Paradies (Architektur)

Paradies i​st eine Benennung für bestimmte Vorhallen a​n mittelalterlichen Kirchen.

Paradiesvorhalle, Kloster Maulbronn. (unten links)
Paradiesvorhalle am Lübecker Dom

Geschichtliche Entwicklung

Im St. Galler Klosterplan, u​m 820, s​ind Höfe u​m die beiden Apsiden a​ls plana paradisi u​nd campus paradisiacus benannt. Umfangreiche Vorhallen besaßen Kirchen d​er Cluniazenser i​n Burgund (Cluny III (1135), Paray-le-Monial (11. Jh.)), v​on geringerer Tiefe w​aren sie b​ei den Zisterziensern (Pontigny, g​egen 1170; Maulbronn, Ende d​es 12. Jhts.), u​nd an d​en Domen v​on Mainz, Straßburg, Merseburg o​der Fritzlar.

Ihre Bauweise und Funktion war vielfältig. Frühe Anlagen hatten die Form atriumartiger Vorplätze (so noch Maria Laach, 13. Jh.). Sie dienten für Prozessionen, als Bestattungsort und boten Asylsuchenden einen Zufluchtsort. Im Grimmschen Wörterbuch ist vermerkt: "der zuweilen mit gartenanlagen versehene (auch zum begräbnisplatz der geistlichen dienende) vorhof einer kirche sowie der klostergarten und der begräbnisplatz für die klostergeistlichen hiesz mlat. paradisus und darnach deutsch paradies."
In gotischer Zeit entstanden Paradiesvorhallen oft auch vor den Eingängen an den Langhausseiten, wo sie bevorzugt zu Marienportalen führten (Dome in Magdeburg, Münster, Paderborn, Lübeck, Hildesheim). Manche werden bis heute als Brautportale bezeichnet, das hängt damit zusammen, dass die Vorhallen bis zur Reformation und zum Teil darüber hinaus als Ort der kirchlichen Eheschließung genutzt wurden.
Nachmittelalterlich wurden, vor allem an kleineren Kirchen, statt der Paradiesvorhalle nur ein kleines, mit Satteldach gedecktes Brauthaus vor den Eingang gesetzt.

Verwandte Begriffe

Die Bezeichnung „Paradies“ überschneidet s​ich un unterschiedlichen Weisen m​it den Begriffen Atrium, Narthex, Paradies u​nd Galiläa.

  • Als Narthex bezeichnet man eine westliche Vorhalle, vor allem in byzantinischen und frühchristlichen Kirchen. Ein Narthex kann geschlossen sein.
  • Die Bezeichnung Paradies wird vor allem für offene Vorhallen verwendet. Ein Paradies kann auch vor einem Seitenportal liegen.
  • Atrium ist die bei Kirchen eindeutige Bezeichnung für einen im Westen vorgelagerten, mit einem Säulengang umschlossenen Hof.[1]
  • Galiläa ist ein Name für Vorhallen der romanischen Zeit in Frankreich (galilée) und England (galilee), Beispiele: Vezelay, Tournus, Lincoln.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Wilfried Koch, Baustilkunde, 33. Auflage (2016), ISBN 978-3-7913-4997-8:
    • Paradies (Stichwort 536) → Narthex.
    • Narthex (Stichwort 503), auch Galiläa, Paradies (griech. Paradeisos = Park)
      • 1. das Atrium der altchristlichen und mittelalterlichen Basilika: von Säulenhallen umgebener Vorhof;
      • 2. Vorhalle der Kirchen, oft reich mit Bauplastik geschmückt.Früher wurden hier die Leichen niedergelegt und gesegnet, bevor sie in die Kirche gebracht wurden. Der narthex wird im byzantinischen Kirchenbau „Litai“ genannt.
    • Atrium (Stichwort 53)
      • 1. zentraler, meist nach oben geöffneter Raum antiker Wohnhäuser
      • 2. → Narthex
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