Pyramide von Cholula
Namensgebung
Wie bei den meisten indianischen Tempeln auf dem amerikanischen Kontinent ist der ursprüngliche Name des Bauwerkes nicht mehr bekannt. In Mexiko ist die Pyramide als „Gran Pirámide de Cholula“ bekannt, was zur deutschen Übersetzung „große Pyramide von Cholula“ führt. Weitere geläufige Namen sind: Tlachihualtepetl (Nahuatl für "menschengemachter Berg")[1] und Teocalli (Nahuatl für "Haus der Götter")[2], wobei letzterer für viele Pyramiden in Mexiko verwendet wird.
Geografie
Die Pyramide steht in San Andrés Cholula, einem Vorort von Puebla. Die Ebene von Cholula liegt in einem zentralmexikanischen Tal auf 2.175 m Höhe. Im Westen wird das Tal von den Vulkanen Popocatépetl und Iztaccíhuatl begrenzt. Im Norden befindet sich der inaktive Vulkan La Malinche und im Osten des Tals ragt der 5.747 m hohe Pico de Orizaba empor, welcher zur Sierra Nevada zählt. Die Ebene wird durch den Fluss Atoyac entwässert, der heute durch Puebla fließt und mit dem See Valsequillo verbunden ist.
Ausmaße
Das vorhispanische Bauwerk hat ein Volumen von etwa 4,45 Mio. Kubikmetern mit einer Grundfläche von 450 × 450 m. Allerdings ist es mit der jetzigen Höhe von 66 m deutlich kleiner als die Cheops-Pyramide in Ägypten und auch 4 m niedriger als die Sonnenpyramide in Teotihuacán. Die Ausgrabungen zeigen jedoch, dass sie früher höher gewesen sein muss. Die oberste der vier Plattformen, auf der jetzt eine Kirche steht, ist sehr groß und auch die untersten Stufen liegen noch einige Meter unter dem heutigen Erdboden.
Geschichte
In Cholula wurden erste Besiedlungen ab dem 3. Jahrhundert v. Chr. nachgewiesen und von einem unbekannten Volk mit den Arbeiten an dem Quetzalcoatl gewidmeten Tempel-Pyramidenkomplex begonnen. Mehrere Jahrhunderte lang bis ca. 700 n. Chr. bauten verschiedene Völker daran.
Die Beschreibungstafeln auf dem Ausgrabungsgelände geben an, dass die Pyramide alle 52 Jahre erweitert wurde. Die Zahl 52 hatte in den indianischen Kulturen eine besondere Bedeutung und lässt sich in vielen Bereichen wiederfinden.
Die erste Pyramide, welche aus Lehmziegeln gebaut wurde, hatte eine Seitenlänge von 190 m und eine Höhe von ca. 34 m. Sie war genauso wie die etwa zur gleichen Zeit in 100 km Entfernung errichteten Pyramiden von Teotihuacán um 17 Grad in nordöstlicher Richtung ausgerichtet.
Die letzten (5. bis 7.) Überbauten im 8. Jh. mit der Endgröße von ca. 450 × 450 m wurden im Talud-Tablero-Stil errichtet, was auf eine starke Verbindung zu den Erbauern der Teotihuacán-Anlage schließen lässt, weil dieser Baustil dort dominiert. Ab dem 8. Jh. verzeichnete die Stadt, abermals parallel zu Teotihuacán, einen drastischen Bevölkerungsrückgang von in der Blüte 100.000 Einwohnern, dieses Riesenmonument wurde danach nicht mehr weitergebaut (Ende der klassischen Periode) und die Pyramide wuchs teilweise zu. (Anderweitig in der Stadt wurde in der Postklassik aber noch sakral gebaut, etwa im 12. Jahrhundert von den Tolteken).
Nach der spanischen Eroberung wurde im 16. Jh. auf der Pyramidenspitze die Kirche "Iglesia de Nuestra Señora de los Remedios" errichtet. 1804 bestimmte Alexander von Humboldt vor Ort die Höhe und geographische Position der mehrfach überbauten Anlage.[3]
Forschung
Die Pyramide wird schon seit 1917 wissenschaftlich erforscht. Der in der Nähe gefundene 10 Tonnen schwere Hauptaltar deutet darauf hin, dass sie dem Gott Quetzalcoatl (coatl = Schlange, quetzalli = grüne Feder) gewidmet wurde. Diese mysteriöse Gottheit wurde von vielen indianischen Völkern verehrt. Von 1931 bis 1956 wurde unter Leitung von Ignacio Marquina ein begehbares Tunnelsystem angelegt. Diese 8 Kilometer langen Tunnel wurden vor allem in das Innere der Pyramide gegraben, um die verschiedenen Überbauungsschichten nachvollziehen zu können. Hierbei wurden mindestens fünf Bauphasen identifiziert, die in dem für Touristen zugänglichen Teil gut erkennbar sind. 1966 wurde damit begonnen, Teile des Tempels wieder freizulegen. Heute kann man daher an der West- und Südseite die Pyramide wieder als solche begreifen. Es ist nicht abschließend geklärt, warum die Pyramide heute eher einem dicht bewucherten Berg gleicht als einem Bauwerk von menschlicher Hand. Einige Quellen berichten, dass Hernán Cortés sie zuschütten ließ und mit den Steinen einiger nahegelegener kleinerer Pyramiden die christliche Kirche „Santa Maria de los Remedios“ auf ihr errichten ließ. Die Reste der kleineren Pyramiden in der direkten Umgebung sind von der Kirche aus noch sichtbar. Andere Berichte sagen, dass bei Ankunft Cortés die Pyramide bereits nicht mehr als solche erkennbar war und er diese deshalb auch nicht zerstörte.
Siehe auch
Literatur
- Felipe Solís, Patricia Uruñuela, Patricia Plunket, Martín Cruz und Dionisio Rodríguez: Cholula, la gran Pirámide. Grupo Azabache, México 2006, ISBN 970-678-027-0
- Miguel Messmacher: Cholula - Reporte Preliminar. Editorial Nueva Antropologia, México 1967.
- Eduardo Noguera: El Altar De Los Craneos Esculpidos De Cholula. Talleres Graficos De La Nacion, México 1937.
- Leonardo López Luján, David Carrasco und Lourdes Cué: Arqueología e Historia del Centro de México. Instituto Nacional de Antropología e Historia [u. a.], México 2006, ISBN 968-03-0180-X
- Guinness World Records 2008. Bibliographisches Institut, Mannheim 2007, ISBN 3-411-14078-X
Weblinks
- Bericht des Geschichts- und Kulturinstitut von Mexiko (spanisch)
- Alexander von Humboldt: "Pittoreske Ansichten der Cordilleren und Monumente americanischer Völker", Tübingen 1810
- Rudi Oeser (1989): Die Pyramide von Cholula (Memento vom 16. Mai 2009 im Internet Archive)
- Hintergrundinformationen zu der indianischen Kultur von Javier Sierra (spanisch)
- Theorie über Zusammenhang von Bau der Pyramide und Vulkanausbrüchen um 100 n. Chr. (spanisch)
- George and Audrey DeLange (englisch)
Einzelnachweise
- tlachihualtepetl. | Nahuatl Dictionary. Abgerufen am 24. April 2020.
- teocalli. | Nahuatl Dictionary. Abgerufen am 24. April 2020.
- Renate Löschner: Alexander von Humboldts Bedeutung für die Altamerikanistik. In: Wolfgang-Hagen Hein (Hrsg.): Alexander von Humboldt. Leben und Werk. Boehringer, Ingelheim 1985, ISBN 3-921037-55-7, S. 258.