Residenzensemble Schwerin
Residenzensemble Schwerin – Kulturlandschaft des romantischen Historismus bezeichnet eine Kulturlandschaft, die seit 2014 auf der deutschen Tentativliste für künftige Vorschläge der Bundesrepublik Deutschland zur Aufnahme in das UNESCO-Welterbe verzeichnet ist[1]. Die Bemühungen um die Aufnahme in die Welterbeliste laufen seit 2000. Im Jahr 2007 wurde dazu ein Landtagsbeschluss gefasst.[2]
Beschreibung des Ensembles
Das Schweriner Residenzensemble repräsentiert in idealtypischer Weise einen Fürstensitz des 19. Jahrhunderts im Stile des romantischen Historismus. Zwischen 1825 und 1883 entstand es unter den Großherzögen Friedrich Franz I., Paul Friedrich und Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin. Mit den Bauten für die Hof- und Staatsverwaltung wie dem Kollegiengebäude, dem Theater und dem Museum für die fürstlichen Kunstsammlungen am Alten Garten ist das Residenzensemble in den Stadtraum hinein erweitert. Zum Ensemble gehören ebenso Dom und Schelfkirche mit ihren herzoglichen Grablegen, die Paulskirche, der Kasernenkomplex zum Schutz der Residenz, das Neustädtische Palais und Funktionsbauten wie der Marstall oder die Hofwäscherei.
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Den Mittelpunkt des Ensembles bildet das zwischen 1843 und 1857 unter Friedrich Franz II. umgebaute Schweriner Schloss. Es stellt den letzten großen Residenzbau Mitteleuropas dar. In ihm wurden die bislang üblichen Bauformen des Klassizismus für ein Residenzschloss konsequent durch die der Neorenaissance abgelöst. Für diese Stilepoche verkörpert das Schweriner Schloss einen Höhepunkt europäischer Baukunst, an dem Georg Adolph Demmler, Hermann Willebrand, Gottfried Semper, Friedrich August Stüler und Ernst Friedrich Zwirner planerisch mitwirkten. Schwerin war Regierungssitz, Festung und Wohnung des Herzogshauses der Obotriten, der einzigen bis 1918 regierenden Dynastie slawischer Abstammung in Deutschland.
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Auf der Schlossinsel liegt die Wiege mecklenburgischer Geschichte. Hier befand sich bereits seit dem 10. Jahrhundert die slawische Burg Zuarin, nach der Stadtgründung 1160 durch Heinrich den Löwen die Grafschaft Schwerin und seit 1358 die Residenz der Herzöge von Mecklenburg, die selbst Nachfahren der Obotriten waren. Der Stil des Historismus mit vielfältigen Verweisen auf die Obotriten und ihren letzten Herrscher Niklot hebt bewusst diese landesherrschaftliche Tradition hervor, um ihren Herrschaftsanspruch zu legitimieren. Das Schweriner Schloss spiegelt so in charakteristischer Weise seine Zeit wider, die geprägt war von der Krise der Monarchie gegenüber den liberalen Kräften des Vormärzes.
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Dieses Bildprogramm manifestiert sich ebenso in den Innenräumen des Schlosses wie dem Thronsaal oder der Ahnengalerie, die Teil der letzten vollständig erhaltenen Anlage eines Thronappartements in Europa sind. Ältere Bauteile des 16. und 17. Jahrhunderts wurden daher in den Neubau des 19. Jahrhunderts eingebunden. Die neu entstandenen Schlossbereiche beziehen sich mit ihren Neorenaissanceformen auf das französische Königsschloss Chambord, um den Anspruch auf die königsgleiche Stellung des mecklenburgischen Großherzogs unter den Souveränen Europas zu betonen.
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Auch die im 16. Jahrhundert unter Johann Albrecht I. entstandene Schlosskirche wurde erhalten. Sie war eine der ersten reformierten Kirchen und wurde im 19. Jahrhundert durch einen neogotischen Choranbau ergänzt. Darüber hinaus ließ der Bauherr des Schlosses, Friedrich Franz II., die herzoglichen Grablegen der Schelfkirche und des Domes renovieren und zum Gedenken an seinen Vater die St. Paulskirche errichten.
Kriterien
Die UNESCO hat mit dem 1972 verabschiedeten internationalen »Übereinkommen zum Schutz des Kultur– und Naturerbes der Welt« die Aufgabe übernommen, Kultur- und Naturgüter von »außergewöhnlichem universellen Wert« zu schützen und zu erhalten. Mit dem Status des Weltkulturerbes obliegt die Verantwortung für das in die Welterbeliste aufgenommene Kulturgut nicht mehr nur dem einzelnen Staat, sondern der gesamten Menschheit. Hierfür hat die Welterbekonvention zehn Kriterien zur Aufnahme von Stätten in das Weltkulturerbe entwickelt.
Das Schweriner Residenzensemble entspricht in drei Punkten diesen Aufnahmekriterien:
Kriterium II – Bedeutender Schnittpunkt menschlicher Werte Architektur und Landschaftsgestaltung des Residenzensembles Schwerin dokumentieren in herausragender Weise die Kunst und die Kulturlandschaft des Historismus in Europa.
Kriterium III – Zeugnis einer Kultur Das Residenzensemble Schwerin zeigt die spezifische Ausprägung der Spätphase höfischer Kultur im Europa des 19. Jahrhunderts. Es ist Ort einer mehr als 1000 Jahre währenden, ungebrochenen Herrschaftstradition von der slawischen bis zur heutigen Zeit und dokumentiert so die Entwicklung vom historischen Fürstenstaat zur modernen Demokratie[3].
Kriterium IV – Erbe von besonderer menschheitsgeschichtlicher Bedeutung Das Schweriner Residenzensemble ist die erste historistische Residenzanlage in Europa überhaupt und eine der frühesten Schöpfungen der Neorenaissance. Das Schweriner Residenzensemble inmitten einer Park- und Naturlandschaft zeichnet sich durch seinen einmaligen Erhaltungszustand und seine Geschlossenheit aus. Nicht nur die Hofkultur und aristokratische Lebenswelt des 19. Jahrhunderts werden mit ihm besonders authentisch vermittelt, sondern auch der gewachsene Charakter der Residenz und ihre Kontinuität als politisches und kulturelles Zentrum des Landes. Es verdeutlicht die Entwicklung eines deutschen Bundeslandes aus dem historischen Fürstenstaat. Teil dieser Kontinuität sind ebenso die immer noch innerhalb des Residenzensembles ansässigen Kulturinstitutionen mit den herzoglichen Archiven und Kunstbesitz[4].
Kulturlandschaft
Das Schloss wurde im Sinne des romantischen Historismus Teil einer malerischen, nach Entwürfen Theodor Kletts und Peter Joseph Lennés gestalteten Gartenanlage. Die Einbindung des Ensembles in die eiszeitliche Seenlandschaft entspricht der romantischen Landschaftsauffassung. Die Insel Kaninchenwerder wurde ebenso in diese Parklandschaft einbezogen, wie das stadtseitige Seeufer mit Altem Garten, Marstall, Villen und die bis Zippendorf reichenden Promenaden. Diese weitgehend intakte, seit dem 19. Jahrhundert kaum veränderte Gartenlandschaft inklusive der Insel Kaninchenwerder wird bis heute als Erholungsraum genutzt und ist Teil des EU-Vogelschutzgebietes »Schweriner Seen«. Ihre Krönung stellt das Schloss dar, das alle Blickbeziehungen auf sich fokussiert. Durch seine Insellage vermittelt es in einer städtebaulich einmaligen Situation zwischen Stadt und umgebendem Garten- und Naturraum. Menschenwerk und Natur verbinden sich harmonisch[5].
Einzelnachweise
- Residence Ensemble Schwerin – Cultural Landscape of Romantic Historicism. Eintrag in die Tentativliste. UNESCO World Heritage Centre, 15. Januar 2015, abgerufen am 13. Dezember 2017 (englisch).
- Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS – Weltkulturerbe Schlossensemble Schwerin. (pdf) Landtag Mecklenburg-Vorpommern, 4. Oktober 2007, abgerufen am 13. Dezember 2017.
- Welterbebewerbung Schwerin. (pdf) 14. Januar 2013, abgerufen am 13. Dezember 2017.
- Welterbebewerbung Schwerin. (pdf) 14. Januar 2013, abgerufen am 13. Dezember 2017.
- Auf dem Weg zum Weltkulturerbe – Flyer der Landeshauptstadt Schwerin und des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur. Abgerufen am 3. Januar 2018.
Literatur
- Residenzensemble Schwerin – Kulturlandschaft des romantischen Historismus : wissenschaftliches Gutachten zur Erklärung zum außergewöhnlich universellen Wert (OUV) für die Aufnahme des Residenzensembles Schwerin in die deutsche Tentativliste zur UNESCO-Welterbeliste / erstellt im Auftr. der Landeshauptstadt Schwerin von Christian Ottersbach. Esslingen, 2012.
- Residenzensemble Schwerin, eine einzigartige Kulturlandschaft des romantischen Historismus – einst und jetzt / Hans-Heinz Schütt. Schwerin : Tinus, 2017. ISBN 978-3-9818946-0-8
- Rundgang durch das Residenzensemble Schwerin : auf dem Weg zum Weltkulturerbe / Landtag Mecklenburg-Vorpommern. Erarb. von Katharina Wiegräbe. Schwerin, 2014.
- Residenzensemble Schwerin – Kulturlandschaft des romantischen Historismus : Schweriner Schlossgespräch des Landtages Mecklenburg-Vorpommern am 18. April 2012 / Hrsg.: Landtag Mecklenburg-Vorpommern, Ref. Öffentlichkeitsarbeit. Schwerin, 2012
- Erste Schweriner Welterbetagung, Tagungsband. 22.–23. Oktober 2015. Herausgeber: Landeshauptstadt Schwerin, Fachdienst Bauen und Denkmalpflege in Kooperation mit dem Landtag M-V und dem Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur M-V. Bearbeitet von B. Kasten, G. Reinkober, S. Rogin, C. Schönfeld. Schwerin 2016. ISBN 978-3-9813709-2-8
- Zweite Schweriner Welterbetagung, Tagungsband. 13.–14. Oktober 2016. Herausgeber: Landeshauptstadt Schwerin, Fachdienst Bauen und Denkmalpflege in Kooperation mit dem Landtag M-V und dem Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur M-V. Redaktion von C. Schönfeld, B. Kasten, S. Rogin, G. Reinkober. Schwerin 2016. ISBN 978-3-9813709-3-5