Rudolf Brachtel

Rudolf Adalbert Brachtel (* 22. April 1909 i​n Gaya; † 1988) w​ar ein deutscher Internist. Er w​ar SS-Hauptsturmführer u​nd Lagerarzt i​m KZ Dachau.

Biografie

Brachtel promovierte i​n Medizin u​nd war a​b 1938 a​ls Internist tätig. Danach erlernte e​r bei Wilhelm Nonnenbruch i​n Frankfurt a​m Main d​ie Untersuchungsmethode d​er Leberpunktion. Brachtel (SS-Nr. 327.556) w​urde im November 1939 z​ur Waffen-SS eingezogen u​nd war v​on April 1941 b​is Februar 1943 i​m KZ Dachau a​ls Arzt tätig.[1] In Dachau leitete e​r die Röntgenabteilung, w​ar für e​in Jahr Assistent v​on Claus Schilling i​n der Malariaversuchsstation u​nd leitete e​ine Tuberkulosestation. Seine Experimente a​n KZ-Häftlingen umfassten d​ie Infektion m​it Malaria, d​ie Durchführung v​on Leberpunktionen z​u Versuchszwecken s​owie die Teilnahme a​n Unterkühlungsversuchen. Zudem s​oll Brachtel l​aut dem ehemaligen KZ-Häftling Walter Neff d​ie Selektion kranker KZ-Häftlinge für d​ie Vergasungsanstalten angeordnet haben.[2]

Nach Ende d​es Zweiten Weltkrieges w​urde er a​m 24. November 1947 i​n einem Nebenprozess d​es Dachau-Hauptprozesses i​m Rahmen d​er Dachauer Prozesse gemeinsam m​it dem Oberkapo d​es Krankenreviers Karl Zimmermann angeklagt. Im Jahr 1942 grassierte i​m Lager Dachau infektiöse Gelbsucht.[3] Nach Zeugenaussage s​oll er a​n etwa 180 Häftlingen Punktionen vorgenommen haben. Nach eigener Aussage h​atte er e​twa 80 Punktionen vorgenommen, d​ie nur diagnostischen Charakter gehabt hätten. Brachtel wurde, ebenso w​ie Zimmermann, a​m 11. Dezember 1947 a​us Mangel a​n Beweisen freigesprochen.[4]

Brachtel w​ar danach a​ls niedergelassener Arzt i​m Raum Gießen tätig.[5]

Zeitzeugenberichte

  • Eugene Ost, der als Revierschreiber im Krankenrevier Dachau arbeitete, notierte folgende beiden Todesfälle. Laut Ost soll Brachtel die beiden Karteikarten der Verstorbenen entfernt haben.[6]
  1. Johann Pausch, Häftling Nr. 24.351, am 6. Juni 1942 an Gelbsucht erkrankt, am 7. Juni Leberpunktion durch Brachtel, verstorben am 7. Juni
  2. Max Latowsky, Häftling Nr. 15.534, am 18. Juni 1942 punktiert, verstorben am 30. Juni. Todesursache laut Claus Schilling: Leberatrophie (Schwund des Lebergewebes infolge eines Hungerzustands).
  • Gemäß Stanislav Zámečník, der als Revierpfleger arbeitete, soll Brachtel auch gesunde Häftlinge punktiert und somit medizinische Experimente durchgeführt haben. Das Gewebe, das mit Hilfe eines Trokars entnommen wurde, sei nach München an ein Institut weitergeleitet worden.[7]
  • Der ehemalige Häftling und Mediziner František Bláha hatte als Sezierer im Krankenrevier zu arbeiten.[8]

Literatur

  • Ernst Klee: Auschwitz, die NS-Medizin und ihre Opfer. 3. Auflage. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main, 1997, ISBN 3-596-14906-1.
  • Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich: Wer war was vor und nach 1945. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-596-16048-8
  • Robert Sigel: Im Interesse der Gerechtigkeit. Die Dachauer Kriegsverbrecherprozesse 1945–48. Campus-Verlag, Frankfurt am Main 1992, ISBN 3-593-34641-9.
  • Ludwig Eiber, Robert Sigl (Hrsg.): Dachauer Prozesse – NS-Verbrechen vor amerikanischen Militärgerichten in Dachau 1945–1948, Wallstein Verlag, Göttingen 2007, ISBN 978-3-8353-0167-2
  • United States vs. Rudolf Adalbert Brachtel et al. – Case 000-50-2-103 Prozessunterlagen in englischer Sprache (pdf; 630 kB)
  • Stanislav Zámečník: Das war Dachau (= Fischer 17228 Die Zeit des Nationalsozialismus). Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-596-17228-3.

Einzelnachweise

  1. Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich: Wer war was vor und nach 1945., Frankfurt am Main 2007, S. 68
  2. Robert Sigel: Im Interesse der Gerechtigkeit. Die Dachauer Kriegsverbrecherprozesse 1945-48., Frankfurt am Main 1992, S. 79–83
    Ernst Klee: Auschwitz, die NS-Medizin und ihre Opfer., Frankfurt am Main, 1997, 32 und 36f.
  3. Vgl. Ernst-Robert Grawitz: infektiöse Hepatitis, und Prof. Eugen Haagen in Natzweiler.
  4. United States vs. Rudolf Adalbert Brachtel et al. – Case 000-50-2-103 Prozessunterlagen in englischer Sprache (pdf; 630 kB)
    Robert Sigel: Im Interesse der Gerechtigkeit. Die Dachauer Kriegsverbrecherprozesse 1945-48., Frankfurt am Main 1992, S. 79–83
  5. Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich: Wer war was vor und nach 1945., Frankfurt am Main 2007, S. 68
  6. Eugene Ost: "Die Malaria-Versuchsstation im Konzentrationslager Dachau", Dachauer Hefte Nr. 4, S. 174–189.
  7. Stanislav Zámečník: Das war Dachau. Luxemburg, 2002, S. 284
  8. František Bláha: Medicina na scesti. Praha, 1946, S. 94–95.
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