SS-Anwärter
SS-Anwärter (SS-A; SS-Anw.) oder auch SS-Staffel-Anwärter war die Sammelbezeichnung aller SS-Bewerber, die ihre dreimonatige Probezeit in den Bewerberzügen erfolgreich durchlaufen hatten und die für weitere drei Monate in sogenannte Lehrstürme überführt worden waren, wo ihnen ein (vorläufiger) SS-Ausweis übergeben wurde und in denen sie am regulären SS-Dienst teilnahmen sowie weltanschaulich geschult wurden. Gemäß dem Befehl des Reichsführers SS mit der Tagebuch-Nr. A/9434 vom 9. November 1935 galten als SS-Anwärter all jene, die noch nicht als vollwertiges Mitglied in die SS aufgenommen worden waren.[1] Im Gegensatz zu den SS-Bewerbern hatten sie ersten Etappen der Aufnahme- und Bewährungsrituale in den Ausbildungseinheiten durchlaufen und genügten den Anforderungen des Rasse- und Siedlungshauptamtes.[2]
In der SS-Verfügungstruppe und in den SS-Totenkopfverbänden war es zudem der Sammelname aller SS-Soldaten während ihrer ersten drei Dienstjahre, wo sie in sogenannte Staffeldienstgrade[3] befördert werden konnten.
Mit Wirkung vom 1. Juni 1936 lauteten die Dienstgradbezeichnungen für SS-Anwärter:[1]
- Staffelanwärter,
- Staffelmann,
- Staffelsturmmann usw.
Aufgrund der unterschiedlichen Definitionsmöglichkeiten des Status SS-Anwärter innerhalb der SS sah sich der Chef des SS-Hauptamtes im Januar 1939 gezwungen, eine für alle SS-Dienststellen einheitliche Begriffsbestimmung festzulegen, damit eine einheitliche Einordnung der SS-Anwärter in den Stärke- und Veränderungsmeldungen erfolgen konnte:
„SS-Anwärter sind die jenigen SS-Angehörigen, die unter Zuteilung einer SS-Nummer vorläufig in die SS aufgenommen sind, das heißt sämtiche Staffel-Männer und Staffel-Dienstgrade.“
Diese Definition galt rückwirkend zum 1. Januar 1939. Damit umfasst der Begriff SS-Anwärter alle SS-Angehörigen, die vorläufig in die Schutzstaffel übernommen wurden, d. h., alle Staffelmänner und Staffeldienstgrade.[4]
SS-Anwärter durften ab 1938 zur Uniform Kragenspiegel ohne Paspelierung tragen und erhielten ab 1939 endgültige SS-Ausweise.
1941 wurde der Parteidienstgrad SS-Anwärter in den Heeresdienstgrad Schütze umbenannt.[1]
Rangfolge und Insignien
niedriger: SS-Bewerber |
Dienstrang: SS-Anwärter / Staffel-Anwärter |
höher: SS-Mann |
Der Werdegang vom Bewerber zum SS-Mann
Der deutsche Historiker Heinz Höhne beschrieb in seinem Standardwerk „Der Orden unter dem Totenkopf“ mit dem Untertitel „Die Geschichte der SS“ grob den Werdegang eines SS-Bewerbers bzw. -Anwärter zum SS-Mann:
„Am 9. November, dem Jahrestag des Münchner Bierkeller-Putsches, trat der 18jährige Kanididat in die SS ein, wurde zum Staffel-Bewerber ernannt und zog eine SS-Uniform ohne Kragenspiegel an. Der 30. Januar (NS-Machtübernahme) sah den Staffel-Bewerber bereits als Staffel-Jungmann und im Besitz eines vorläufigen SS-Ausweises. Erster Höhepunkt war dann Hitlers Geburtstag. Am 20. April, mit Kragenspiegeln und endgültigem SS-Ausweis vsehen, den Eid auf seinen Führer. […] Doch für den Staffel-Anwärter der Allgemeinen SS war die Zeit der Prüfungen noch nicht vorbei. Zwischen Schwur (20. April) und Einrücken zum Arbeitsdienst (1. Oktober) musste der Anwärter das Reichssportabzeichen erwerben und den SS-Katechismus erlernen, dessen Frage- und Antwort-Spiel den Staffel-Anwärter noch tiefer in den Hitler-Kult des Schwarzen Ordens einführte. […] Derartig weltanschaulich gedrillt, absolvierte nun der Staffel-Anwärter seine Pflichtzeit in Arbeitsdienst und Wehrmacht, um schließlich in neuer Gestalt bei der SS aufzutauchen, als Staffel-Vollanwärter. Lauteten die Auskünfte der Wehrmacht günstig, so konnte er innerhalb eines Monats endgültig in den Orden aufgenommen werden. Erneut schrieb man den 9. November: Der Kreis hatte sich geschlossen. Der neue SS-Mann legte abermals einen Eid ab. Diesmal schwor er für sich und seine zukünftige Familie, den Heiratsbefehl des Reichsführer-SS vom 31. Dezember 1931 zu befolgen, der allen SS-Mitgliedern die Pflicht auferlegte, ‚einzig und allein nach rassischen und erbgesundheitlichen Gesichtspunkten‘ und nur mit Genehmigung des RuSHA oder Himmlers zu heiraten.“
Allgemeine SS
Der Begriff „SS-Anwärter“ stammt aus Zeiten des massiven Ausbaus der nationalsozialistischen Schutzstaffel, der zwischen 1930 und 1933 vorgenommen wurde. Er wurde gemäß der „Vorläufigen Dienstordnung für die Arbeit der SS“ (DU-DO-31) im Juni 1931 eingeführt und löste den bis dahin gebräuchlichen Begriff des SS-Bewerbers ab. Punkt XI.2, der über die Aufnahmekriterien in der SS handelte, besagte, dass an SS-Anwärter gestellt werde, dass sie mindestens 23 Jahre alt, eine Mindestgröße von 170 cm, dass sie, hier führte die DU-DO-31 die Aufnahmekriterien der Richtlinien von „Schutzstaffeln“ der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiter-Partei vom 28. August 1926 fort, Parteimitglieder sein und zudem zwei Bürgen aus Reihen der Partei stellen müssten. Zudem hätten sie ein polizeiliches Führungszeugnis vorzulegen und Wohndauer von fünf Jahren am Ort nachzuweisen. Ihre Aufnahme- und Verpflichtungsscheine hätten sie zudem mit zwei Lichtbildern der Oberleitung München zuzuleiten.
Bis zur förmlichen Trennung der Begriffe „SS-Bewerber“ und „SS-Anwärter“ im Januar 1939 wurden beide innerhalb der SS synonym verwendet, obgleich sie offiziell bereits seit dem 15. Oktober 1934 in zwei unterschiedliche Staffel-Dienstgrade unterschieden wurden.[5]
SS-Staffel-Anwärter waren verpflichtet, sich auf eigene Kosten eine schwarze SS-Uniform zu kaufen, deren einzige SS-Insignien das Hoheitszeichen der NSDAP und der Totenkopf an der Mütze sowie die schwarz geränderte Hakenkreuzarmbinde war. Bis Ende 1938 war es zudem üblich, dass ihnen vonseiten der Oberleitung München, die seit 1933/34 unter der Bezeichnung „Reichsführung SS“ agierten, ein vorläufiger SS-Ausweis ausgestellt wurde. Zudem waren Anwärter zum SS-Dienst verpflichtet, die sie anfänglich in Ausbildungseinheiten, den sogenannten Lehrstürmen, taten.
Vom Reichsführer Himmler war es zudem vorgesehen, dass alle Anwärter der SS eine Dienstzeit von 1 ½ Jahren zu durchlaufen hätten, bevor sie als 21-jährige nach Ableistung des Eides auf Hitler und der Reichsarbeitsdienst- und Wehrpflicht durch Aushändigung des SS-Dolches zum vollwertigen SS-Mann aufstiegen.[6]
SS-intern wurde der Werdegang des SS-Bewerbers über den SS-Anwärter zum SS-Mann auch mit den Begriffen „Staffel-Jungmann“ und „SS-Vollanwärter“ beschrieben, wie das obige Zitat von Höhne belegt. Auch besaßen nach diesem SS-Anwärter bereits eine schwarze Uniform mit Kragenspiegeln und einen vorläufigen SS-Ausweis.[7]
Allgemein erfolgte der Eintritt in die Allgemeine SS im Alter von 17 ½ Jahren als Bewerber, wobei der Aufnahme- und Verpflichtungsschein (AV-Schein) im Januar/Februar beim örtlichen SS-Sturm abgegeben wurde und man in diesem um eine Aufnahme zum April bat. Nach Ableistung einer sechsmonatigen Probe- und Bewährungszeit in den Bewerberzügen und den Lehrstürmen der Allgemeinen SS wurde der Kandidat am 9. November offiziell als Staffel-Anwärter in die SS aufgenommen. In der sechsmonatigen Probe- und Bewährungszeit konnte der Kandidat jederzeit schriftlich seinen Austritt erklären oder der lokale SS-Sturmführer konnte diesen ohne Angabe von Gründen entlassen, wenn dieser der Ansicht war, der Kandidat sei für die weitere Verwendung in der SS nicht geeignet. Außerdem konnte Himmler in seiner Funktion als Reichsführer jederzeit Anwärter entlassen, ausschließen oder ausstoßen, wenn diese nicht SS-geeignet waren oder massiv gegen den SS-Ehrenkodex verstoßen hatten.
In den sechs Monaten zwischen der Vereidigung auf Adolf Hitler (20. April) und der Einberufung zum Reichsarbeitsdienst (1. Oktober) musste der SS-Staffel-Anwärter nicht nur das SA-Sportabzeichen, sondern auch das Deutsche Reichssportabzeichen in Bronze erwerben sowie den sogenannten SS-Katechismus erlernen, der ihm als „Frage- und Antwort-Spiel“ im „Weltanschaulichen Unterricht“ übermittelt wurde.
Am 1. Oktober verließ der Staffel-Anwärter seine SS-Einheit und absolvierte als überzeugter Nationalsozialist seinen halbjährigen Reichsarbeitsdienst, dem die zweijährige Wehrdienstpflicht folgte. In dieser Zeit ruhte die Anwartschaft und der SS-Anwärter wurde offiziell als SS-Zugehöriger in den Mitgliederlisten geführt.
Eine Mitgliedschaft in der NSDAP wurde stets vonseiten der Reichsführung als Voraussetzung für die Aufnahme in die Allgemeine SS angesehen. Doch die jährlich herausgegebenen Dienstalterslisten der SS wiesen in der Statistik aus, dass vor allem innerhalb des obersten und mittleren Führerkorps der Allgemeinen SS ein großer Teil der SS-Führer keine Parteigenossen waren: So wies auch die 1938 herausgegebene DAL 1144 SS-Führer auf, die keine Parteimitglieder der NSDAP waren und damit einen Gesamtanteil von 8,3 % des Führerkorps darstellten.[8]
Seinen Wehrdienst leistete der SS-Staffel-Anwärter in der Wehrmacht ab; lediglich ein kleiner Teil der Anwärter trat in die SS-Verfügungstruppe ein, zumal sie dort nicht in ihren in der Allgemeinen SS erreichten Staffeldienstgraden eingesetzt wurden.
Nach Beendigung seiner Wehrdienstzeit kehrte der SS-Staffel-Anwärter wieder in seine reguläre Einheit zurück und nahm dort wieder seinen Dienst auf. Dieser „SS-Dienst“ konnte aus Propagandamärschen („Aufmarsch-SS“), Kundgebungen („Absperr-SS“) oder Straßendienst („SS-Streifendienst“) bestehen. Zudem durchlief er wieder eine starke ideologische Indoktrinierung in Form der „Weltanschaulichen Schulung“, die nach Weisungen des SS-Rasseamtes und des Rassenpolitischen Amtes der NSDAP erfolgten und die unter der Zuständigkeit des Schulungsamtes der NSDAP stattfand. So unterhielt dieses eine Abteilung innerhalb der SS, welche dort als SS-Schulungsamt bezeichnet wurde.
Die Wehrmacht beurteilte alle ihre Wehrpflichtigen. So auch die in ihr dienenden SS-Angehörigen. War deren Beurteilung positiv ausgefallen und hatte sich der bisherige Staffel-Anwärter nicht dazu entschieden, aus der SS „in Ehren aus- und in das Reichsheer einzutreten“, dann wurde dieser am 9. November erneut vereidigt. Diesmal schwor er, die „Ordensgesetze der SS“ einzuhalten, seine zukünftige Familie getreu gemäß den Rassengesetzen der SS zu begründen und alle Vorgaben der Reichsführung SS und des RuSHA einzuhalten. Mit Verleihung der 1933 durch Himmler eingeführten Seitenwaffe („SS-Dolch“) wurde der bisherige SS-Staffel-Anwärter zum vollwertigen SS-Mann.
SS-Verfügungstruppe
Freiwilligenbewerber für die SS-Verfügungstruppe mussten generell wie alle SS-Bewerber den Vorgaben des RuSHA entsprechen und die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Interessierte männliche Jugendliche meldeten sich bei der zuständigen Erfassungsstelle der Wehrmacht oder bei einer SS-Standarte. Die SS-Anwärter der Verfügungstruppe wurden sofort aktiv in den Dienst eingebunden.
Jedoch bestanden von Anfang an für SS-Anwärter der SS-Verfügungstruppe Unterschiede im Vergleich zur Allgemeinen SS. So betrug im Gegensatz zur Allgemeinen SS die Probezeit in der SS-Verfügungstruppe nur drei Monate.[9]
Nach Ablauf der Probezeit wurden Angehörige der SS-Verfügungstruppe in der Nacht vom 8. zum 9. November eines jeden Jahres in München vor der Feldherrnhalle auf Adolf Hitler vereidigt. Mit der Vereidigung war der offizielle Aufstieg vom SS-Anwärter zum SS-Mann der SS-Verfügungstruppe vollzogen. Danach begann der Dienst in den Einheiten und Verbänden der SS-Verfügungstruppe.
Nach einer Gesamtdienstzeit von zwei Jahren galt die allgemeine Wehrpflicht als abgeleistet und bei Eignung beziehungsweise Erfüllung der dafür erforderlichen Voraussetzungen erfolgte in der Regel die anstehende Beförderung zum SS-Rottenführer.
Waffen-SS
Ab März 1940 wurde die SS-Verfügungstruppe offiziell in Waffen-SS umbenannt. Ab diesem Zeitpunkt war für SS-Freiwillige mit dem Einrücken in die entsprechende Waffen-SS-Einheit oder den entsprechenden Verband die einheitliche Rangbezeichnung SS-Schütze bzw. SS-Oberschütze verbindlich. Dies traf gleichermaßen zu auf ausländische Freiwilligenbewerber.
Einzelnachweise
- Andrew Mollo: Uniformen der Waffen-SS. S. 152.
- Heinz Höhne: Der Orden unter dem Totenkopf. Die Geschichte der SS. Weltbild Verlag, 1992, ISBN 3-89350-549-0, S. 138–139.
- Alle Staffeldienstgrade gem. Tgb.-Nr. A/9434 v. 9. November 1935 mit Wirkung vom 1. Juni 1936: Staffel-Anwärter, Staffel-Mann, Staffel-Sturmmann, Staffel-Rottenführer, Staffel-Unterscharführer, Staffel-Scharführer, Staffel-Oberscharführer, Staffel-Hauptscharführer
- John F. Steiner: Power Politics and Social Change in National Socialist Germany: A Process of Escalation into Mass Destruction. S. 252.
- Robin Lumsden: The Allgemeine-SS. Kapitel „Rang and titles“, S. 61.
- Heinrich Himmler: Die Schutzstaffel als antibolschewistische Kampforganisation. Zentralverlag der NSDAP München 1937, Abschnitt „Ehrengesetz des SS-Mannes“, S. 26.
- Heinz Höhne: Der Orden unter dem Totenkopf, Die Geschichte der SS. S. 139.
- Quelle: SS-Dienstaltersliste 1938, Anhang „Statistik“, Führerkorps nach Dienstgraden und Parteizugehörigkeit. S. 527.
- Gordon Williamson: Die Waffen-SS 1933–1945. Kapitel Zwei „Rekrutierung“, S. 10.