Popeye
Popeye (englisch umgangssprachlich „Glotzauge“) ist eine Comic- und Zeichentrickfigur des amerikanischen Zeichners Elzie Crisler Segar. 70 Jahre nach dem Tod seines Schöpfers erlangte der Spinat vertilgende Matrose 2009 Gemeinfreiheit in vielen Ländern.[1] Ausgenommen davon sind spätere Medien wie Filme und Computerspiele sowie beispielsweise die Musik.
Comics
Elzie Segar
Ab 1919 zeichnete Segar für das Zeitungssyndikat King Features eine Comic-Serie mit dem Titel Thimble Theatre. Protagonisten der Serie waren Castor Oyl, seine Schwester Olive Oyl und deren Freund Ham Gravy. Die Namen ergeben im Englischen lautsprachlich die Begriffe „Rizinusöl“, „Olivenöl“ und „Bratensaft“. Der erste Daily erschien am 19. Dezember 1919, die erste Sonntagsseite am 18. April 1925.
In dieser Reihe trat am 17. Januar 1929 als Nebenfigur zum ersten Mal ein Seemann auf: Popeye. Segar verlieh ihm mit der Kapitänsmütze, dem Anker-Tattoo auf dem linken Unterarm, den grotesken Proportionen seiner Arme und einem schiefen Gesicht (bedingt durch die im Mundwinkel eingequetschte Pfeife und das beständige Zukneifen eines Auges) ein markantes Erscheinungsbild. Als Vorbild diente ihm Frank "Rocky" Fiegel (der als Kind von polnischen Einwanderern im Jahr 1868 in Chester zur Welt kam und 1947 verstarb).[2][3] Die Figur des knurrigen, aber herzensguten und vor allem schlagfertigen Seemanns wurde schnell sehr populär, so dass Ham Gravy durch ihn ersetzt und auch Castor Oyl zunehmend an den Rand gedrängt wurde. Lediglich Olive Oyl (Schuhgröße 57, deutsch: Olivia) spielte als Geliebte Popeyes weiterhin eine größere Rolle.
In der Folge führte Segar weitere interessante Figuren in die Serie ein, vor allem J. Wellington Wimpy, einen philosophierenden und opportunistischen Schmarotzer von Hamburgern. Dieser 1931 geschaffene Charakter war später Namensgeber der Wimpy-Fast-Food-Restaurant-Kette. Wimpys Sprüche wie „I’d like to invite you over to my house for a duck dinner – you bring the ducks!“, „I’ll gladly pay you Tuesday for a hamburger today!“ oder „Jones is my name, I’m one of the Jones boys!“ gingen in den amerikanischen Sprachgebrauch ein.
1936 wurde die Figur Eugene the Jeep eingeführt, ein Fabelwesen mit großem Appetit auf Orchideen und übernatürlichen Fähigkeiten, die es einsetzte, um Popeye aus Notlagen zu befreien. Es wird angenommen, dass diese Figur der Namensgeber für den US-Militärgeländewagen Willys MB war, der ab 1940 entwickelt wurde. Weitere Figuren der Serie, die Segars Phantasie entsprangen, waren die übelwollende Sea Hag (deutsch: das Seeweib oder die Seehexe), die unheimliche Alice the Goon (die Wumme), der Steinzeit-Hüne Toar (Thor) sowie Popeyes Adoptivsohn Swee' Pea (Popi) und Vater Poopdeck Pappy.
Die Nachfolger
Nach dem Tode Segars im Jahre 1938 wurde die Serie von anderen Künstlern übernommen, die mit ihren vergleichsweise routinierten und zahmen Episoden jedoch nie an dessen Qualitäten anknüpfen konnten. Im Folgenden eine Auflistung der bekannten Beteiligten:
Strips:
- Elzie Segar: 1919–38
- Charles „Doc“ Winner & Tom Sims (Szenario): 1938/39
- Joe Musial & Sims: 1939
- Bela „Bill“ Zaboly & Sims: 1939–54
- Zaboly & Ralph Stein (Szenario): 1954–58
- Forrest „Bud“ Sagendorf: 1958–86 (Dailies) / 1958–94 (Sundays)
- Bobby London: 1986–92 (Dailies)
- Hy Eisman: seit 1994 (Sundays)
Comic books:
- George Wildman: 1969–77, Charlton Comics
- Bill Pearson: 1980er/1990er (?), Ocean Comics (modernisierte Version von Popeye)
- Bruce Ozella & Roger Langridge (Szenario): seit 2012
Die Nachfolger brachten den aus den Filmen bekannten Schurken Bluto, der bei Segar nur einen einzigen Auftritt gehabt hatte, wieder zurück in den Strip und fügten dem Universum Popeyes Mutter hinzu. Der mit Abstand langjährigste aller Nachfolger war Bud Sagendorf, Segars Schwiegersohn, der ihm bereits ab 1931 bei Lettering und Hintergründen assistiert hatte. Auch Winner und Musial waren ehemalige Assistenten Segars in dessen letztem Lebensjahr gewesen. Der Strip selbst war bereits im März 1932 in Thimble Theatre starring Popeye umbenannt worden, heißt aber erst seit den 1970er Jahren offiziell Popeye. Seit 1992 erscheinen in den Zeitungen nur noch Sonntagsseiten. Im April 2012 startete IDW Publishing eine neue Popeye-Heftreihe.
Popeye-Comics in Deutschland
Die Popeye-Strips erschienen in zahlreichen deutschen Zeitungen, unter anderem schon seit den 1950er Jahren in der Hamburger Morgenpost. Dort hörte der Seemann auf den Namen „Kuddl Dutt“, der auch beibehalten wurde, als Popeye bereits lange Zeit ein Begriff für die Allgemeinheit war. Auch in diversen Zeitschriften kam Popeye zum Abdruck, unter anderem in den 1970er und 1980er Jahren in dem Apotheken-Magazin „Junior“. Den ersten deutschen Auftritt im Comicheft hatte Popeye 1953/54 in „Buntes Allerlei“ des Aller Verlags – als Schifferkarl. Um 1960 tauchte er als „Pop der Seemann“ in „Felix“ von Bastei und 1963 unter dem Titel „Emil und Oskar“ (Popeye als Oskar) im Heft „Blondie und Dankwart“ bei Lehning auf.
Die erste ganz Popeye gewidmete Publikation in Deutschland war die Heftreihe „Popeye der Seemann“ (später: „Popeye der Spinatmatrose“), die von 1969 bis 1972 in insgesamt 75 Ausgaben bei Moewig erschien. Innerhalb der von 1971 bis 1975 bei Carlsen veröffentlichten Alben-Reihe „Comics – Weltbekannte Zeichenserien“ war Popeye in den Bänden 1 und 5 enthalten; letzterer bot Segar-Material. 1972 brachte der Melzer-Verlag ein „Popeye der Seemann“ betiteltes querformatiges Paperback heraus, 1976 das ganz Segar gewidmete großformatige Buch „Ich Popeye“ (auch bei Bertelsmann erschienen). Beim Ehapa-Verlag erschien Popeye zunächst in den MV Comix und dann von 1975 bis 1982 in der 15-bändigen Softcover-Albenreihe „Die Abenteuer von Popeye“, die 1983/84 durch 16 „Popeye“-Hefte abgelöst wurde, sowie zwischen 1979 und 1982 in 14 „Popeye“-Taschenbüchern. 1979 veröffentlichte Ehapa zudem das Jubiläumsalbum „Popeye – Die ersten 50 Jahre“ mit sowohl Segar- als auch Sagendorf-Material. In jüngerer Zeit erschien der Seemann in Band 12 der 2005 veröffentlichten „Bild Comic-Bibliothek“, die aktuelle Sundays von Eisman beinhaltete.
War Popeye in Deutschland bis dato hauptsächlich durch die Zeitungsstrips von Sagendorf präsent, erhielt der „Ur-Popeye“ 2006 eine Veröffentlichung durch den Mare Verlag. Das dort erschienene, schlicht „Popeye“ betitelte Buch beinhaltet im Querformat alle Strips von Segar, in denen es Popeye auf hohe See verschlägt. Autor und Übersetzer Ebi Naumann gab dem Seemann erstmals eine eigene deutsche Sprache, in der bekannte Popeye-Sentenzen wie „I yam what I yam an’ tha’s all I yam!“ oder „Well, blow me down!“ zu „Ich pin wassich pin – wer pinnich tenn?“ beziehungsweise „Lot mi an Land!“ wurden.
In den USA erscheint seit Ende 2006 eine Gesamtausgabe des Segar’schen Popeye beim Verlag Fantagraphics. Mittlerweile sind alle sechs Bände dieser Reihe veröffentlicht worden.
Zeichentrickfilme
Ab 1933 entstand im Studio von Max Fleischer eine Zeichentrickfassung von Popeye. Seinen ersten Auftritt hatte er als Gast in dem nach ihm benannten Betty-Boop-Cartoon Popeye the Sailor, anschließend startete seine eigene Reihe. Bis zur Schließung des Fleischer Studios 1942 entstanden 108 Popeye-Cartoons mit einer Länge von jeweils rund sieben Minuten, davon 105 in schwarzweiß sowie drei farbige Two-Reeler mit doppelter Länge. Im Gegensatz zu den ursprünglichen Segar-Comics drehen sich die Filme zumeist um das Trio Popeye, Olive und Bluto (auch als Brutus bekannt).
1942 übernahm das Famous Studio die Popeye-Reihe und produzierte bis 1957 weitere 125 Popeye-Cartoons. Ab 1943 wurden die Filme in Farbe produziert. 1960/1961 entstanden weitere 220 Popeye-Trickfilme fürs Fernsehen, bei denen die Qualität der Animation stark reduziert wurde. 1978 produzierte Hanna-Barbera die Serie The All-New Popeye Hour und 1987 die Serie Popeye and Son.
Zum 75-jährigen Jubiläum produzierten Mainframe Entertainment (heute: Rainmaker Animation) und Lions Gate Entertainment 2004 einen computeranimierten Trickfilm: Popeye's Voyage: The Quest for Pappy. Der 47 Minuten lange Animationsfilm wurde bislang nur in den USA und in Spanien veröffentlicht.[4]
- Popeye und der Spinat
In den Zeichentrickfilmen wurde Popeyes ständiges Markenzeichen eingeführt: Spinat, den er büchsenweise schluckt, um daraus ungeahnte Kräfte für seine zahllosen Prügeleien zu entwickeln. Popeyes Vorliebe für Spinat steht in Zusammenhang mit der seinerzeit aufkommenden Ansicht, dieses Gemüse wäre aufgrund seines angeblich hohen Eisengehalts ein ideales Stärkungsmittel, was damals auch viele Eltern dazu brachte, Kinder und Heranwachsende zum Essen des meist wenig geschätzten Spinats zu „nötigen“. Der damals angenommene außergewöhnlich hohe Eisenanteil von 35 Milligramm basierte aber auf einer fälschlichen Übertragung. Der Schweizer Physiologe Gustav von Bunge hatte 1890 den Wert nämlich richtig berechnet, doch bezogen sich seine Angaben auf getrockneten Spinat. Diese Angaben wurden später irrtümlich frischem Spinat zugeschrieben, der aber zu ca. 90 % aus Wasser besteht. 100 Gramm frischer Spinat enthalten also durchschnittliche 3,5 Milligramm Eisen und nicht die außergewöhnlichen 35 Milligramm.
Eine im Jahr 2012 veröffentlichte Studie des schwedischen Karolinska-Instituts kommt zur Auffassung, dass nicht das Eisen, aber die im Spinat enthaltenen Nitrate das Wachstum von Muskeln, insbesondere jene für die Ausdauer, fördern können.[5][6]
Real-Verfilmung
1980 drehte Robert Altman die Musical-Variante Popeye – Der Seemann mit dem harten Schlag, eine Koproduktion von Paramount und Disney mit Robin Williams in der Titelrolle.
Computerspiele
1982 brachte Nintendo auch ein gleichnamiges Arcade-Spiel heraus, das auch auf Homecomputer und Spielekonsolen wie Commodore 64, Philips G7000 und Atari 2600 portiert wurde. Es handelt sich dabei um einen Platformer/single screen ohne Scrolling, wobei Popeye Herzchen und Musiknoten von Olivia einsammeln muss.
Ab 1984 brachte Publisher Alternative Software bis 1992 noch drei weitere Popeye-Spiele für C-64, Amstrad und z. T. auch für Amiga auf den Markt: Popeye, Popeye 2 und Popeye 3 – Wrestle Crazy.
1993 erschien unabhängig ein weiteres Jump ’n’ Run namens Popeye 2 für den Game Boy und 1994 gab es (ausschließlich) in Japan ein weiteres Spiel für das Super Famicom unter dem Titel Popeye : Ijiwaru Majo Seahag no Maki. Zuletzt sah man Popeye 2006 auf dem Game Boy Advance in The Rush for Spinach.
Filmografie
In den 1930er und frühen 1940er Jahren produzierten die Fleischer Studios eine Reihe von Zeichentrickfilmen um die Figur des Popeye, die nachfolgend aufgelistet sind. Mit * gekennzeichnete Filme sind nach amerikanischem Recht Public Domain und somit auf zahlreichen Video- und DVD-Veröffentlichungen erschienen.
1933
1934
1935
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1936
1937
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1938
1939
1940
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1941
1942
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Trivia
- In Hamburg, Carsten-Rehder-Str. 62, vor der Gaststätte Zum Schellfischposten!, Bereich Fischmarkt im Hamburger Hafen, steht das Popeye-der-Seefahrer-Denkmal von Erich Gerer.
- Wenn die Bizepssehne reißt, dadurch nach unten rutscht, während sich der Muskel am Oberarm zusammenzieht, entsteht kurz über der Armbeuge ein Muskelbauch. Dies ähnelt Popeyes Armmuskeln und wird daher als „Popeye-Syndrom“ bezeichnet, siehe auch Bizepssehnenruptur.
- Zu Popeyes 75. Geburtstag im Januar 2004 wurde das Empire State Building mit spinatgrünem Licht erleuchtet.[7]
Weblinks
- „Popeye“-Cartoons Auswahl unter mehreren zum direkten Download aus dem Internet Archive (engl.)
- Popeye (1980) in der Internet Movie Database (englisch)
- Der „Ur-Popeye“ bei Mare, Eine Rezension mit Bildern und Zitaten von Segar
- 80 Jahre Popeye Geburtstags-Special
Einzelnachweise
- Popeye's copyright to expire in January. Telegraph Media Group Limited 2009, 30. Dezember 2008, abgerufen am 24. Januar 2009 (englisch).
- The Associated Press: Where They Really Knew Popeye and Co. In: The New York Times. 18. Januar 2004, ISSN 0362-4331 (nytimes.com [abgerufen am 27. Mai 2021]).
- Fred M. Grandinetti: Popeye: An Illustrated Cultural History, 2d ed. McFarland, 2003, ISBN 978-0-7864-2687-4 (google.de [abgerufen am 27. Mai 2021]).
- IMDB. 30. Dezember 2008, abgerufen am 24. Januar 2009 (englisch).
- Spenatens gåta löst – därför gör den oss starka. Pressemitteilung des Karolinska-Instituts, 11. Juni 2012.
- Wegen Nitrat: Spinat macht stark. Auf: www.handelsblatt.com, 26. Juni 2012.
- Grandinetti, Fred M.: Popeye: An Illustrated Cultural History, 2d ed, S. 204.