dem späten 8. Jahrhundert in byzantinischen Quellen belegt. Später wurde dieser Begriff auch verwendet, um die (wenigstens teilweise) von Slawen beherrschten bzw. besiedelten Regionen zu bezeichnen.
Diese lokalen Herrschaften waren weitgehend von Stammesherrschaften geprägt, obwohl damit auch das Bulgarische Reich bezeichnet werden kann. Die Sklaviniai verfügten oft über keine fest umrissenen Grenzen und wurden von Byzanz teils toleriert oder sogar bisweilen – wenigstens vorübergehend – akzeptiert. Doch stand im Fokus der byzantinischen Politik vor allem die Wiedergewinnung der ehemals byzantinischen Territorien auf dem Balkan (zum Verlust dieser Territorien siehe auch Balkanfeldzüge des Maurikios sowie Chronik von Monemvasia).
Als die byzantinische Armee seit dem späten 8. Jahrhundert in diesem Raum wieder in die Offensive ging, wurden die meisten der kleineren Slawengemeinschaften in Thrakien und in Griechenland aufgerieben, wenn sich einige auch noch Jahrhunderte halten konnten. Die slawische Bevölkerung zog sich zumeist in Bergregionen zurück und wurde anschließend weitgehend hellenisiert, was im 19. Jahrhundert Jakob Philipp Fallmerayer zu der heftig umstrittenen Annahme führte, dass es sich bei den heutigen Griechen ausschließlich um hellenisierte Slawen handle, was in der neueren Forschung jedoch abgelehnt wird.[2] In der Tat waren viele Städte und Küstenregionen nie von den Slawen eingenommen worden, und zudem siedelten die Byzantiner im 9. Jahrhundert viele kleinasiatische Griechen in Hellas an. Kein Zweifel besteht aber daran, dass die 200 Jahre slawischer Dominanz in Griechenland einen erheblichen Einschnitt markierten – mit ihrer „Landnahme“ besiegelten die Slawen dort um 600 das Ende der Antike.[3]
Literatur
- Florin Curta: Still waiting for the barbarians? The making of the Slavs in „Dark-Age“ Greece. In: Florin Curta (Hrsg.): Neglected Barbarians. Brepols, Turnhout 2010, S. 403–478.
- Florin Curta: The Making of the Slavs. History and Archaeology of the Lower Danube Region, C. 500–700. Cambridge University Press, Cambridge/New York 2001, S. 110 ff. (mit teils umstrittener Neuinterpretation hinsichtlich der „Entstehung“ der Slawen; Curta geht davon aus, dass die Byzantiner schlicht eine Sammelbezeichnung für die neuen Gruppen an ihrer Grenze einführten, diese aber noch keine eigene Identität entwickelt hatten).
- Johannes Koder: Sklavinien. In: Lexikon des Mittelalters (LexMA). Band 7. LexMA-Verlag, München 1995, ISBN 3-7608-8907-7, Sp. 1988.
- Franz Georg Maier (Hrsg.): Byzanz (= Fischer Weltgeschichte. Band 13). Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 1973, S. 139 ff..
- Alexander Sarantis: Justinian's Balkan Wars. Campaigning, Diplomacy and Development in Illyricum, Thace and the Northern World A.D. 527-65. Francis Cairns, Prenton 2016.
Anmerkungen
- Vgl. dazu Florin Curta: Still waiting for the barbarians? The making of the Slavs in „Dark-Age“ Greece. In: Florin Curta (Hrsg.): Neglected Barbarians. Turnhout 2010, hier S. 411ff.
- Vgl. zu dieser auch politisch aufgeladenen Debatte etwa Florin Curta: Still waiting for the barbarians? The making of the Slavs in „Dark-Age“ Greece. In: Florin Curta (Hrsg.): Neglected Barbarians. Turnhout 2010, hier S. 404ff.; Franz Georg Maier (Hrsg.): Byzanz. Frankfurt a. M. 1973, S. 142.
- Vgl. auch Florin Curta: The Edinburgh History of the Greeks, c. 500 to 1050. The Early Middle Ages. Edinburgh 2011, S. 97ff.