Shlomo Helbrans
Shlomo Erez Helbrans, auch Erez Shlomo Elbarnes (* 5. November 1962 in Kiryat HaYovel, Jerusalem; gestorben 7. Juli 2017 in Chiapas, Mexiko), war ein israelischer antizionistischer religiöser Führer innerhalb des ultraorthodoxen Judentums. Er war der Gründer und Oberrabbiner der jüdischen kriminellen Sekte Lev Tahor, in der u. a. systematisch Kindesmissbrauch praktiziert wurde.[1]
Leben
Helbrans stammte aus dem Jerusalemer Stadtteil Kiryat HaYovel und wurde als Sohn der säkularisierten Juden Pinhas und Yocheved Elbarnes geboren. 1975 begann er, sich für religiöse Fragen zu interessieren und an einer Jeschiwa in Jerusalem den Talmud zu studieren. 1988 war Helbrans Teil der Arachim-Bewegung, die jüdische Religion für säkulare Juden predigte und befürwortet. Nach einigen Jahren gründete er die unabhängige Jeschiwa Lev Tahor. 1990 verlegte Helbrans seine Gemeinde in die USA, was seiner Ansicht nach auf seine antizionistischen Ansichten zurückzuführen war. Er eröffnete eine kleine Jeschiwa in Brooklyn, in der er jungen Studenten jüdischen Unterricht erteilte.[2]
1994 wurde Helbrans beschuldigt, dem 13-jährigen jüdischen Jungen Shay Fima (auch Shay Reuven) geholfen zu haben, sich vor seiner Mutter zu verstecken, die ihn für seine Bar Mitzwa zum Studium in die Jeschiwa gebracht hatte. Der darauffolgende religiöse Konflikt führte dazu, dass Fima emotional an Helbrans gebunden wurde, der jegliche Beteiligung am Verschwinden des Jungen bestritt. Helbrans wurde kurzzeitig verhaftet, aber mutmaßlich aus politischen Gründen freigelassen, da der örtliche Staatsanwalt (District Attorney) vor den Wahlen nicht mit der ultraorthodoxen jüdischen Gemeinde von New York in einen Konflikt geraten wollte.[3] Zwei Jahre später wurde Helbrans erneut verhaftet, nachdem er in Zusammenhang mit dem Federal Bureau of Investigation während eines abgehörten Gesprächs mit dem Vater sich in Widersprüche verwickelt hatte.
Während des Prozesses nahm Shay Fima als Zeuge Stellung und bestritt die Beteiligung von Helbrans vollständig, behauptete jedoch, er sei vor seiner Mutter geflohen, die ihn geschlagen habe. Helbrans wurde für schuldig befunden, verurteilt[4] und ursprünglich zu vier bis zwölf Jahren Gefängnis verurteilt. Ein Berufungsgericht reduzierte im Juni 1996 die Haftstrafe auf zwei bis sechs Jahre. Drei Tage später wurde Helbrans in ein Arbeitsprogramm mit Lockerungen des Vollzuges aufgenommen.[5] Nach Protesten wurde Helbrans Freigang revidiert, da er seinen ständigen Aufenthaltsstatus verlor und nicht in den USA arbeiten durfte.[6]
Im November 1996 verdichtete sich der Verdacht, dass die Regierung unter George Pataki Helbrans ungerechtfertigte Vorzüge gewähre, zumal der State Parole Board entschied, ihn nach zwei Jahren Gefängnis freizulassen.[5][7] Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis leitete Helbrans eine Jeschiwa in Monsey, New York.[5] Nach einem weiteren Statusverlust im Jahr 2000 wurde Helbrans nach Israel abgeschoben, wo er wegen verschiedener Anschuldigungen von Familienmitglieder der Lev Tahor Gemeinde verurteilt werden sollte. Helbrans floh nach Kanada, wo er behauptete, er würde aufgrund seiner religiösen und politischen Überzeugungen in Israel verfolgt. 2003 wurde ihm der Flüchtlingsstatus verliehen.[8] Einige Mitglieder seiner Gemeinde flohen nach Guatemala.[2]
Am 7. Juli 2017 wurde Helbrans ertrunken in einem Fluss im mexikanischen Bundesstaat Chiapas gefunden. Sein Körper wurde am Freitagnachmittag von Rettungskräften aus dem Fluss gezogen, nachdem er während der Tevila, einer rituellen Waschung vor dem Sabbat, von der starken Strömung mitgerissen worden war.[9] Er wurde 54 Jahre alt.
Lev Tahor
Die 200-köpfige Gemeinde von Lev Tahor (deutsch: „reines Herz“) wird von anderen jüdischen Gruppen als extrem und radikal angesehen. Die israelische Tageszeitung Haaretz betitelt die Gemeinde als „jüdische Taliban“ und „Taliban-Sekte“.[2] Die Gruppe hat Anhänger in Israel, insbesondere in der Stadt Bet Schemesch, in Europa, den USA, Kanada und Guatemala.[10] Der ebenfalls wegen Kindesmissbrauchs zu 24 Jahren Haft verurteilte Rabbiner Eliur Chen hatte auf der Flucht vor den Behörden Zuflucht in der Lev Tahor-Gemeinde gefunden.[11]
Im November 2013 haben die Behörden von Québec Mitglieder von Lev Tahor vor Gericht gestellt, weil ihnen vorgeworfen wurde, dass ihr Hausunterricht nicht den Bildungsstandards von Quebec entspricht. In der Gerichtsverhandlung wurde die Gemeinde aufgefordert, die 14 Kinder eines Sohnes von Helbrans freizulassen, da er zuvor die Gemeinde verlassen hatte.[2] Einige Tage später übersiedelten Gemeindemitglieder nach Ontario und ließen sich in der Gemeinde Chatham-Kent nieder.[12] Am 27. November 2013 ordnete ein Jugendrichter in Quebec an, dass die 14 Kinder aus der Gemeinde vorübergehend in Pflegefamilien untergebracht werden, sich medizinischen Untersuchungen unterziehen und psychologische Unterstützung erhalten sollen. Die Anhörung im Gerichtsgebäude von St. Jérôme fand in Abwesenheit der Eltern statt, die sich von einem Anwalt vertreten ließen.[13] Die Anordnung wurde nicht sofort durchgesetzt, da die Eltern Einwohner von Ontario waren, was einen langen Rechtsstreit auslöste. Am 3. Februar 2014 beschloss ein Richter in Ontario jedoch, die 14 Kinder nach Quebec zurückzuschicken. Während des Berufungsverfahrens verließen die Eltern und ihre Kinder Kanada und reisten nach Guatemala und andere Orte. Der Rechtsstreit ist noch anhängig.[14]
Einzelnachweise
- Toi Staff: Hasidic cult member accused of child abuse flees Israel mid-trial. In: The Times of Israel. 1. Dezember 2020, abgerufen am 19. Dezember 2020 (englisch).
- Oz Rosenberg: Court to Rule on Legality of Israeli ultra-Orthodox 'Taliban Sect'. In: Haaretz. 5. Oktober 2011, abgerufen am 18. Dezember 2020 (englisch).
- Rabbi of the Pure Hearts: Inside Lev Tahor. In: CBC/Radio-Canada. 28. Februar 2014, abgerufen am 18. Dezember 2020 (englisch).
- Joseph P. Fried: Rabbi Given Prison Term In Kidnapping Of Teen-Ager. In: The New York Times. 23. November 1994, abgerufen am 18. Dezember 2020 (englisch).
- Eric J. Greenberg: Pataki’s Con-Tacts? In: The New York Jewish Week. 1. Mai 1998, abgerufen am 18. Dezember 2020 (englisch).
- Clifford J. Levy: U.S. Asks Whether Leniency for Rabbi Had Link to a Pataki Backer. In: The New York Times. 26. April 1998, abgerufen am 18. Dezember 2020 (englisch).
- Rabbi Is Deported 5 Years After Conviction, Lawyer Says. In: The New York Times. 12. Mai 2000, abgerufen am 18. Dezember 2020 (englisch).
- Sheldon Gordon: Convicted of Kidnapping, Rabbi Faces Deportation. In: Forward. 3. September 2004, abgerufen am 18. Dezember 2020 (englisch).
- Itamar Eichner: Ultra-Orthodox cult leader drowns in Mexico. In: Ynetnews. 17. August 2017, abgerufen am 18. Dezember 2020 (englisch).
- Expulsados de Sololá, judíos se refugian cerca de la Terminal. In: soy502. 29. August 2014, abgerufen am 18. Dezember 2020 (spanisch).
- Shay Fogelman: ’When You’re on the Path of Truth, You Don’t Care What Others Say’. In: Haaretz. 16. März 2012, abgerufen am 18. Dezember 2020 (englisch).
- Benjamin Schingler: Authorities monitor Jewish sect under investigation for alleged child neglect. In: The Gazette (Montreal). 24. November 2013, archiviert vom Original; abgerufen am 18. Dezember 2020 (englisch).
- Judge orders 14 Lev Tahor children placed in foster care. In: CBC/Radio-Canada. 27. November 2013, archiviert vom Original; abgerufen am 18. Dezember 2020 (englisch).
- Francesca Fionda, Megan Rowney: Under the veil of Lev Tahor, Jewish sect accused of abuse. In: Canadian Global News website. 17. Juli 2014, abgerufen am 18. Dezember 2020 (englisch).