Peter Høeg
Peter Høeg (* 17. Mai 1957 in Kopenhagen) ist ein dänischer Schriftsteller.
Leben
Peter Høeg wurde 1957 im Kopenhagener Stadtteil Christianshavn als ältester Sohn eines Juristen im Staatsdienst und einer Dozentin für Latein und Deutsch geboren.[1] 1976 machte er sein Abitur am Gymnasium Frederiksberg, 1984 den Magister Artium in vergleichender Literaturwissenschaft an der Universität Kopenhagen. Anschließend absolvierte er in Schweden und Paris eine Ausbildung zum Schauspieler und Tänzer.[2] Seinen Lebensunterhalt verdiente er eine Zeit lang als Schauspieler und Tänzer für klassisches Ballett auf verschiedenen dänischen und schwedischen Bühnen und als Dozent an der Universität Odense.[3]
Im Anschluss an diese Reisen gründete er eine Stiftung zugunsten von Frauen und Kindern in Entwicklungsländern.[4] Sämtliche Einkünfte aus seinem Roman Die Frau und der Affe sowie fünfzehn Prozent aller übrigen Einnahmen, die Høeg in den nächsten zehn Jahren machte, flossen in die Høegsche Lolwe-Stiftung. Diese unterstützt Frauen und Kinder in Afrika und in den tibetanischen Flüchtlingslagern Indiens.
Internationalen Ruhm erlangte er 1992 mit der Veröffentlichung seines Romans Fräulein Smillas Gespür für Schnee (dänisch Frøken Smillas fornemmelse for sne), auch durch die Verfilmung unter Filmproduzent Bernd Eichinger und Regisseur Bille August mit Julia Ormond in der Titelrolle. Der Film war der Eröffnungsfilm der Berlinale 1997. Das englischsprachige Buch wurde in einer Auflage von 4 Mio. Exemplaren gedruckt – eine Sensation für den bis dahin international eher unbekannten dänischen Schriftsteller.
Seither ist Høeg ein Bestsellerautor, dessen Werke bisher über 20 Millionen Mal verkauft wurden.[5] Der Autor ist der Meinung, keine weiteren Verfilmungen seiner Bücher mehr zu erlauben: „Dafür gab es mehrere Gründe, aber einer war, dass ich nicht möchte, dass der bildlichen Phantasie der Leser Grenzen gesetzt werden.“[6][7]
Peter Høeg lebt abwechselnd in der Nähe von Kopenhagen und Jütland (Dänemark). Mit seiner aus Kenia stammenden Ehefrau Akiniyi hat er zwei Töchter.
Auszeichnungen
- 1988: Weekendavisens litteraturpris für den Roman Forestilling om det tyvende århundrede (dt.: Vorstellung vom 20. Jahrhundert)
- 1993: Kritikerprisen für den Roman De måske egnede (dt.: Der Plan von der Abschaffung des Dunkels)
- 1993: Glasnyckel für Frøken Smillas fornemmelse for sne (dt.: Fräulein Smillas Gespür für Schnee)
- 1994: De Gyldne Laurbær 1993
- 1994: CWA Silver Dagger für Smila’s Sense of Snow (dt.: Fräulein Smillas Gespür für Schnee)
- 1994: Dilys Award für Smila's Sense of Snow (dt.: Fräulein Smillas Gespür für Schnee)
- 1995: Deutscher Krimipreis – International 2 für Fräulein Smillas Gespür für Schnee
Werke
- 1988, Debütroman: Forestilling om det tyvende århundrede.(dt.: Vorstellung vom 20. Jahrhundert. Hanser, München 1992, ISBN 3-446-16110-4)[8] Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2000, ISBN 978-3-499-22769-1[9]
- 1990 hat Peter Høeg eine Sammlung von Erzählungen unter dem Titel Fortællinger om natten veröffentlicht (dt.: Von der Liebe und ihren Bedingungen in der Nacht des 19. März 1929. Hanser, München, 1996, ISBN 3-446-17309-9; Neuauflage als rororo-Taschenbuch, Reinbek bei Hamburg, 1998, ISBN 3-499-22314-7). Hat er in einer vorausgegangenen Anthologie von Kurzgeschichten noch mit dem Magischen Realismus Lateinamerikas gespielt, so lehnt er sich hier stilistisch an Karen Blixen an. Die ursprünglich neun Erzählungen befassen sich in Variationen mit dem Thema der Liebe.
- 1992: Die Handlung des Romans Frøken Smillas fornemmelse for sne. (dt.: Fräulein Smillas Gespür für Schnee. Hanser, München 1994, ISBN 3-446-17683-7) ist in Kopenhagen und Grönland angesiedelt. Die Hauptperson Smilla Jaspersen, die als halbe Grönländerin immer wieder zwischen ihrer Inuit-Herkunft und der dänischen Wahlheimat schwankt, ist eine Mathematikerin und Geographin. Sie kommt einem Verbrechen auf die Spur, als der kleine Inuitjunge, der in ihrem Wohnblock in Kopenhagen wohnt, vom Dach fällt und stirbt. (Eine Neuauflage als Taschenbuch erfolgte 1996 bei Rowohlt in Reinbek bei Hamburg (ISBN 3-499-13599-X); verfilmt, Regie Bille August, 1997)
- 1993: De måske egnede. (dt.: Der Plan von der Abschaffung des Dunkels. Hanser, München, 1995, ISBN 3-446-17820-1). Dieser Roman besteht aus zwei Ebenen:
- Vordergründig handelt er vom Weg der Hauptperson durch Waisenhäuser, Kinderheime und eine Internatsschule bis zur (rettenden) Adoption in der Pubertät. Gewalterfahrungen, Misshandlungen durch Betreuer und andere Kinder sowie Überlebensstrategien von Schicksalsgenossen zeichnen ein knallhartes Bild der Heimkinder-Realität. An der Internatsschule steigt der Spannungsbogen, weil die Kinder einen Plan erfühlen, nach dem gesteuert wird. Es bleibt aber subtil – die Absichtlichkeit, Motive und Ziele bleiben verborgen.
- In diese Rahmenhandlung ist ein Grundthema eingearbeitet: Zeit. Zeit als Mittel gesellschaftlicher Herrschaft und Zeit und Bewusstsein. Der erste Satz des Romans lautet: „Was ist Zeit?“. Auf der Mikro-Ebene sind es z. B. die exakt bemessenen Sprechpausen im Unterricht, mit denen Druck aufgebaut wird. Auf der Makro-Ebene ist es die Vereinheitlichung der Weltzeit und der Wandel der Uhr von einem Kunstwerk-zum-Lobe-Gottes zum gesellschaftlichen Verhaltens-Steuerungs-Instrument (was noch gar nicht so lange her ist). Sporadisch werden Überlegungen zur Verzahnung von Zeitwahrnehmung und Bewusstsein eingestreut – Voraussetzung dafür, dass Zeit überhaupt als wirksames Herrschaftsinstrument eingesetzt werden kann. Von der kindlichen Entwicklung des Zeitgefühls (aus der „Fläche“ in den „Tunnel“ der linearen Zeit geraten) bis zu der herausragenden Bemerkung über die Fähigkeit, überhaupt einen Zeitbegriff entwickeln und reflektieren zu können: dass es einen unveränderlichen Hintergrund geben muss, vor dem Veränderung als Veränderung erfahren werden kann. Letzteres wird sogar in der aktuellen psychologischen Fachliteratur aufgegriffen und zitiert.[10]
- Der Roman wirkt autobiografisch. Der Roman wurde für den Literaturpreis des Nordischen Rates nominiert.
- 1996 ist der Roman Kvinden og aben. (dt.: Die Frau und der Affe. Hanser, München 1997, ISBN 3-446-18880-0) erschienen. Eine Alkoholikerin rettet einen riesigen Affen vor biologischen Experimenten. Høeg nutzt die Geschichte zur Zivilisationskritik. Der „Affe“ ist in Wirklichkeit Mitglied einer intelligenteren und ethischeren Spezies als der Mensch. Dass er äußerlich in das „Kleid“ eines Affen gehüllt ist, unterstreicht die Bereitschaft der Menschen, an einem vorgefassten Bild / Vorurteil / mentalen Modell festzuhalten.[11]
- 1997: Hommage à Bornonville und Urteil in Sachen Gerichtspräsident Ignatio Landstad Rasker, Geschichten, in: Die Liebenden einer Nacht. Fünf Liebesgeschichten von vier europäischen Erzählern, mit Gustaw Herling, Antonio Tabucchi, Aleksandar Tišma, dtv, München, 1997, ISBN 3-423-20011-1.
- 2001: Reise in ein dunkles Herz. Spiegelbild eines jungen Mannes im Gleichgewicht. Erzählungen (Übersetzt von Monika Wesemann). Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2001, ISBN 3-499-22973-0.
- 2006: Den stille pige (dt.: Das stille Mädchen. Hanser, München 2007, ISBN 978-3-446-20824-7). Darin befindet sich die Hauptperson Kaspar Krone im Dialog mit dem Weiblichen. Auch hier nimmt er das Thema Liebe wieder auf.
- 2010: Elefantpassernes børn. (dt.: Die Kinder der Elefantenhüter. Hanser, München, 2010, ISBN 978-3-446-23552-6) handelt von der Suche zweier Kinder nach ihren Eltern, die zugleich zur Suche nach einer Tür wird, „die sich zur Freiheit öffnet“, zur Suche nach den Momenten des Glücks oder denen des Schreckens. Mystik und verschiedene Religionen wie auch kriminelles Verhalten greifen in die Handlung ein.
- 2015 wird Effekten af Susan (deutsch: Der Susan-Effekt, übersetzt von Peter Urban-Halle, Hanser, München, 2015, ISBN 978-3-446-24904-2) veröffentlicht. Ein Komplott zur Beseitigung der Demokratie in Dänemark läuft vor dem Hintergrund des Klimawandels. Die Protagonisten verfügen über ungewöhnliche kommunikative und physische Fähigkeiten.
- 2018: Gennem dine øjne (deutsch: Durch deine Augen, übersetzt von Peter Urban-Halle, Hanser, München, 2019, ISBN 978-3-446-26168-6)
Bearbeitungen
Literatur
- Dag Heede: Biogramm zu Peter Høeg sowie die Einträge Forestilling om det tyvende århundrede, Frøken Smillas fornemmelse for sne und De måske egnede in: Kindlers Literatur Lexikon, 3., völlig neu bearbeitete Auflage 2009.
- Peter Høeg im Munzinger-Archiv (Artikelanfang frei abrufbar)
Weblinks
- Literatur von und über Peter Høeg im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Literatur von und über Peter Høeg in der bibliografischen Datenbank WorldCat
- Kurzbiografie und Rezensionen zu Werken von Peter Høeg bei perlentaucher.de
- Peter Høeg in der Internet Movie Database (englisch)
- Haben Sie ein Gespür für Gott, Herr Høeg? – Interview mit Felicitas von Lovenberg in der FAZ vom 29. Januar 2007.
Einzelnachweise
- Die Biografie des Autors Peter Høeg
- Munzinger: Peter Høeg, dänischer Schriftsteller
- Peter Hoeg
- Peter Høeg Der Verschollene kehrt zurück
- Portræt: Høeg og hakkelse
- Haben Sie ein Gespür für Gott, Herr Høeg? – Interview FAZ
- Forestilling om hvorfor vi læser slægtsromaner
- Vorstellung vom zwanzigsten Jahrhundert
- Vorstellung vom zwanzigsten Jahrhundert Darin geht es um die Träume und Ideen der Dänen im Verlauf des 20. Jahrhunderts. Sechs Jahre lang dauerte die Schreibphase.
- Franz Resch u. a.: Entwicklungspsychopathologie des Kindes- und Jugendalters. Beltz Psychologie Verlags Union, 2. Auflage 1999, S. 186.
- Alexandra Tischel: Affen wie wir. Was die Literatur über unsere nächsten Verwandten erzählt. J. B. Metzler, Stuttgart 2018, ISBN 978-3-476-04598-0, S. 25–38.
- HörDat.de