Reiner Solenander

Reiner Solenander (* 1524 i​n Büderich; † 5. Januar 1601 i​n Büderich), ursprünglich Reiner Gathmann, w​ar Badearzt i​n Lucca u​nd Leibarzt Wilhelms d​es Reichen i​n Düsseldorf.

Reiner Solenander in einem Buch von Heinrich Pantaleon

Leben

Als Sohn einer angesehenen Büdericher Bürgerfamilie besuchte Reiner Gathmann die Weseler Lateinschule. Rektor der Schule war zu der Zeit der ebenfalls aus Büderich stammende Johannes Peringius. Bereits zu dieser Zeit wurde er von Herzog Johann III. von Kleve finanziell gefördert. Ein Stipendium des Herzogs ermöglichte ihm, der, wie Melchior Adam schreibt, von ingenio felici (glücklicher Begabung) war, ferner ein mehrjähriges Studium in Löwen, Bologna, Pisa, Rom und Neapel. Er latinisierte seinen Namen in „Reiner(us) Solenander“, und schaltete sich mit seiner ersten Publikation Apologia qua Iulio Alexandrino respondetur pro Argenterio in den von Paracelsus und Vesalius ausgelösten Streit um die Bedeutung und Verbindlichkeit der Lehre des Galenus ein. Giovanni Argenterio hatte Galenus angegriffen, Julius Alexandrinus nahm Galenus gegen diese Angriffe in Schutz. Solenander stellte sich auf die Seite des Angreifers, also der Befreiung von Galenus’ erdrückender Vormachtstellung in der bisherigen Medizin. Er kehrte später freilich zu den anerkannteren galenischen Prinzipien zurück. Er untersuchte und verglich die aus der Antike bekannten Thermalquellen von Ischia und wurde Badearzt in Lucca. Mit De caloris fontium medicatorum causa, eorumque temperatione libri duo wurde er zu einem frühen Balneologen. Unmittelbar nach dieser Veröffentlichung berief ihn 1559 Herzog Wilhelm der Reiche nach Düsseldorf, wo er neben dem acht Jahre älteren Johann Weyer als herzoglicher Leibarzt wirkte. Als Johannes Oporinus 1565 einen Brief über Paracelsus an die beiden Leibärzte richtete, wandte er sich an Solenander als den medicum illustrum ducis Juliacensis excellentissimum. 1566 erlitt der Herzog einen Schlaganfall. Solenander linderte das darauffolgende Siechtum durch diätetische Maßnahmen, musste sich aber bald auch der Geistesschwäche und Melancholie des Erbprinzen Johann Wilhelm annehmen, die zu beheben ihm nicht gelang. Erfolgreich hingegen behandelte er ein Augenleiden des Kartographen Gerhard Mercator in Duisburg mit Augentrost.

Solenander und Weyer nahmen 1573 an der Brautfahrt der Prinzessin Marie Eleonore von Jülich-Kleve-Berg zu ihrer Hochzeit mit Herzog Albrecht Friedrich von Preußen nach Königsberg teil.[1] 1578 zog sich Johann Weyer aus dem Hofdienst zurück, sein Sohn Galenus Weyer folgte ihm nach. Von diesem, Solenander und Lambert Wolf stammt ein medizinisches Gutachten über den desolaten Gesundheitszustand Johann Wilhelms im Jahr 1589. 1592 starb Wilhelm der Reiche, 1595 zog Solenander sich nach Büderich zurück, zumal dem Nachfolger Johann Wilhelm medizinisch mit damaligen Mitteln offenkundig nicht zu helfen war. Solenander sammelte und publizierte seine medizinischen Erfahrungen in dem Werk Consiliorum Medicinalium sectiones quinque, in dem insgesamt 133 verschiedene exemplarische Fälle von Nierensteinen über Schwerhörigkeit bis zur Melancholie nach damaligem Wissen und therapeutischem Vermögen geschildert sind. Laut Melchior Adam forderte Solenander eine Verbesserung der Ausbildung des medizinischen Nachwuchses, der sich allzu oft damit begnüge, in Italien einige Rezepte zu sammeln, dann nach Hause zurückkehre und glaube, sich Arzt nennen zu dürfen. Gut paracelsisch verlangte Solenander, ein Arzt müsse die Krankheit exakt erkennen und Natur und Heilkräfte der anzuwendenden Mittel fleißig studiert haben. Solenander wurde im Willibrordi-Dom zu Wesel beigesetzt.

Heute s​ind nach Solenander Straßen i​n mehreren Städten u​nd Gemeinden benannt, z. B. i​m Düsseldorfer Stadtteil Bilk.

Werke

  • Reineri Solenandri medici Apologia qua Iulio Alexandrino respondetur pro Argenterio. Apud Laurentium Torrentinum, Florentiae (Florenz) 1556 (Google-Books).
  • De caloris fontium medicatorum causa, eorumque temperatione libri duo, et Philosophis et Medicis perutiles. Lugduni (Lyon), Apud Joannem Franciscum de Gabiano, 1558 (Google-Books).
  • Reineri Solenandri Budericensis medici Consiliorum Medicinalium, Sectio prima. Johannes Franciscus de Gambiano, Lyon 1560 (Google-Books)
  • Consiliorum medicinalium Reineri Solenandri, Budericensis, doctoris, medici Ducis Cliuensium, &c. Sectiones quinque. / Quarum prima ante annos trigintaocto, à Joanne Francisco de Gabiano Lugduni edita,; & cum consiliis celeberrimi medici Ioannis Montani in 16 excusa.; Reliquae quatuor ab auctore jam recens additae. Hanouiae (Hanau), Typis Wechelianis, apud Claudium Marnium & heredes Ioan. Aubrii., 1609 (Google-Books).

Literatur

  • Melchior Adam: Vitae germanorum medicorum. Heredes Jonae Rosae, Johannes Georgius Geyder, Frankfurt/Heidelberg 1620 (Digitalisat)
  • Carl Binz: Solenander, Reiner. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 34, Duncker & Humblot, Leipzig 1892, S. 563–565.
  • Klemens Dieckhöfer: Solenander, Reiner. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 24, Duncker & Humblot, Berlin 2010, ISBN 978-3-428-11205-0, S. 549 (Digitalisat).
  • Yvonne Gönster: Reiner Solenander. Ein Mann mit glücklicher Begabung wird Leibarzt des Herzogs. In: Ein Gelehrten-Netzwerk im 16. Jahrhundert. Mercators Nachbarn. Mercator-Verlag, Duisburg 2020, ISBN 978-3-946895-31-2, S. 135–141.
  • Petra Herzog: Vom Badearzt in Lucca zum Leibarzt am herzoglichen Hof: Dr. Reiner Solenander. In: Jahrbuch des Kreises, Wesel 2003, ISBN 3-87463-333-0.
  • H. C. Erik Midelfort: Mad Princes of Renaissance Germany. University Press of Virginia 1996, ISBN 0-8139-1501-5.
  • Anton Wackenbauer: Dr. Reiner Solenander, ein niederrheinischer Arzt, Leibarzt am Düsseldorfer Hof. In: Düsseldorfer Jahrbuch Band 37, S. 96–140
  • Maurits Biesbrouck, Theodoor Goddeeris, Omer Steeno: Reiner Solenander (1524-1601): an important 16th century medical practitioner and his original report of Vesalius' death in 1564. Acta Med Hist Adriat. 2015; S. 265–286. PMID 27604197
  • Veit Veltzke: Johann Weyer und Reiner Solenander: Leibärzte und Humanisten im Dienste der letzten Herzöge von Jülich-Kleve-Berg In: Wesel und die Niederrheinlande, Verknüpfte Geschichte(n) , Mercator-Verlag 2018, ISBN 978-3-946895-03-9

Einzelnachweise

  1. Vgl. Sigmund Feyerabend: Herrliche, warhaffte Beschreibung der beyder fürstlichen Heimfahrt. Sigmund Feyerabend, Frankfurt am Main 1576, S. 43 (Google-Books).
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