Schwalbenwurzen
Die Pflanzengattung Schwalbenwurzen (Vincetoxicum) gehört zur Unterfamilie Seidenpflanzengewächse (Asclepiadoideae) in der Familie der Hundsgiftgewächse (Apocynaceae). Der botanische Gattungsname leitet sich aus den lateinischen Wörtern vincere für siegen, besiegen und toxicum für Gift ab, dies bezieht sich auf die angebliche Wirkung des Pflanzensaftes als Antidot gegen Schlangengifte.
Schwalbenwurzen | ||||||||||||
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Vincetoxicum funebre | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Vincetoxicum | ||||||||||||
Wolf |
Beschreibung
Vegetative Merkmale
Vincetoxicum-Arten wachsen als wenig verzweigte selten Sträucher, meist Halbsträucher oder ausdauernde krautige Pflanzen, die selbständig aufrecht oder kletternd wachsen und Wuchshöhen von 40 bis 100 (selten bis 200) cm erreichen. Viele Arten bilden Rhizome als Überdauerungsorgane. Die Pflanzen enthalten einen farblosen Milchsaft. Auch bei den verholzenden Arten ist meist der größte Teil der oberirdischen Pflanzenteile nur einjährig und unbehaart bis flaumig behaart.
Die meist gegenständig angeordneten Laubblätter sind mindestens kurz gestielt. Die einfachen, krautigen bis papierartigen Blattspreiten sind eiförmig bis etwas herzförmig, 5 bis 10 cm lang und 2 bis 8 cm breit. Die Blattränder sind bewimpert.
Blütenstände und Blüten
Die in den Internodien entspringenden, gelegentlich paarigen, verzweigten Gesamtblütenstände sind meist kürzer als die nahe stehenden Blätter und aus unterschiedlich aufgebauten Teilblütenständen zusammengesetzt; sie umfassen 5 bis zu 20 Blüten. Blütenstandsschäfte und Blütenstiele sind etwa gleich lang und beide entweder glatt oder flaumig behaart.
Die meist relativ kleinen, radiärsymmetrischen, zwittrigen, fünfzähligen Blüten enthalten Nektar. Die fünf einfarbig gelblich cremefarbenen bis violett-bräunlichen Kelchblätter weisen eine Länge von 2,5 bis 6 mm auf und sind bis höchstens der Hälfte ihrer Länge verwachsen. Die Kelchröhre ist länger als die Kronröhre. Die Kronlappen sind ausgebreitet bis zurückgebogen. Die aus staminalen und interstaminalen Teilen verwachsene, fleischige Nebenkrone ist höchstens gleich hoch wie das nur kurz gestielt bis sitzend „Gynostegium“. Die Farben der Nebenkrone reichen von weiß über elfenbeinfarben bis gelb und von rosafarben bis purpurrot. Die staminalen sind länger und dicker als die interstaminalen Teile. Die hängenden Pollinien sind ei- bis kugelförmig oder länglich. Der cremefarbene oder grüne Narbenkopf ist flach bis hervorgehoben.
Früchte und Samen
Meist entsteht nur eine Balgfrucht pro Blüte, aber sie stehen aufrecht, horizontal bis hängend oft paarig zusammen. Die unbehaarten, hellbraunen Balgfrüchte weisen eine Länge von 6 bis 9 cm und einen Durchmesser von 5 bis 8 mm auf, sind spindel- bis bleistiftförmig, mit einer schnabeligen Spitze, ungeflügelt und longitudinal gerillt, mit dünnem Perikarp. Die hell- bis mittelbraunen Samen sind eiförmig, 4 bis 8 mm lang, 2,5 bis 3,5 mm breit und besitzen an den Rändern 0,2 bis 0,3 mm Flügel mit einem glatten Rand und Flughaare. Als Diasporen dienen die Samen und die Verbreitung erfolgt durch den Wind.
Inhaltsstoffe und Chromosomenzahlen
Sie enthalten Alkaloide, Seco- und Disecopregnane. Die Basischromosomenzahl beträgt n = 11.
Systematik und Verbreitung
Die Gattung Vincetoxicum kommt nur in der Alten Welt in weiten Teilen Eurasiens vor. Sie gedeihen je nach Art an sonnigen Waldrändern, in xerophytischer Vegetation, Trockengebieten Zentralasiens, felsigen Hängen, Schluchten oder Steppen.
Der Gattungsname Vincetoxicum wurde 1776 von Nathanael Matthäus von Wolf in Genera Plantarum, S. 130 erstveröffentlicht. Die Veröffentlichung von Thomas Walter in Flora Caroliniana, secundum …, 13, S. 104 erfolgte erst 1788.[1] Typusart ist Vincetoxicum hirundinaria Medik.
Die Gattung Vincetoxicum gehört zur Subtribus Tylophorinae (K.Schum.) Liede aus der Tribus Asclepiadeae in der Unterfamilie Asclepiadoideae innerhalb der Familie der Apocynaceae. Manchmal werden alle Arten als Sektion Cynanchum sect. Vincetoxicum (Wolf) Tsiang & P.T.Li in die Gattung Cynanchum L. gestellt. Vincetoxicum ist am nächsten mit Tylophora R.Br. verwandt.[2] Synonyme für Vincetoxicum Wolf sind: Alexitoxicon St.-Lag., Antitoxicum Pobed., Pentabothra Hook. f., Pycnostelma Bunge ex Decne.[3]
Es gibt etwa 20 bis 119 Vincetoxicum-Arten.[3][4] Hier eine Auswahl:
- Vincetoxicum amplexicaule Sieb. & Zucc.: Sie gedeiht auf Berghängen, Grasland und Küstendünen in Höhenlagen zwischen 0 und 1000 Metern Meereshöhe in China, Japan, im fernöstlichen Russland und in Korea.[4]
- Vincetoxicum arnottianum (Wight) Wight: Sie kommt nur in Hazara im westlichen Pakistan, in Indien, in Kaschmir und im westlichen Himalaja vor.[4]
- Vincetoxicum atratum (Bunge) C.Morren & Decne.: Sie ist weit verbreitet in China, Japan, Korea und fernöstlichen Russland.[4]
- Vincetoxicum canescens (Willd.) Decne.: Sie kommt in zwei Unterarten im östlichen Mittelmeergebiet vor.[4]
- Vincetoxicum cardiostephanum (Rech. f.) Rech. f.: Sie kommt nur im östlichen Afghanistan und im nordwestlichen Pakistan vor.[4]
- Vincetoxicum chekiangense (M.Cheng) C.Y.Wu & D.Z.Li: Sie gedeiht in feuchten Gebüschen und Tälern in den chinesischen Provinzen Guangdong, Henan, Hubei, Hunan und Zhejiang.
- Vincetoxicum creticum Browicz: Die Heimat ist Kreta.[4]
- Vincetoxicum forrestii (Schltr.) C.Y.Wu & D.Z.Li: Sie gedeiht auf alpinen Gebieten, Grassavannen und feuchten Wiesen in Höhenlagen zwischen 1000 und 5000 Metern in den chinesischen Provinzen Gansu, Guizhou, Sichuan, Xizang und Yunnan.
- Vincetoxicum funebre Boiss. & Kotschy: Sie kommt im zentralen Griechenland und von der nordöstlichen Türkei bis zum nördlichen Iran vor.[4]
- Weiße Schwalbenwurz oder Gemeine Schwalbenwurz (Vincetoxicum hirundinaria Medik., Syn.: Asclepias vincetoxicum L., Cynanchum vincetoxicum (L.) Pers., Vincetoxicum officinale Moench): Diese Art ist weit verbreitet in Eurasien, besonders auf Kalkböden. In Nordamerika ist sie ein Neophyt. Es gibt etwa 11 Unterarten.[4]
- Vincetoxicum inamoenum Maxim.: Sie ist weit verbreitet in China in Höhenlagen zwischen 100 und 3500 Metern, in Tibet, Japan, Korea und im fernöstlichen Russland.[4]
- Vincetoxicum mongolicum Maxim.: Sie gedeiht in Gebirgen und Sandgebieten in Höhenlagen zwischen 0 und 3000 Meter in den chinesischen Provinzen Gansu, Hebei, Nei Mongol, Ningxia, Qinghai, Shaanxi, Shanxi und Sichuan.
- Vincetoxicum mukdenense Kitag. (Syn.: Vincetoxicum pycnostelma Kitag.): Sie kommt vom südlichen Sibirien bis zum gemäßigten Ostasien und China vor.[4]
- Schwarze Schwalbenwurz (Vincetoxicum nigrum (L.) Moench): Diese Art ist ursprünglich vom südwestlichen Europa bis Italien verbreitet.[4]
- Vincetoxicum rossicum (Kleopow) Barbar.: Sie kommt in der Ukraine und im südöstlichen europäischen Russland vor und ist in Kanada und in den USA ein Neophyt.[3][4]
- Vincetoxicum sakesarense Ali & S. Khatoon: Dieser Endemit ist nur von seinem Typusstandort in den Sakesar Hügeln im pakistanischen Distrikt Sargodha bekannt.[4]
- Vincetoxicum speciosum Boiss. & Spruner: Sie kommt von Südosteuropa bis in die nordwestliche Türkei vor.[4]
- Vincetoxicum stauntonii (Decne.) C.Y.Wu & D.Z.Li: Sie ist in niedrigen bis mittleren Höhenlagen in den chinesischen Provinzen Anhui, Fujian, Gansu, Guangdong, Guangxi, Guizhou, Hunan, Jiangsu, Jiangxi, Yunnan und Zhejiang beheimatet.[3]
- Vincetoxicum stocksii Ali & Khatoon: Es ist ein Endemit des südwestlichen Pakistan.[4]
- Vincetoxicum versicolor (Bunge) Decne.: Sie gedeiht in Gebüschen und an Flussläufen in Höhenlagen zwischen 0 und 800 Meter in den chinesischen Provinzen Hebei, Henan, Hubei, Hunan, Jiangsu, Jilin, Liaoning, Shandong, Sichuan und Zhejiang.[4]
Nicht mehr zu dieser Gattung gehören:[3]
- Vincetoxicum alabamense Vail → Matelea alabamensis (Vail) Woodson
- Vincetoxicum gonocarpos Walter → Gonolobus suberosus (L.) R.Br.
- Vincetoxicum leptocladum Decne. → Metastelma leptocladum (Decne.) Schltr.
- Vincetoxicum petiolare (A.Gray) Standl. → Gonolobus petiolaris A.Gray
- Vincetoxicum sibiricum (L.) Decne. → Cynanchum thesioides (Freyn) K. Schum.
- Vincetoxicum thesioides Freyn → Cynanchum thesioides (Freyn) K. Schum.
Nutzung
Die medizinischen Wirkungen einiger Arten wurden untersucht.[5] Beachte: die meisten Pflanzenteile vieler Arten sind giftig.
Literatur
- Sigrid Liede-Schumann, Ulrich Meve: The Genera of Asclepiadoideae, Secamonoideae and Periplocoideae (Apocynaceae). 2006: Zur Gattung Vincetoxicum – Online bei INTKEY databases of the DELTA System. (Abschnitt Beschreibung und Systematik)
- S. I. Ali: Vincetoxicum. in der Flora of Pakistan: Online. (Abschnitt Beschreibung und Systematik)
- Sigrid Liede-Schumann: The genera Cynanchum L. and Vincetoxicum Wolf (Apocynaceae – Asclepiadoideae) in Malesia. In: Blumea. 44, 1999, S. 471–495.
- M. Endress, Sigrid Liede-Schumann, Ulrich Meve: Advances in Apocynaceae: the enlightenment, an introduction. In: Annals of the Missouri Botanical Garden. 94 (2), 2007, S. 259–267.
- Sigrid Liede-Schumann: Cynanchum – Rhodostegiella – Vincetoxicum – Tylophora: new considerations on an old problem. In: Taxon. 45 (2), 1996, S. 193–211.
Einzelnachweise
- Vincetoxicum. In: Thomas Walter: Flora Caroliniana, secundum … 13, 1788, S. 104: Eingescannt bei Botanicus.org.
- Sigrid Liede & Angelika Täuber: Circumscription of the Genus Cynanchum (Apocynaceae-Asclepiadoideae). In: Systematic Botany. 27 (4), 2002, S. 789–800.
- Vincetoxicum im Germplasm Resources Information Network (GRIN), USDA, ARS, National Genetic Resources Program. National Germplasm Resources Laboratory, Beltsville, Maryland. Abgerufen am 8. November 2018.
- Rafaël Govaerts (Hrsg.): Vincetoxicum - World Checklist of Selected Plant Families des Royal Botanic Gardens, Kew. Zuletzt eingesehen am 2. Januar 2020.
- Eintrag bei Plants for a Future (teilweise noch mit altem Namen)
Weblinks
- Bingtao Li, Michael G. Gilbert & W. Douglas Stevens: Asclepiadaceae in der Flora of China, Volume 16: Hier die Vincetoxicum-Arten noch in der Gattung Cynanchum. (engl.)