Richard Nutzinger sen.

Richard Nutzinger sen. (* 21. Juli 1867 i​n Mosbach; † 26. November 1950 i​n Neckargemünd; geboren a​ls Heinrich Richard Nuzinger) w​ar ein liberaler evangelischer Theologe, Volkskundler u​nd Familienhistoriker. Er i​st der Vater d​es alemannischen Heimatdichters u​nd Pfarrers Richard Nutzinger.

Richard Nutzinger (Gemälde von Curt Liebich)

Leben

Richard Nutzinger sen. w​urde als Sohn d​es Mosbacher Stadtbaumeisters u​nd späteren Mannheimer Bauunternehmers Andreas Nuzinger geboren u​nd wuchs i​n Mosbach u​nd Mannheim auf. Nach d​em Studium d​er Theologie i​n Heidelberg u​nd Jena w​urde er 1889 a​ls Pfarrkandidat d​er Evangelischen Landeskirche i​n Baden aufgenommen. Nach Militärdienst, einigen kurzen Vikariaten, z​wei weiteren Semestern Theologiestudium i​n Berlin s​owie kurzzeitiger Hauslehrertätigkeit b​ei der Industriellenfamilie Röchling i​n Völklingen w​urde er 1893 a​ls Pfarrverwalter i​n Rötteln tätig u​nd lernte d​ort die Fabrikantentochter Elise Krafft a​us Fahrnau kennen, d​ie er 1894 heiratete. Von 1894 b​is 1910 w​ar Richard Nutzinger sen. a​ls Pfarrer i​n Gutach (Schwarzwaldbahn) tätig, a​b 1907 zusätzlich a​ls Dekan d​es Kirchenbezirks Hornberg. Von 1910 b​is 1920 wirkte e​r als Pfarrer i​n Efringen. 1920 w​urde er a​ls Oberkirchenrat i​n den Evangelischen Oberkirchenrat z​u Karlsruhe berufen. 1923 schied e​r aus d​em kirchlichen Dienst a​us und wirkte n​och einige Jahre i​n Völklingen i​n der Personalverwaltung d​er Firma Röchling. Die letzten 25 Jahre seines Lebens l​ebte er i​n Neckargemünd u​nd verfasste 1945 i​m Auftrag d​er Stadtverwaltung e​ine Kriegs-Chronik d​er Stadt Neckargemünd.

Tätigkeiten

Kirchenpolitisch engagierte sich Nutzinger bei der liberalen Fraktion der Generalsynode der Evangelischen Kirche in Baden, deren Mitglied er von 1909 bis 1914 und deren Vorsitzender er von 1919 bis 1920 war. Zuvor hatte er sich schon 1919 als liberaler Fraktionsvorsitzender bei den Beratungen über eine Wahlordnung für die außerordentliche und verfassungsgebende Generalsynode vom Oktober bis Dezember 1919 eingesetzt. In seiner Tätigkeit als Pfarrer legte er großen Wert auf lokale und regionale Volksbildung und Wohlfahrtspflege. In seinen volkskundlichen Arbeiten geht es vor allem um das Brauchtum des Schwarzwaldes. Hier trat er 1896 mit einer zu Heinrich Hansjakob kontroversen Position bei der Erhaltung der Volkstrachten auf, deren zunehmendes Schwinden er in der Industrialisierung und dem Rückgang der agrarischen Lebensweise, nicht einfach in einem korrigierbaren Bewusstseinswandel begründet sah. In seinen unternehmenshistorischen Publikationen befasste sich Richard Nutzinger vor allem mit der Geschichte der Familie Röchling.

Werke

  • Die Erhaltung der Volkstrachten. Eine Warnung. Zell i. W.: H. Specht, o. J. [1896], 2. verm. Aufl. Heidelberg: Comtesse 1897
  • Karl Röchling. Das Lebenswerk eines Großindustriellen. Völklingen – Saarbrücken: Gebr. Hofer AG 1927
  • Das Haus Röchling in Ludwigshafen a. Rh. 1849-1929. Bilder aus der Familien-, Orts- und Wirtschafts-Geschichte. Ludwigshafen a. Rh.: Julius Waldkirch & Cie. 1929
  • Karl Röchling (1827–1910). In: Rheinisch-Westfälische Wirtschaftsbiographien, Band I. Münster: Aschendorff 1931, S. 139–159
  • Lebenserinnerungen einer alten Mannheimerin, herausgegeben von D. R. Nutzinger, Völklingen, Saarbrücken: Buchgewerbehaus 1938
  • Johann Friedrich Röchling 1756-1814, ein Pfarrersleben aus Alt-Saarbrücken. Saarbrücken: Buchgewerbehaus 1942
  • Kriegs-Chronik der Stadt Neckargemünd. Neckargemünd: Manuskript, 29 S., August 1945, wiederabgedruckt in: Neckargemünder Jahrbuch 1995, S. 50–79

Auszeichnungen

  • (Badische) Friedrich-Luisen-Medaille für „Verdienste auf allen Gebieten der Wohlfahrtspflege“ 1908
  • Preußisches „Verdienstkreuz für Kriegshilfe“ 1918
  • Eisernes Kreuz 2. Klasse 1918
  • Dr. theol. h. c. (D.) der Theologischen Fakultät der Universität Heidelberg 1921

Quelle

  • Geschichte der badischen evangelischen Kirche seit der Union 1821 in Quellen, herausgegeben vom Vorstand des Vereins für Kirchengeschichte in der Evangelischen Landeskirche Baden zum Kirchenjubiläum 1996. Karlsruhe: Evangelischer Presseverband für Baden e.V. 1996
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