René Charles Guilbert de Pixérécourt
René Charles Guilbert de Pixérécourt (* 22. Januar 1773 in Nancy, Département Meurthe-et-Moselle; † 27. Juli 1844 ebenda) war ein französischer Theaterautor und Regisseur. Er war der Begründer des modernen Melodramas.
Leben
Pixérécourts Vater war von niederem Adel und verwickelte seinen Sohn nach einem Studium der Rechte in die französische Revolution, wo er als 17-Jähriger auf der Seite der Royalisten in der Armee der Emigranten kämpfte. Bereits während des Kriegsdienstes schrieb er Theaterstücke. 1797 gelang es ihm erstmals, ein Stück im Pariser Théâtre de l’Ambigu-Comique zur Aufführung zu bringen. Im gleichen Jahr folgte der Großerfolg Victor ou l’enfant de la forêt (Victor oder das Kind des Waldes), ein Stück, das von Jean-Jacques Rousseaus Pygmalion (1770) inspiriert ist. Cœlina (1800) wurde sein erfolgreichstes Stück. 1827 war er ein Jahr lang Direktor der Opéra-Comique. 1825 bis 1835 war er Direktor des Théâtre de la Gaîté, bis es durch einen Brand zerstört wurde, was ihn um sein Vermögen brachte. Er zog sich nach Nancy zurück und beschäftigte sich mit der Ausgabe seiner Werke.
Wirkung
Pixérécourts Stücke wurden auf dem Pariser Boulevard du Temple gespielt, hauptsächlich im Théâtre de l’Ambigu-Comique, im Théâtre de la Porte Saint-Martin und im Théâtre de la Gaîeté. Die Kriminalgeschichten, die einen wesentlichen Teil des Repertoires ausmachten, waren Anlass für den Spitznamen dieses Boulevards als „Boulevard du crime“ (Boulevard des Verbrechens). Auch der abschätzige Ausdruck Boulevardtheater steht in Verbindung mit Pixérécourts Melodramen. Sein Publikum stammte aus der unteren Mittelschicht. Viele konnten nicht lesen.[1]
Pixérécourt war trotz zahlreicher Anfeindungen einer der einflussreichsten Theaterschriftsteller zu Beginn des 19. Jahrhunderts und hatte erheblichen Einfluss auf Literatur, Kunst und Dramatik der folgenden Generation, wie Victor Hugo, Honoré de Balzac, Alexandre Dumas der Ältere, Eugène Scribe oder die Opernkomponisten Daniel François Esprit Auber und Giacomo Meyerbeer. Zahlreiche deutschsprachige Autoren wie August von Kotzebue oder Ignaz Franz Castelli übersetzten seine Stücke oder benutzten sie als Grundlage für eigene Werke. Pixérécourts Der Hund des Aubry (1814), in dem ein Hund den Mörder seines Herrchens identifiziert, wurde mit einem dressierten Pudel aufgeführt und machte weltweit Furore. Johann Wolfgang Goethe legte 1817 seine Intendanz am Weimarer Hoftheater nieder, als er eine Aufführung nicht mehr verhindern konnte. Den Pudel („des Pudels Kern“) hat Goethe in Faust I verewigt.
Pixérécourts Arbeit als Regisseur, der großen Wert auf realistische Ausstattung legte, hatte erheblichen Einfluss auf die Theatergeschichte des 19. Jahrhunderts. Der Schauspieler und Schriftsteller Thomas Holcroft übersetzte Pixérécourts Melodramen für die Londoner Bühnen, wo das Melodrama eine eigene Tradition entfaltete.
Neben seinen rund 60 Melodramen schrieb Pixérécourt eine Reihe von Komödien sowie Texte für die musiktheatralischen Genres Opéra-comique, Vaudeville und Féerie. Er verfasste zwei theoretische Texte, in denen er sein Theatergenre rechtfertigte: Guerre au mélodrame! (1818) und Le Mélodrame (1832).
Werke (Auswahl)
- Victor ou l’enfant de la forêt, 1797
- Cœlina ou l’enfant du mystère, 1800
- Robinson Crusoé, 1812
- Le Chien de Montargis (Der Hund des Aubry), 1814
- Christophe Colomb ou la découverte du Nouveau monde (Kolumbus oder die Entdeckung der Neuen Welt), 1815
- La Chapelle des bois, ou le témoin invisible, 1819
- Latude ou 35 ans de captivité, 1834
Literatur
- Paul J. Marcoux: Guilbert De Pixérécourt. French Melodrama in the Early Nineteenth Century. New York: Lang 1992. ISBN 0-8204-1905-2
- Marvin Carlson, Daniel C. Gerould (Hg.): Pixérécourt. Four Melodramas, New York: Segal 2002. ISBN 0-9666152-4-7
- McCormick, John: Popular Theatres on Nineteenth-Century France, London / New York: Routledge 1993.
Weblinks
Einzelnachweise
- vgl. Gabrielle Hyslop: „Pixérécourt and the French melodrama debate: instructing boulevard theatre audiences“, in: James Redmond (Hg.): Melodrama. Cambridge: University Press 1992, S. 61–85