Overlachsches Haus
Das Overlach’sche Haus in Hannover ist heute eine Komposition aus einem im späten 19. Jahrhundert errichteten Wohn- und Geschäftsgebäude mit der einzigen nahezu vollflächig erhaltenen Steinfassade der bürgerlichen Renaissancebaukunst der Stadt aus dem 17. Jahrhundert.[1] Standort des denkmalgeschützten Gebäudes ist die Lavessstraße 82 im Stadtteil Mitte.[2]
Geschichte
Das Gebäude wurde ursprünglich 1663, wenige Jahre nach dem Dreißigjährigen Krieg, von dem Maurermeister und Steinhauer Adrian Siemerding[1] direkt neben der Marktkirche der Stadt[3] für den Kaufmann Johann Overlach und seine Ehefrau Anna Kleine erbaut. Das wohlhabende Ehepaar ließ ihr Gebäude in „bester Lage“ errichten, war doch der Marktplatz „seit dem Mittelalter städtebaulicher Mittelpunkt und politisch-gesellschaftliches Zentrum der Altstadt“.[4] Unter der Adresse Am Markt 6[5] stand das vergleichsweise mächtige Gebäude, eingerahmt von zwei kleineren Seitengebäuden, bis 1884 beinahe unmittelbar neben der Marktkirche[3] auf (dem später umbenannten Teil des Marktplatzes,) dem Hanns-Lilje-Platz.[6]
Nach dem Beginn der Industrialisierung im Königreich Hannover änderte sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts auch die Situation am Marktplatz entscheidend: Zunächst unterzog der Stadtbaumeister Ludwig Droste die Marktkirche einer gründlichen Renovierung. In der Auffassung der damaligen Zeit musste dies mit einer „Stilbereinigung“ einhergehen – „die Kirche erhielt eine einheitliche neugotische Innenausstattung“. Im Kirchturm wurde das (heutige) „große Westportal mit dem Maßwerksgewände eingebaut“, sämtliche direkten Anbauten an den Kirchenmauern, wie etwa das „Ratsbuchbinderhaus“, wurden abgebaut „zugunsten einer einheitlichen monumentalen Wirkung“ der Kirche.[4]
Der wirtschaftliche Aufschwung insbesondere nach der Gründung des Deutschen Kaiserreiches führte in den 1880er Jahren dann auch zu grundlegenden Um- und Neubauten rund um das Overlachsche Haus. An der nördlichen Seite des heutigen Hanns-Lilje-Platzes bis zur Knochenhauerstraße entstand 1884 bis 1885 eine geschlossene Häuserzeile aus Backstein mit vorwiegend gotisierenden Elementen.[2]
Etwa zeitgleich ließ sich der Bankier und Bürgervorsteher August Basse[7] ein eigenes Wohn- und Geschäftsgebäude in der Lavessstraße 82 errichten.[8] Während am heutigen Hanns-Lilje-Platz die neue Backsteingruppe schon beinahe fertiggestellt war und nun das Overlachsche Haus zugunsten einer Platzerweiterung abgebrochen werden sollte,[3] gab Basse den Auftrag, die Fassade vom Haus Overlach seinem eigenen Haus vorzusetzen und so für die Nachwelt zu erhalten.[1] Mehr als ein Dutzend Arbeiter bauten das Renaissance-Gebäude und die beiden angrenzenden Häuser 1884 mühevoll Stück für Stück in halsbrecherischer Handarbeit ab. Die Teile der Renaissance-Fassade wurden unterdessen mit Pferdefuhrwerken in die Lavesstraße transportiert.[3]
Literatur
- Arnold Nöldeke: Massiv- und Mischbauten bis in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts. In: Die Kunstdenkmale der Stadt Hannover, Teil 1, Denkmäler des "alten" Stadtgebietes Hannover, Selbstverlag der Provinzialverwaltung, Schulzes Buchhandlung, 1932, (Neudruck Verlag Wenner, Osnabrück 1979, ISBN 3-87898-151-1), S. 444–449, hier vor allem S. 448
- Ludwig Hoerner:
- Abbruch der Häuser Ecke Knochenhauerstraße Marktplatz, 1884. In: Hannover in frühen Photographien. 1848–1910, Schirmer-Mosel, München 1979, ISBN 3-921375-44-4, S. 126f.
- derselbe: Blick auf den Turm der Marktkirche und den Markt-Platz, um 1888. In: Hannover in frühen Photographien ..., S. 116f.
- Gerd Weiß, Marianne Zehnpfennig: Bürgerhäuser am Marktplatz In: Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Baudenkmale in Niedersachsen, Stadt Hannover, Teil 1, [Bd.] 10.1, hrsg. von Hans-Herbert Möller, ISBN 3-528-06203-7, S. 56f., sowie Anlage Mitte. In: Verzeichnis der Baudenkmale gem. § 4 (NDSchG) (ausgenommen Baudenkmale der archäologischen Denkmalpflege), Stand: 1. Juli 1985, Stadt Hannover, Niedersächsisches Landesverwaltungsamt – Institut für Denkmalpflege, S. 3ff.
- Helmut Knocke, Hugo Thielen: Lavessstraße 82. In: Hannover Kunst- und Kultur-Lexikon, S. 166f.
Weblinks
- Malte Woydt: Johan Overlach, Genealogie zu den Nachkommen des hannoverschen Stadthauptmanns bis hin zu dem Botaniker Johann Heinrich Burckhardt (1676–1738), zuletzt abgerufen am 21. Oktober 2013
Einzelnachweise und Anmerkungen
- Helmut Knocke, Hugo Thielen: Lavessstraße 82 (siehe Literatur)
- Gerd Weiß, Marianne Zehnpfennig: Bürgerhäuser am Marktplatz (siehe Literatur)
- Ludwig Hoerner: Abbruch der Häuser ... (siehe Literatur)
- Ludwig Hoerner: Blick auf den Turm der Marktkirche ... (siehe Literatur)
- Arnold Nöldeke: Massiv- und Mischbauten ... (siehe Literatur)
- Anmerkung: Der heutige Hanns-Lilje-Platz gehörte zum Marktplatz in der Altstadt, der ab 1818 Am Markte benannt wurde. 1978 wurde dieser Teil des ehemaligen Marktplatzes umbenannt nach dem Landesbischof Hanns Lilje. Quelle: Helmut Zimmermann: Hanns-Lilje-Platz. In: Die Strassennamen der Landeshauptstadt Hannover, Verlag Hahnsche Buchhandlung, Hannover 1992, ISBN 3-7752-6120-6, S. 105
- Waldemar R. Röhrbein: BASSE, (1) August. In: Hannoversches Biographisches Lexikon, S. 43; online über Google-Bücher
- Helmut Knocke: Siemerding, (1) Adrian. In: Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein (Hrsg.) u. a.: Stadtlexikon Hannover. Von den Anfängen bis in die Gegenwart. Schlütersche, Hannover 2009, ISBN 978-3-89993-662-9, S. 566.