Palestine Broadcasting Service
Der Palestine Broadcasting Service (PBS) war der staatliche Rundfunk auf dem Gebiet des britischen Völkerbundmandats für Palestina. Das Programm wurde in Jerusalem produziert, der Sender stand in Ramallah. PBS sendete vom März 1936 bis zum Ende des britischen Mandats im Jahr 1948 in arabischer, hebräischer und englischer Sprache.[1][2]
Der Aufbau erfolgte nach dem Vorbild der BBC. Die Finanzierung übernahm zum einen Teil die britische Regierung, zum anderen erfolgte sie aus Rundfunkgebühren.[3]
Dem arabischen Programm wurde die längste Sendezeit eingeräumt. Zum einen waren die palästinensischen Araber die größte Bevölkerungsgruppe im Mandatsgebiet, zum anderen wurde davon ausgegangen, dass die jüdische Bevölkerung andere Sprachen beherrschen würde und auch Radiosender aus Europa hören könnte.[3][4]
Die Gründung von PBS durch die britische Mandatsverwaltung hatte zwei Gründe: die Reduzierung der Konflikte zwischen den arabischen und jüdischen Einwohnern des Mandatsgebietes und die Verbesserung der Reputation der britischen Verwaltung selbst. Aus diesem Grund wurden die Nachrichten in den Programmen stark zensiert.[3]
Der Hohe Kommissar und Generalgouverneur Arthur Grenfell Wauchope sagte zum Start der Station:
“The Broadcasting Service in Palestine will not be concerned with politics. Its main object will be the spread of knowledge and culture. Nor, I can assure you, will the claims of religion be neglected.”
„"Der Rundfunkdienst in Palästina wird sich nicht mit Politik befassen. Sein Hauptanliegen wird die Verbreitung von Wissen und Kultur sein. Ich kann Ihnen versichern, dass auch die Ansprüche der Religion nicht vernachlässigt werden."“
Senderkennung
Die Ausstrahlungen in englischer Sprache fanden unter "Jerusalem calling" statt, die in hebräischer Sprache unter "Kol Yerushalayim" (deutsch Stimme Jerusalems, hebräisch קול ירושלים) und die arabischen unter der Kennung "Iza'at al Quds" (deutsch Radio Jerusalem, arabisch إذاعة القدس) statt. Eigentlich sollte das hebräische Programm den Namen "Kol Eretz Israel" (Die Stimme des Landes Israel) tragen, das wurde aber sowohl von den Arabern also auch den Briten abgelehnt.
Sendebeginn
Nach 14-monatiger Vorbereitung ab Dezember 1934 begann PBS am 30. März 1936 mit den Ausstrahlungen. Um 16.17 Uhr schaltete Generalgouverneur Wauchope den Sender in Ramallah ein. Der Direktor der Post im Mandatsgebiet William Hudson sprach die ersten Worte: “It is Jerusalem calling”, Danach sprach der arabische Moderator Kaabani dieselben Worte, und dann verkündete der hebräische Ansager Abadi: „Hallo! Hallo! Jerusalem spricht!x0147 Es folgte die Rede des Gouverneurs und ein Marsch, gespielt von einer Militärkapelle. Die Sendung wurde danach aus Jerusalem fortgesetzt. Das Studio befand sich im ehemaligen Palace Hotel. Der hebräische Teil der Sendung bestand aus jüdischen Liedern, einem Kammerkonzert mit der Cellistin Thelma Yelin, die Schauspielerin Hanna Rovina rezitierte Verse aus der „Schriftrolle des Feuers“ des Dichters Haim Nachman Bialik und aus dem ƒHohelied Salomons“.[5]
Programm
Das Programm richtete sich an zwei Zielgruppen der beiden Bevölkerungsteile Palästinas:an Bauern und Musikliebhaber.
“There are thousands of farmers in this country who are striving to improve their methods of agriculture. I hope we shall find ways and means to help these farmers and assist them to increase the yield of the soil, improve the quality of their produce, and explain the advantages of various forms of cooperation.
There are thousands of people in Palestine who have a natural love of music, but who experience difficulty in finding the means whereby they may enjoy the many pleasures that music gives. The Broadcasting Service will endeavor to fill this need and stimulate musical life in Palestine, so that we may see both oriental and Western music grow in strength, side by side, each true to its own tradition.”
„Es gibt Tausende von Bauern in diesem Land, die sich bemühen, ihre landwirtschaftlichen Methoden zu verbessern. Ich hoffe, dass wir Mittel und Wege finden werden, um diesen Landwirten zu helfen und sie dabei zu unterstützen, den Ertrag des Bodens zu steigern, die Qualität ihrer Produkte zu verbessern und die Vorteile der verschiedenen Formen der Zusammenarbeit zu erläutern.
Es gibt Tausende von Menschen in Palästina, die eine natürliche Liebe zur Musik haben, aber Schwierigkeiten haben, Mittel und Wege zu finden, um die vielen Freuden zu genießen, die die Musik bietet. Der Rundfunk wird sich bemühen, dieses Bedürfnis zu befriedigen und das musikalische Leben in Palästina zu stimulieren, damit wir sehen können, wie sowohl die orientalische als auch die westliche Musik Seite an Seite, jede getreu ihrer eigenen Tradition, an Kraft gewinnt.“
Gesendet wurde viel Musik, Kinderprogramme, Gespräche und kurze Bildungsprogramme. In den arabischen Sendestunden beschäftigte man sich mit einem weiten Themenspektrum von den großen Momenten der arabischen Geschichte bis zu Dingen wie der Geschichte der Orangenproduktion.[3]
Eine Sendung hieß "Das arabische Heim" von Salwa Sa’id, einer Frau aus dem Libanon, die nach ihrer Heirat nach Palästina kam. Zwölf Sendungen wurden Ende der 30er/Anfang der 40er Jahre ausgestrahlt. Deren Inhalt war neben Haushaltstipps auch die Stellung der Frau in der Gesellschaft und der Kampf um soziale und nationale Identität.[3] PBS hatte ein eigenes Orchester, das vor allem Volksmusik spielte. Es traten berühmte arabische Künstler aus Ägypten, dem Libanon und Syrien auf. Bei den Programmmachern der hebräischen Sendungen gab es zunächste Diskussionen darüber, welche Art Musik man spielen sollte. Ab Mitte der 30er Jahre strahlte man verstärkt klassische Musik aus. Wegen der Verfolgung der Juden in Europa kamen von dort auch klassisch ausgebildete Musiker nach Palästina. So spielte PBS nicht nur bei der Verbreitung der lokalen Volksmusik eine große Rolle, auch bei der Verbreitung klassischer Musik. Einer der Höhepunkte war der Besuch des italienischen Dirigenten Arturo Toscanini, der das PBS-Orchester dirigierte. Auch Hörspiele wurden gesendet.
Eine besondere Bedeutung hat das hebräische Programm des PBS für die Verbreitung der gesprochenen hebräischen Sprache in einer Zeit, in der es noch sehr wenige hebräische Sprecher gab und Juden die Sprache nur als Schriftsprache kannten.
Im Juli 1939 bezieht der PBS neue Studios in einem Haus am Queen Melisande’s Way (heute Helení ha Malkáh). Es wurde ursprünglich für die königliche Familie von Äthiopien gebaut.[6]
PBS 2
Bis 1942 sendete der Palestine Broadcasting Service mit einer Leistung von 20 kW auf der Frequenz 668 kHz. Mit Einführung des zweiten Kanals PBS 2 wurde die Frequenz auf 667 kHz geändert um den Empfang in Europa zu verbessern. PBS 2 sendete mit 20 kW auf der Frequenz 574 kHz. Somit gab es ab 1942 zwei getrennte Programme für die Sprachen arabisch/englisch (Radio al Quds, PBS 1) und hebräisch/englisch (Kol Yerushalayim, PBS 2).[1]
Programmschema 1946
In einer Veröffentlichung des PBS vom 6. November 1946 durch den Direktor Edwin Samuel und seines Stellvertreters Rex Keating werden folgende Sendungen angekündigt:
PBS1
07.00-07.40 Arabisch
07.45-08.00 Englisch
11.00 Englisch
12.00 Englisch (nur Sonntag)
13.45-14.45 Arabisch
17.00-18.15 Englisch (Dienstag ab 1715, Freitag und Samstag ab 1730)
18.15-19.30 Arabisch
21.30-21.45 Englisch
21.45-22.30 Englisches Unterhaltungsprogramm
PBS2
07.00-07.45 Hebräisch
07.45-08.00 Englisch
11.00-12.30 Hebräisch (nur Samstag)
11.00 Englisch (Sonntag-Freitag)
12.00-12.30 Hebräisch (nur Sonntag)
12.30-13.30 Hebräisch
15.00-18.15 Englisch
18.15-22.30 Hebräisch
21.45-22.30 Englisches Alternativprogramm
Nachrichtensendungen
In englischer Sprache 07.45, 13.30, 21.30
Auf Arabisch 07.15, 13.45, 18.45, 20.15, 21.25
In Hebräisch 08.15, 13.15, 18.45, 20.15, 21.25
Höhepunkte der Programme
Sonntags: 10.00-11.00 Gottesdienst aus Kirchen in Jerusalem
Freitag: 11.00-12.15: muslimische Gebete aus der Al-Aqsa-Moschee in Jerusalem (auf Arabisch)
Täglich: 20.00-20.15 Lesung (auf Hebräisch) aus dem Alten Testament[7]
Das Ende des Palestine Broadcasting Service
Kurz vor dem Ende des britischen Mandats für Palästina am 18. Mai 1948 beauftragte die Mandatsverwaltung die arabische Legion mit dem Schutz des Funkhauses im Queen Melisande’s Way (heute Helení ha Malkáh). Daraufhin verließen die Mitarbeiter des hebräischen Programms am 14. Dezember 1947 das Funkhaus und sendeten von einem Ort im Stadtzentrum Jerusalems weiter.[8] Gleichzeitig wurden Studios an einem anderen Ort in Jerusalem vorbereitet. Bei der Gründung des Staates Israel am 14. Mai 1948 gab es zwei israelische Sender: die Stimme Jerusalems aus Jerusalem und die Stimme Israels aus Tel Aviv. Wegen der Unsicherheit des Status von Jerusalem wurden die beiden Sender bis 1950 unabhängig voneinander betrieben. Nach Ankunft der israelischen Behörden in Jerusalem wurde aus der "Stimme Jerusalems" der neue israelische Sender Stimme Israels mit Übernahme der Mitarbeiter und Infrastruktur. Er behielt die Frequenz von PBS 2, konnte allerdings zunächst keine Sendungen auf Mittelwelle ausstrahlen. Im Palästinakrieg besetzte das damalige Transjordanien das Westjordanland, in dem die Sendeeinrichtungen in Ramallah lagen. Von dort wurde auf den Frequenzen von PBS 1 das Programm "Arab Jerusalem Broadcasting Station" in den Sprachen Englisch und Arabisch verbreitet.
Weblinks
Quellen
- "FROM THE ARCHIVES - A BRIEF HISTORY OF RADIO IN THE COUNTRY", Israelradio.org, Archived copy (en) Archiviert vom Original am 21. März 2012. Abgerufen am 11. August 2020. (accessed May 2, 2012)
- Tamar Liebes, Zohar Kampf: “Hello! This is Jerusalem calling”: The revival of spoken Hebrew on the Mandatory radio (1936–1948). In: Journal of Israeli History. Band 29, Nr. 2, September 2010, ISSN 1353-1042, S. 137–158, doi:10.1080/13531042.2010.508939 (tandfonline.com [abgerufen am 11. August 2020]).
- The power of radio during British-mandated Palestine. RFI, 30. März 2019, abgerufen am 8. August 2020 (englisch).
- Andrea L. Stanton: Jerusalem Calling: The Birth of the Palestine Broadcasting Service. In: https://www.palestine-studies.org/. Institute for Palestine Studies, 2012, abgerufen am 11. August 2020 (englisch).
- Nathan Dunevich: Hello! Hello! Jerusalem Calling. In: Zeitschrift Radio News. 1946.
- Kol Israel - Zur Entwicklung des Rundfunks in Israel. In: haGalil. 6. März 2016, abgerufen am 10. August 2020 (deutsch).
- Sendeschema PBS. (Nicht mehr online verfügbar.) Archiviert vom Original; abgerufen am 10. August 2002 (englisch).
- Verlag der Organisation der Mitglieder der Haganah in Jerusalem (Hrsg.): Ahagana in Jerusalem. zweites Buch. Jerusalem 1948, S. 30.