Postenschacher
Als Postenschacher wird im österreichischen Deutsch die Machtaufteilung in der öffentlichen Verwaltung als besondere Form der Korruption beschrieben.[1] In der Regel wird unter diesem Begriff die Zuteilung von Posten ohne vorherige öffentliche Ausschreibung beziehungsweise ohne besondere Qualifikationserfordernisse bezeichnet. Diese Postenbesetzungen können einerseits parteipolitischer Art sein (vgl. Proporz), oder aus Machtinteressen politischer oder wirtschaftlicher Art erfolgen. Der Postenschacher ist üblicherweise eine Folge der Freunderlwirtschaft bzw. des Nepotismus. Bei der Person, die den jeweiligen Posten erhält, wird davon gesprochen, dass sie „Protektion hat“.
Definition Postenschacher:
In der Korruptionsprävention wird auf folgende Definition zurückgegriffen: „Postenschacher ist die Vergabe von Positionen in der öffentlichen Verwaltung oder in staatsnahen Betrieben aufgrund parteipolitischer Kriterien und der Einflussnahme auf Personalauswahlverfahren im Interesse einer politischen Partei oder Interessenorganisation, um einen Wunschkandidaten in eine bestimmte Position zu bringen.“[2] (Thomas Tschiggerl 2021). Diese Definition ermöglicht gezielt Lösungsansätze und Maßnahmen zur Prävention von Postenschacher zu erarbeiten. Postenschacher ist eine korrupte Handlung, bei der politische Akteure eine Machtposition anvertraut bekommen und diese bewusst zu ihrem eigenen Nutzen und Vorteil missbrauchen.
Hintergründe
Öffentliche Ausschreibungen dienen in der Regel der Bestätigung der hinter den Kulissen bereits erfolgten Entscheidung über eine Besetzung. Diese werden aus Gründen der Transparenz zumeist nachträglich in rechtlich beschönigter Form veröffentlicht, um formellen Grundkriterien zu entsprechen. Aufgrund der fehlenden Pflicht zur zwingenden Berücksichtigung vordefinierter Kriterien bei öffentlichen Postenvergaben (etwa zur Steigerung des Frauenanteils oder belegbare Erfahrungsnachweise) haben derartige Ausschreibungen geringe oder gar keine Implikationen auf die tatsächliche Postenbesetzung. Eine Postenbesetzung muss laut aktueller österreichischer Gesetzgebung nicht formell begründet werden. Ebenso können Einsprüche anderer Bewerber in der Praxis nur selten rechtlich durchgesetzt werden. Sie führen in der Regel lediglich zu einer kurzen Verzögerung der bereits beschlossenen Postenvergabe. Hier haben indirekte Maßnahmen, wie etwa gütliche Einigungen oder Kritik der Medien, größere Aussicht auf Erfolg. Das gegenseitige Vorwerfen des Postenschachers – an dem alle Parteien beteiligt sind – gehört in Österreich zum politischen Alltag.
Postenschacher-Besetzungen unterliegen der häufigen, jedoch zumeist erfolglosen, Kritik der öffentlichen Meinung. Bislang wurden nur unzureichende Maßnahmen zur Bekämpfung dieser in Österreich besonders ausgeprägten Form der Korruption eingeführt. Der Postenschacher dient grundsätzlich der Festigung bestehender Machtstrukturen in Österreich und trägt daher wesentlich zum häufig kritisierten Phänomen starrer und „verkrusteter Strukturen“ bei.
Bei der Ernennung von Schuldirektoren wird häufig Postenschacher unterstellt.[3][4] In der Regierung Kurz I vereinbarten die ÖVP und die FPÖ als Koalitionspartner neben dem öffentlichen Koalitionsvertrag in einem geheimen Side letter die politisch motivierte Besetzung von Richterstellen, Aufsichtsratsposten, Umgestaltung von Einrichtungen (z. B. ORF) unabhängig von der fachlichen Qualifikation z. B. von Richtern. Einen ähnlichen geheimen Side letter gab es auch zum Koalitionsvertrag in der Regierung Kurz II zwischen ÖVP und GRÜNE.[5][6][7] Der Politologe Thomas Hofer erklärte im ORF.at-Interview, dass es in Österreich immer inhaltliche Nebenvereinbarungen gegeben habe, die nicht im Koalitionsvertrag gestanden hätten. Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) meinte zum Sideletter im ÖVP-GRÜNE-Koalitionsvertrag: „Nein, ich kannte diesen Sideletter nicht“, derartige Vereinbarungen seien aber weder unüblich noch verwerflich. Für den Dachverband der Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichter hingegen sind solche „parteipolitischen Absprachen“ über die Besetzung von Leitungsfunktionen in der Gerichtsbarkeit „jedenfalls dazu angetan“, das Vertrauen in die Unabhängigkeit der Gerichte zu erschüttern.[8]
Das Wort „Schachern“ geht zurück auf das jiddische „sachern“, das „Handel betreiben“ bedeutet – ohne düsteren Beiklang. Abwertend wird der Begriff erst in der deutschen Sprache, die daraus ein „handeln wie ein Jude“ macht – und etwas Negatives daraus macht, meint Ronen Steinke, Buchautor von „Antisemitismus in der Sprache“.[9] Laut Robert Sedlaczek ist die abwertende Bedeutung im Austriazismus „Postenschacher“ jedoch nicht mehr erkennbar.[10]
Verarbeitung in Kunst und Kultur
In der satirischen Sitcom MA 2412 wird die Protektion aufs Korn genommen. Helmut Qualtingers auf realen Begebenheiten basierendes Lied „Der Papa wird’s schon richten“ hat auch Postenschacher zum Thema. So heißt es in einer Strophe: „Und brauch’ ich einen Posten, dann laßt er sich’s was kosten, sonst frag ich mich, zu was’dn is’ er sonst da?“
Siehe auch
- Club 45
- Lucona-Affäre
- Buberlpartie bzw. Mäderlpartie
- Casinos-Affäre
- Schacher
Weblink
- Postenschacher ist ein österreichisches Wort. Beitrag in Addendum vom August 2019.
Einzelnachweise
- Ostarrichi.org "Postenschacher"
- Postenschacher aus der Sicht der Korruptionsprävention. Abgerufen am 7. Februar 2022.
- http://regionaut.meinbezirk.at/sankt-poelten/importiert/postenschacher-in-schulen-d11346.html
- http://www.kleinezeitung.at/kaernten/spittal/seeboden/2772040/wieder-blauer-postenschacher.story
- Postenschacher und ORF-Umbau: Das Geheimpapier von Türkis-Blau, Webseite: profil.at vom 28. Januar 2022.
- Schwarze Netzwerke in der Justiz, Webseite: zackzack.at vom 19. Januar 2022.
- Neue Details aus Sideletter von ÖVP und Grünen, Webseite: orf.at vom 30. Januar 2022.
- „U-Ausschuss wirft Schatten voraus“, Webseite: orf.at vom 31. Januar 2022.
- Ronen Steinke: Antisemitismus in der Sprache: Da schwingt was mit. In: Die Tageszeitung: taz. 6. September 2020, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 6. November 2020]).
- Robert Sedlaczek: Wenn Ämter und Posten zur Ware werden. In: wienerzeitung.at. 21. August 2019, abgerufen am 6. November 2020.