Otto Conrad (Ökonom)

Otto Gustav Conrad (* 22. Juni 1876 i​n Schleinz, Niederösterreich; † 27. Dezember 1943 i​n Wien) w​ar ein österreichischer Nationalökonom, Privatdozent a​n der Technischen Hochschule Wien u​nd Leitender Sekretär d​er Kammer für Handel, Gewerbe u​nd Industrie i​n Wien.

Leben

Otto Conrad w​urde 1876 a​ls drittes v​on fünf Kindern d​es Hofrechtsanwalts u​nd Advokaten Dr. Michael Otto Conrad (* 1841 Hermannstadt) u​nd seiner Frau Gisa Conrad (geb. v​on Motesiczky, 1852–1929) geboren. Sein ältester Bruder Walter w​ar mit Lene Billroth, e​iner Tochter v​on Theodor Billroth verheiratet. Es bestand zeitlebens e​ine enge familiäre Freundschaft z​u den Exner Geschwistern Franz Serafin, Adolf, Marie u​nd Franz[1] s​owie zu Hans Benndorf. Er studierte Nationalökonomie a​n der Universität Wien. Nach seiner Tätigkeit a​ls Konsulent d​er Handels- u​nd Gewerbekammer i​n Wien w​ar er a​ls Konzipist a​n der Handelskammer i​n Reichenberg tätig, b​evor er a​ls Leitender Sekretär d​er Kammer für Handel, Gewerbe u​nd Industrie 1911(?) n​ach Wien wechselte.

Er promovierte 1900 a​n der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften d​er Universität Wien u​nd habilitierte spät a​n der Technischen Hochschule i​n Wien für Nationalökonomie.

Seine wichtigsten Vorbilder w​aren Adolph Wagner u​nd Gustav Cassel. Er schrieb verschiedene Monografien u​nd zahlreiche wissenschaftliche Beiträge z​u Problemen d​er Volkswirtschaftslehre, d​ie sich m​it den komplexen Mechanismen d​es Marktes auseinandersetzen.

Politisch engagierte s​ich Conrad i​n der Nationaldemokratischen Partei,[2] d​ie 1920 i​n der Großdeutschen Volkspartei (GDVP) aufging. Er w​ar Mitverfasser d​es Salzburger Programms d​er GDVP.[3]

Er hinterließ d​rei Kinder: Trautl, Klaus u​nd Otto.

Wirken

Als e​in Vertreter n​euer Thesen d​er Nationalökonomie setzte e​r sich früh m​it unterschiedlichen Fragen d​er Wirtschaftstheorie auseinander, darunter Marktmechanismen, Preisbildung, f​reie Konkurrenz, arbeitsloses Einkommen, Theorie d​es Kapitalzinses, Ablehnung d​er Grenznutzen- u​nd der Zurechnungstheorie, Arbeit a​ls Produktionsfaktor u​nd Preisbildungsprozesse. Seine fehlende universitäre Anerkennung k​ann unter anderem darauf zurückgeführt werden, d​ass seine kritischen Anschauungen häufig i​m Widerspruch m​it der herrschenden Meinung e​twa der Österreichischen Schule standen. Dies führte z​u zahlreichen Auseinandersetzungen m​it verschiedenen Thesen d​er Wirtschaftslehre v​on Eugen Böhm v​on Bawerk (Zinstheorie), Emil Lederer (Massenarbeitslosigkeit), Othmar Spann (Zweckhafte versus kausale Erklärungsmechanismen d​er Wirtschaftsvorgänge), Hans Mayer (Dynamische Theorie d​es Preisbildungsprozesses), Oskar Morgenstern (Gleichgewichtstheorien d​es Marktes), Ludwig v​on Mises (Versagen d​er Marktmechanismen), August v​on Hayek (Ursachen d​er Wirtschaftslähmung) u​nd anderen.

Werke

Monografien

  • Lohn und Rente, Franz Deuticke Verlag, Leipzig und Wien 1909
  • Die Lehre vom subjektiven Wert als Grundlage der Preistheorie, Franz Deuticke Verlag, Leipzig und Wien 1912
  • Absatzmangel und Arbeitslosigkeit als Dauerzustand, Hölder-Pichler-Tempsky A.G., Wien und Leipzig 1926
  • Der Mechanismus der Verkehrswirtschaft, Gustav Fischer, Jena 1931

Einzeldarstellungen

  • Kapitalzins, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 1908
  • Böhm-Bawerks These von der Mehrergiebigkeit der kapitalistischen …, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 1911
  • Der subjektive Wert als Grundlage der Zinstheorie Böhm-Bawerks, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 1913
  • Das Prinzip von Leistung und Gegenleistung, 1912
  • Die individualistische Wirtschaftsordnung und der Krieg, 1917
  • Warum müssen wir sparen, 1918
  • Grenzen der Wirtschaftspolitik, 1918
  • Die Stellung der Nationaldemokraten zwischen den bürgerlichen Parteien und den Sozialdemokraten, 1919
  • Die Wirtschaftspolitik und ihre Sünden
  • Die Krise des Sozialisierungsgedankens
  • Absatzmangel und Arbeitslosigkeit als Dauerzustand, 1926
  • Volkswirtschaftspolitik oder Erwerbspolitik, 1919
  • Der Ausgangspunkt der theoretischen Nationalökonomie, eine Auseinandersetzung mit Gustav Cassel, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 1927
  • Der Zusammenbruch der Grenznutzentheorie, eine Auseinandersetzung mit Joseph Schumpeter, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 1928
  • Die Frage des Leistungsprinzips …, 1929
  • Der Faschismus in Italien, 1929?
  • Der Vorgang der Eingliederung Arbeitsloser, 1931
  • Der Interventionismus als Ursache der Wirtschaftskrise. Eine Auseinandersetzung mit Ludwig Mises, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 1932
  • Die Prioritäts-Abtretung in ihrer Wirkung auf Zwischen-Hypotheken: Eine Studie über § 30 des österr. Grundbuchgesetzes v. 25. Juli 1871, R.G.B. 95, Wien
  • Der Mechanismus der Verkehrswirtschaft, Eine Erwiderung, Zeitschrift für Nationalökonomie, 1932
  • Das Chaos der Krisenerklärungen, Zeitschr. Österr. Ingenieur- und Architekten. Verein, 1933
  • Der Abbau der Preise als Weg zur Gesundung der Wirtschaft, Manzsche Verlags- u. Univ. Buchhandlung, Wien 1932
  • Die Möglichkeiten einer Erweiterung des Arbeitsbedarfes, Eine Auseinandersetzung mit Emil Lederer, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 1933
  • Das Ende der Automatik des Marktmechanismus, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 1933
  • Der Grundfehler der Lehre Othmar Spanns, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 1933
  • Kausale und funktionale Zusammenhänge im Wirtschaftsmechanismus, Eine Auseinandersetzung mit Hans Mayer, Zeitschrift für Nationalökonomie, 1933
  • Der Mythos des Ankurbelungsfaktors, Wiener Wirtschaftswoche, Januar 1933
  • Die Todsünde der Nationalökonomie, Leipzig/Wien 1934
  • Der Mechanismus der Erwerbswirtschaftlichkeit, Eine Erwiderung, Jahrbuch für Nationalökonomie und Statistik, 1934
  • Preise und Produktion. Eine Auseinandersetzung mit Friedrich A. Hayek, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 1934
  • Die Grundannahmen der Gleichgewichtstheorie, Eine Auseinandersetzung mit Oskar Morgenstern, Zeitschrift für Nationalökonomie, 1936
  • Gleichgewichtstheorie und Beharrungstheorie, Eine Auseinandersetzung mit Peter Struwe, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 1937
  • Der Ausgangspunkt der Theorie des internationalen Handels: Ein Versuch zur Versöhnung der Außenhandelstheorien Gottfried Haberlers u. Bertil Ohlins, 1937

Literatur

  • Otto Conrad: Der Mechanismus der Verkehrswirtschaft. Eine Erwiderung. In: Zeitschrift für Nationalökonomie. Band 3, Nr. 5, 1932, S. 773–778, doi:10.1007/BF01322823.
  • Karl Mainz: Der Mechanismus der Verkehrswirtschaft. In: Zeitschrift für Nationalökonomie. Band 3, Nr. 4, 1932, S. 616–632, doi:10.1007/BF01320164.
  • H. Mayer: Die Wirtschaftstheorie der Gegenwart. 2 Bände. Springer, Wien 1932.
  • Oskar Morgenstern: Vollkommene Voraussicht und wirtschaftliches Gleichgewicht. In: Journal of Economics. 1935.
  • Fischer: Lexikon A-Z, Wirtschaft, 1958.
  • Peter Quante: Review Otto Conrad. Die Todsünde der Nationalökonomie. In: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik. 1937?
  • Wolfgang Heller, Otto Conrad: Der Mechanismus der Verkehrswirtschaft. In: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft. 1932.

Einzelnachweise

  1. Deborah Coen: Vienna in the age of Uncertainty. University of Chicago, 2008.
  2. Vorträge und Veranstaltungen. In: Der Morgen. Wiener Montagblatt, 20. Jänner 1919, S. 3 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/dmo
  3. Robert Kriechbaumer: Die großen Erzählungen der Politik. Politische Kultur und Parteien in Österreich von der Jahrhundertwende bis 1945 (= Schriftenreihe des Forschungsinstitutes für politisch-historische Studien der Dr.-Wilfried-Haslauer-Bibliothek, Salzburg. Band 12). Böhlau, Wien / Köln / Weimar 2001, ISBN 3-205-99400-0, S. 479.
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