Süßkind von Trimberg
Süßkind von Trimberg war ein deutscher Spruchdichter aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Biographische Spuren sind von ihm kaum erhalten, ein Aufenthalt am Hofe des Bischofs von Würzburg wird vermutet.
Unter Süßkinds Namen sind in der Großen Heidelberger Liederhandschrift (Codex Manesse) zwölf Sangsprüche in sechs Tönen überliefert. Ob deren Verfasser tatsächlich Jude war, als der er in der Liederhandschrift dreimal bezeichnet wird, oder ob die zwischen 1250 und 1300 entstandenen Strophen um 1330 nachträglich wegen des Judenmotivs in V,2 unter einen jüdischen Namen gestellt wurden, wird kontrovers diskutiert. Nach dem Historiker Friedrich Lotter und der deutsch-jüdischen Publizistin Bertha Badt-Strauss existierte Süßkind und war Jude.[4] Der Germanist und Mediävist Brian Murdoch geht, ebenso wie Helmut de Boor und Raphael Straus, zwar von Süßkinds Existenz aus, meint aber, dass dieser kein Jude gewesen sei.[5] Versuche, Süßkind urkundlich nachzuweisen, sind ergebnislos geblieben, doch den Namen Süßkind konnte im 13. Jahrhundert nur ein Jude tragen und die Herkunftsbezeichnung von Trimberg (westlich von Bad Kissingen) passt zur mitteldeutschen Schreibsprache der Strophen.
Man kann in Süßkinds Versen Parallelen zu alttestamentlichen Metaphern und Sinnsprüchen finden, und sein Lob der eigenen Ehefrau (III,2) verweist wie die Strophe über seine hungrigen Kinder (V,1) auf eine Existenz, die sich außerhalb der für einen fahrenden Sänger üblichen Bahnen bewegt haben könnte. In Strophe V,2 wird das Judentum direkt angesprochen, als der Sänger droht, er werde nicht mehr an den Höfen singen, sondern in alter juden leben mit Bart und langem Mantel, den Hut tief in der Stirn, demütig weiterziehen. Ob dies als ein gattungstypisches Heischemotiv verstanden werden soll oder als poetische Einsicht ins eigene Scheitern, ist Gegenstand einer lebhaften Fachdiskussion – denn dadurch, dass Süßkinds Dichtung als biografische Selbstdarstellung eines frühen Annäherungsversuchs eines Juden an die Mehrheitskultur gelesen werden kann, kommt ihr eine Bedeutung zu, die über sprachliche Kunstfertigkeit hinausgeht.
Das charakteristischste seiner Gedichte ist wohl die Fabel vom Wolf:
Ein Wolf viel jaemerlichen sprach:
Wâ sol ich nû belîben,
Sît ich dur mînes lîbes nâr
Muoz wesen in der âhte?
Darzuo sô bin ich geborn, diu schult, diun ist nicht mîn;
Vil manic man hât guot gemach,
den man siht valscheit trîben
unt guot gewinnen offenbâr
mit sündeclîher trâhte;
der tuot wirser vil, dan ob ich naem ein genslein.
Jân hab ich nicht, des goldes rôt
Zegebene umb mîne spîse,
des muoz ich rouben ûf den lip durch hungers nôt,
der valsch in sîner wîse ist schedelîcher, dan ich,
unt wil unschuldic sîn.
Einzelnachweise und Anmerkungen
- Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhandschrift, hg. v. I. F. Walther u. G. Siebert, Ff/M 1988, S. 238; „edele frouwen, schoene man“, Die Manessische Liederhandschrift in Zürich, Ausstellungskatalog von C. Brinkler und D. Flühler-Kreis, Zürich 1991, S. 25
- Peter Wapnewski, ZEIT-Magazin 35/1985; Peter Wapnewski über die Miniatur des Süezkint im Codex Manesse
- Gustav Roethe: Süßkind von Trimberg. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 37, Duncker & Humblot, Leipzig 1894, S. 334–336.
- Friedrich Lotter: Süßkind von Trimberg. In: Julius Hans Schoeps (Hrsg.): Neues Lexikon des Judentums. Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh/München 1998, ISBN 3-577-10604-2, S. 788.
- Brian Murdoch in Yale Companion to Jewish Writing and Thought in German Culture 1096-1996. London 1997, S. 21–26.
Literatur
- Burghart Wachinger: Artikel Süßkind von Trimberg. In: Verfasserlexikon. Band 9 (1995), Sp. 548–552.
- Dietrich Gerhardt: Süsskind von Trimberg. Berichtigungen zu einer Erinnerung. Lang, Bern u. a. 1997, ISBN 3-906757-01-3.
- Rudolf Kilian Weigand: Süßkind von Trimberg. Ein Jude als Spruchdichter im deutschen Mittelalter? In: „Jenseits der Grenzen“. Die Auseinandersetzung mit der Fremde in der deutschsprachigen Kultur. Hg. von Margaret Stone u. Gundula Sharman. Bern, Frankfurt/Main, New York 2000, S. 13–30.
- Josef Kastein: Süsskind von Trimberg oder Die Tragödie der Heimatlosigkeit, Jerusalem: Palestine Publishing Company, 1934.
- Friedrich Torberg: Süsskind von Trimberg. Roman. Fischer, Frankfurt am Main 1972, ISBN 3-10-079002-2 (fiktive Biografie).
- als Taschenbuch: Droemer Knaur, München 1981, ISBN 3-426-00756-8.
- Gustav Roethe: Süßkind von Trimberg. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 37, Duncker & Humblot, Leipzig 1894, S. 334–336.
- Rudolf Kilian Weigand: Süßkind von Trimberg. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 25, Duncker & Humblot, Berlin 2013, ISBN 978-3-428-11206-7, S. 681 (Digitalisat).
Weblinks
- Literatur von und über Süßkind von Trimberg im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Süßkind von Trimberg im Literaturportal Bayern (Projekt der Bayerischen Staatsbibliothek)
- Die Sangsprüche im Volltext (Bibliotheca Augustana)
- Meister Eckhart und seine Zeit: Süezkint der Jude von Trimperg