Shikantaza
Shikantaza (jap. 只管打坐, shikan bedeutet "nur", "einfach" oder "lediglich", ta hat verstärkende Funktion (wörtlich bedeutet es "schlagen") und za ist das "Sitzen") wird meist als "nur Sitzen" ins Deutsche übersetzt. Es ist eine Meditationstechnik, die vor allem im Zen-Buddhismus gepflegt wird, insbesondere als zentrales Element der Sōtō-Schule.
Mit Shikantaza wird eine wichtige Form des Zazen bezeichnet, in der auf einführende Techniken wie das Zählen des Atems oder das in der Rinzai-Schule praktizierte intensive Studium von Koans verzichtet wird. Es ist "Zazen um des Zazen willen", wobei der Begriff "Zazen" in diesem Zusammenhang nicht auf die Zazen-Haltung beschränkt ist. Zazen bedeutet in diesem Zusammenhang die ungeteilte, ganzheitliche Gegenwart.
Das wichtigste Quellenwerk, welches die Praxis des Shikantaza beschreibt, ist das Shōbōgenzō des Dōgen Zenji (1200-1253).
Methode
Shikantaza wird oft als die Methode ohne Methode bezeichnet. Es richtet sich an die Geisteshaltung der Zen-Praktizierenden und stellt eine vertiefende Methode der Zen-Meditation dar. Anders als andere Meditationstechniken gibt es hier nichts zu tun, als einfach nur in bewusster Achtsamkeit zu sitzen. Dabei soll nicht über das Sitzen selbst nachgedacht werden, sondern es soll sich ein Eins-Werden mit dem Da-Sitzen einstellen. Zu diesem Zweck müssen die schon bald schier endlos auf den Übenden einstürmenden Gedanken losgelassen werden, bis sie sich nach und nach immer seltener ausbilden.
Keineswegs ist es jedoch das Ziel, die Gedanken aktiv im Geist zu unterdrücken oder wegzuschieben, bis das Denken "leer" geworden ist. Vielmehr soll entdeckt werden, was "hinter" den Gedanken liegt, wenn man bereit ist, diese aufzugeben. Anders als etwa im Schlaf- oder Dämmerzustand ist man während des Übens bei besonders klarem und präsenten Bewusstsein, welches allerdings frei von diskursivem Denken ist.
Shikantaza ist keine losgelöste Methode, sondern basiert auf der Zazen-Haltung und der Grundeinstellung, an keinem erlebten Zustand oder Gefühl haften zu bleiben. Die Übung wird als endlose Vertiefung aufgefasst. Selbst ein Erleuchteter soll nicht an dem "Zustand" des Satori anhaften, sondern selbst diese Erfahrung hinter sich lassen und die Übung weiter vertiefen. Die Begleitung ernsthaft Shikantaza praktizierender durch einen erfahrenen (Zen-)Meister oder Lehrer wird nach der Lehre des Soto-Zen als notwendig angesehen, um einer Reihe von Fehlentwicklungen vorzubeugen. Als eine Gefahr bei dieser Meditationsmethode wird bisweilen das Festhalten an der Zazen-Praxis selber gesehen, wie es Shunryū Suzuki in seinem Buch Zen-Geist / Anfänger Geist beschreibt.
Shikantaza und Zazen-Praxis werden nur gemeinsam gelehrt. Daher wird das unkonzentrierte Sitzen und das Ausweichen in Tagträumereien, um der unangenehmen Situation zu entfliehen, auch Gegenstand von Shikantaza. Die Flucht vor dem Hier und Jetzt auch im Alltag des Menschen zu beenden ist daher auch im Sinn des Shikantaza.
Shikantaza als Leitsatz im Werk Dōgens
Das von Zen-Meister Dōgen Zenji geschriebene Shōbōgenzō enthält zusammen mit Shikantaza insgesamt vier charakterisierende Leitsätze. Diese Leitsätze beschreiben die Grundlagen für die Übung des Zazen, wie Dōgen sie in seinem Werk beschreibt. Shikantaza ist daher keine isolierte Methode, sondern muss im Gesamtzusammenhang mit den anderen Leitsätzen betrachtet und praktiziert werden.
Die weiteren drei sind
- Hishiryō
- Jenseits unseres persönlichen subjektiven Denkens / Denken und Tun sind eins. Der Leitsatz beschreibt die Einheit von Körper und Geist.
- Shoshin Tanza
- Das regelmäßige Sitzen in Zazen in der richtigen Körperhaltung. Der Leitsatz beschreibt die notwendige, regelmäßige Praxis und zielt auf das körperliche Tun.
- Shinjin Datsuraku
- Sich von Körper und Geist befreien / Körper und Geist sind abgefallen. Nicht mehr am Körper hängen und alle Gedanken aufgegeben, um das Leben in seiner reinsten Form zu erfahren.
Shikantaza als Kôan
Im Steven Heines (Hg.) Dogen and Soto Zen (Oxford 2015) findet sich der Aufsatz "Dogen’s Use of Rujing’s ‘Just Sit’ (shikan taza) and Other Koans" von T. Griffith Foulk, den der Herausgeber folgendermaßen zusammenfasst:
"Eine zentrale These dieses Kapitels ist, dass Dogen tatsächlich nicht die Art von Zazen lehrte (oder sich auch nur ausdachte), die ihm von modernen Soto-Gelehrten und Zen-Lehrern gemeinhin als Shikantaza zugewiesen wird. Foulk analysiert im Detail, dass Dogens Anweisungen fürs Zazen diesen Ausdruck nicht verwenden und auch keine Methode empfehlen, die sich mit dem deckt, was heutige Forscher über Nur-Sitzen sagen."
Foulk zeigt vielmehr auf, dass Dôgen "Nur-Sitzen" als Kôan verstand. Dôgen habe Sitzen auf mehrere Weisen begriffen, als körperlich wie auch als "geistiges Sitzen" (mental sitting), das in jeder Haltung möglich sei. Hängt der Übende aber weder an körperlichen noch geistigen Phänomenen, dann ist dieser befreite Zustand das "Sitzen von 'Körper und Geist sind abgefallen'". Foulk schließt daraus, dass Dôgen seines Lehrers Rujings Ermahnung zum Nur-Sitzen als Aufforderung in diesem Sinne verstand: "Erlange nur Erwachen!".
Literatur
- Shunryu Suzuki: Zen-Geist, Anfänger-Geist. Kapitel: Fehler in der Praxis. 9. überarb. Aufl. Theseus, Berlin 2000, ISBN 3-89620-131-X
- Steven Heine (Hg.): Dogen and Soto Zen. Oxford University Press 2015. ISBN 9780199324866
Weblinks
- Affengeist und Pferdewille
- Zazen-Handbuch von Gudō Wafu Nishijima (PDF-Datei; 906 kB)